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Archiv für 15. September 2011

Wenn eine Kommune ein großes Bauvorhaben in Angriff nimmt, werden bekannte Wege beschritten. So arbeitet man am liebsten mit dem Architekturbüro zusammen, das man kennt und mit dem man zuletzt keine (allzu) schlechten Erfahrungen gemacht hat. Ungefähr so kamen im Oktober 2005 für die Planung und Errichtung der Goethe-Turnhalle die Architekten der Dömges AG zum Zug. Bei Baubeginn im April 2007 herrschte allgemein gute Stimmung. Sekt wurde gereicht. Schnittchen wurden verzehrt und Reden wurden geschwungen. An eine Planung für die Be- und Entlüftung der Halle dachte derweil noch niemand. Man verschob die Sache auf später. Mehrere Monate zogen ins Land. Irgendwann im Frühjahr 2008 gab es eine tolle Idee: Wir könnten doch, meinte der Spezialist für dicke Luft in einer Mittagspause, die drei Fluchttüre im Untergeschoss mit aufstellbaren Lamellen versehen und so Frischluft in die Halle bringen. Einen Lüftungsplaner, der uns den notwendigen Luftwechsel auch rechnerisch bestätigt, finden wir schon und aus Kostengründen bauen wir ins westliche Drittel der Halle keine Fluchttüre bzw. Lüftungslamellen ein, das geht auch so! Gesagt, getan: Am 1. April 2008 war die Änderungsplanung für den Einbau der Lamellen freigegeben. Da intern noch leichte Zweifel, daran bestanden, dass der notwendige Luftwechsel mit dieser tollen Idee erreicht werden könnte, arbeitete man hilfsweise einen Notfallplan aus. Gab es doch da noch die Deckenklappen im Flachdach. Die sind zwar eigentlich eine Sicherheitseinrichtung, die nur im Brandfall die Rauchgase abziehen lassen soll, aber: Bei dicker Luft kann man sie – im Notfall – schon mal zur regulären Belüftung verwenden. So geschah es. Der Notfall wurde nach der Einweihung der Turnhalle im April 2009 zum Normalfall, über die Deckenklappen wurde entlüftet. Und wie es oft so ist im Leben, kommt ein Unglück selten alleine: Regen und Tauben begehrten Einlass über die offenen Deckenklappen, die Motoren zum Öffnen und Schließen gaben den Geist auf und die Prallschutzwände in der Halle sollten sich als hochbelasteter Schund herausstellen. Zu allem Überdruss beklagten sich Schüler und Lehrer über dicke, stark mit Formaldehyd belastete Luft, die Vergiftungserscheinungen hervorrief. Schon im Herbst des gleichen Jahres musste man schließen und renovieren. Dem städtischen Koordinator des Turnhallenbaus, dem Regenburger Amt für Hochbau bzw. dem altgedienten Leiter Michael Hermann, entging natürlich nicht, dass hier etwas schief läuft. Nachdem im Frühjahr 2010 die renovierte Halle wieder in Betrieb genommen wurde, dachten Hermann und andere städtische Mitarbeiter bereits im Herbst 2010 über Möglichkeit nach, wie der Luftwechsel in der Halle verbessert werden könnte. Eine Lösung war bald gefunden und schon im Dezember 2010 baute man in die Fensterfront im nördlichen Obergeschoss Provisorien ein, die zunächst per Hand und im Laufe des Jahres 2011 (zusammen mit den Lamellen der Fluchttüren) nach Zeitprogramm automatisch geöffnet und geschlossen werden sollten. Die Beschwerden der Schüler und Lehrer über formaldehydhaltige und kalte Luft versiegten aber auch nach der Wiedereröffnung nicht. Die Vorlage geschönter Messergebnisse der belasteten Raumluft führte nicht zur Beruhigung, sondern zum Gegenteil. Man musste wegen viel zu hoher Formaldehyd-Konzentration die Halle erneut schließen und wieder Mal Ursachenforschung betreiben. Das renommierte Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) wurde engagiert. Es sollte die Quellen für die Formaldehydbelastung herausfinden und die Leistungsfähigkeit des derzeitigen Lüftungskonzeptes bewerten. Das nun, Mitte September 2011, vorliegende Ergebnis der IBP-Untersuchung ist eindeutig: Die mit weiteren, automatisch aufstellbaren Klappen und einer aufwändigen elektronischen Steuerung, die auch die Lamellen der Fluchttüren öffnet, ausgestattete „Fensterlüftung“ funktioniert nur bei guten Witterungsverhältnissen einigermaßen wie gedacht, führt aber im Winter zu äußerst unangenehmen Kälteerscheinungen. Die Fraunhofer empfehlen, mit einer mechanischen Lüftung nachzubessern und die Lamellen aufzugeben. Das derzeitige „Lüftungskonzept“ ist jedoch nicht nur in energetischer Hinsicht die allerschlechteste Lösung. Es kann auch den einfachen Luftwechsel pro Stunde nicht gewährleisten kann, der aber wegen der verwendeten formaldehydhaltigen E1-Holzbauwerkstoffen notwendig ist. Wenn Amtsleiter Hermann anlässlich des vorliegenden IBP-Berichts meint, er könne das bestehende Lüftungskonzept mit Hilfe des Fraunhofer-Instituts optimieren, damit „die Halle auch im Winter hygienisch gut durchlüftet wird und angenehm temperiert“ bleibe, möchte man ihm und seinen Dienstherren zurufen: Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steige ab. Die Stadt Regensburg wird nicht umhin kommen, eine mechanische Anlage zur kontrollierten Be- und Entlüftung in die Goethe-Turnhalle zu installieren. Eine solche Anlage, die zudem noch die in der Raumluft enthaltene Wärme rückgewinnen kann, wäre schon in der Planungsphase Gebot der Stunde gewesen, allein schon aus Gründen der Energieeffizienz. Stand der Technik ist eine solche Lüftungsanlage seit Jahrzehnten. Doch das hatte man vor lauter Sekt, Schnittchen und Feierlaune offenbar einfach übersehen. Der Name des Autors, der als Diplomingenieur beruflich mit Lüftungsanlagen zu tun hat, ist der Redaktion bekannt.
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