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Rechtsstreit um Schierlinger Hochzeits-Tourismus

Edelanbau für das „älteste Schulhaus Deutschlands“/ UPDATE: Jetzt mit Kostenaufstellung

Geheimtipp für Hochzeiten: Das "älteste Schulhaus Deutschlands" in Schierling. Foto: Marktgemeinde Schierling

Geheimtipp für Hochzeiten: Das “älteste Schulhaus Deutschlands” in Schierling. Foto: Marktgemeinde Schierling

Zwei Lagerräume und ein kleiner Freisitz – für diesen Anbau an das „älteste Schulhaus Deutschlands“ werden im Markt Schierling rund 165.000 Euro ausgegeben.

Wird Schierling das Las Vegas der Oberpfalz? Was Trauungen anbelangt, sieht fast so aus. Statt White Chapel und Elvis suchen nämlich, das sagt Bürgermeister Christian Kiendl (CSU), zunehmend mehr Paare die Marktgemeinde im Landkreis Regensburg auf, um dort – im „ältesten Schulhaus Deutschlands“ – den Bund fürs Leben zu schließen.

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Erst vor wenigen Jahren hat die Gemeinde das Gebäude für rund 850.000 Euro saniert und weil der Zuspruch für Feierlichkeiten in den historischen Räumen stetig steigt, braucht man jetzt ein wenig Platz. Lagerräume müssen her, ein kleines Nebengebäude, damit Stühle, Tische, Sektkühler und was man eben so braucht, untergebracht werden können, um den „schönsten Tag des Lebens“ gebührend zu begehen.

„Mensch, Kare, mia hättn uns doch einigen wolln.“

Schade ist es, wenn es wegen eines solch freudigen Anlasses Streit gibt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Bürgermeister Kiendl am Donnerstag immer wieder sein Bedauern darüber bekundet, dass man sich nun mit einem Nachbarn des Hochzeits-Geheimtipps vor dem Verwaltungsgericht wiederfinde. „Mensch, Kare, mia hättn uns doch einigen wolln“, sagt er immer wieder.

Besagter „Kare“, Karl A., hatte die Gemeinde dabei unterstützt, als diese die angrenzende Fläche 2012 von seinem Nachbarn kaufen wollte. Damals habe ihm der Bürgermeister versprochen, dass dort nichts mehr hingebaut werde, beklagt der Landwirt. „Kare, des stimmt doch ned. Da gibt’s doch Zeugen“, versucht Bürgermeister Kiendl seinen Bürger zu beruhigen. Und als „der Kare“ anführt, dass er auch Zeugen habe, muss der Vorsitzende Richter eingreifen. Denn darum, wer da wem was versprochen hat oder nicht, darum geht es hier und heute nicht. „Hier geht es nur ums Baurecht.“

Genehmigung nicht zu beanstanden

Und was das Baurecht anbelangt, da hat Karl A., das lässt die Richterbank durchblicken, schlechte Karten. Über seinen Rechtsanwalt Dr. Thomas Troidl moniert der Landwirt zwar unter anderem, dass Abstandsflächen nicht eingehalten würden, dass er den Lieferverkehr zum Lagergebäude fürchte und dass da mancherlei Rücksichtslosigkeit im Gange sei. Aber das Gericht lässt, unterfüttert mit Zitaten aus der einschlägigen Rechtsprechung, keinen Zweifel: Die Baugenehmigung ist nicht zu beanstanden.

Doch dem Bürgermeister scheint der Friede in seiner Gemeinde am Herzen zu liegen. Auf einen Vergleichsvorschlag von Rechtsanwalt Troidl lässt er sich ohne größere Diskussion ein: Die Mauer an dem neuen Gebäude wird etwas niedriger werden und das Dach etwas flacher, damit nicht zu viel Schatten auf das Grundstück von Karl A. fällt. Die Kosten des Rechtsstreits werden gütlich geteilt.

Luxuslager für 166.000 Euro

Und so dürfte es jetzt nicht mehr lange dauern, bis der Markt Schierling mit dem Bau seiner Lagerräume beginnen kann, an die offenbar höchste Qualitätsmaßstäbe gelegt werden. Für zwei Räume mit einer Gesamtfläche von knapp 48 und eine kleine gepflasterte Freifläche von 18 Quadratmetern bewilligte die Mehrheit des Gemeinderats im Februar 2013 zunächst Gesamtkosten der Maßnahme von knapp 100.000 Euro. Basis dafür waren die Berechnungen eines Landshuter Architekturbüros.

Einen Monat später reichte die Gemeinde – unterfüttert mit Berechnungen desselben Büros – einen Förderantrag bei der Regierung ein: Hier lagen die Gesamtkosten dann bei knapp 166.000 Euro. Und aus dem „Bund-Länder-Städtebauförderungsprogramm“ für „aktive Zentren“ schließlich wurden der Gemeinde fast 80.000 Euro an Fördergeldern bewilligt. Das ist fast wie ein Jackpot in Las Vegas.

UPDATE: Auf vielfache Nachfrage (siehe auch Kommentare), aber auch Kritik stellen wir hier die Kosten und deren Entwicklung im Detail dar: 

Der Plan, den die Gemeinde Schierling mit dem Förderantrag bei der regierung eingereicht hat. Für zwei Räume mit rund 48 Quadratmetern und gepflasterte, zum Teil überdachte Freifläche von rund 45 Quadratmeter veranschlagt die Gemeinde knapp 166.000 Euro.

Der Plan, den die Gemeinde Schierling mit dem Förderantrag bei der regierung eingereicht hat. Für zwei Räume mit rund 48 Quadratmetern und gepflasterte, zum Teil überdachte Freifläche von rund 45 Quadratmeter veranschlagt die Gemeinde knapp 166.000 Euro.

In der Gemeinderatssitzung am 26. Februar 2013 wurden unter dem Tagesordnungspunkt „Vorplatzgestaltung des ‘alten Schulhauses’ einschließlich des angrenzenden Gebäudes ‘Hundsmarkt 4’ folgendes beschlossen:

  1. Die Kosten für das Nebengebäude betragen laut Schätzung des Architekten Michael Nadler 90.000 Euro

  2. Dazu kommen Abbruckkosten von 12.600 Euro, die von der Gemeindeverwaltung als „zu hoch eingeschätzt“ bezeichnet werden.

  3. Das Nutzungskonzept für das Nebengebäude sieht einen Lagerraum und einen Ausschankraum vor, der im Sommer genutzt werden könnte.

Am 27. August 2013 legt der Architekt Nadler der Gemeindeverwaltung eine genaue Kostenaufstellung vor, in der Folgendes steht:

  1. Die Nutzfläche für die beiden Räume beträgt knapp 48 Quadratmeter

  2. Die reinen Baukosten (ohne Abbrucharbeiten) werden mit 99.824 Euro beziffert, im Vergleich zur Schätzung also eine Kostensteigerung um gut zehn Prozent.

Am 26. September gibt es erneut eine Kostenaufstellung des Architekten Nadler.

Laut dieser neuen Aufstellung betragen die Baukosten inklusive Abbruchkosten für das alte Gebäude 127.273 Euro.

Am 30. September 2013 reicht die Marktgemeinde Schierling einen Förderantrag bei der Regierung der Oberpfalz ein.

Die Gesamtkosten belaufen sich nun laut einer Aufstellung Gemeindegeschäftsführer Fritz Wallner auf 165.750 Euro. Hier wurden erstmals auch 30.000 Euro für „zusätzliche Außenanlagen“ miteinberechnet.

Am 28.10.2013 erhält die Gemeinde einen Bewilligungsbescheid der Regierung der Oberpfalz mit folgendem Ergebnis:

„Von den Gesamtkosten der Maßnahme in Höhe von 165.750 Euro sind 132.000 förderfähig.“ Auf dieser Basis erhält die Gemeinde einen Zuschuss von 79.200 Euro.

Zusammenfassung:

  1. Nimmt man die erste Kostenschätzung, die dem Gemeinderat vorgelegt wurde (90.000 Euro) haben sich bis zum Bewilligungsbescheid der Regierung allein die reinen Kosten für das Nebengebäude um etwa 25.000 Euro erhöht.

  2. Die Abbruchkosten von 12.000 Euro, die in der ersten Gemeinderatssitzung von der Verwaltung noch als „zu hoch geschätzt“ bezeichnet wurden, haben sich sogar noch leicht erhöht.

  3. Zusätzlich muss die Marktgemeinde noch rund 30.000 Euro für die dazugehörigen Freiflächen (45 Quadratmeter, zum Teil überdacht) ausgeben.

Für ein Gebäude mit 48 Quadratmeter Nutzfläche und 45 Quadratmeter gepflasterter und gestalteter Außenfläche werden also insgesamt – eventuelle Kostensteigerungen noch nicht mitgerechnet – 165.750 Euro Steuergelder ausgegeben. Bemerkenswert ist auch, dass die Notwendigkeit diese Gebäudes damit begründet wird, dass man Lagerflächen brauche, um im Schulhaus Veranstaltungen durchzuführen – das bedeutet: 48 Quadratmeter „Lagerraum“ für einen Veranstaltungsraum im Schulhaus von knapp 47 Quadratmetern. Edel, edel.

 

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Kommentare (8)

  • Lothgaßler

    |

    Gut, dass die Griechen nix von unserer Subventionitis wissen.
    Warum dieser Anbau ein Fall für die “Städebauförderung” gewesen sein mag? Über die hohen Kosten kann man sich nicht wirklich wundern, siehe Kumpfmühler Salettl.

  • Stöckl Hans Peter

    |

    Sehr geehrte Leser dieses Artikels,
    mit Zahlenmodellen zu spielen ist so eine Sache. Es sind wohl auch die Quellen, woher sie kommen nicht ganz unschuldig. Nach dem Motto “nicht gesagt ist auch nicht gelogen”.
    An dieser Stelle wäre es sinnvoll darzulegen, wie sich die Kosten genau zusammensetzen.
    Ausschließlich die Gemeinde Schierling kann hier konkrete Zahlen liefern.

  • Stefan Aigner

    |

    Sehr geehrter Herr Stöckl. Wie bereits telefonisch mit Ihnen besprochen, stammen alle Zahlen aus dokumenten der Gemeinde. Ich werde sie, wie ebenfalls schon besprochen, heute im Detail auflisten. Eines bleibt dabei: das Ding ist teuer.

  • Stöckl Hans Peter

    |

    Sehr geehrter Herr Aigner,
    vielen Dank für die Antwort und Ihre Bemühungen etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
    “Das Ding ist teuer” – richtig – alle öffentlichen Einrichtungen (Theater, Hallenbad u.s.w.) sind nicht billig.

  • Stöckl Hans Peter

    |

    Tja Herr Aigner,
    edel edel wie Sie so mit Zahlen umgehen!
    Wie Sie richtig und ausführlich dargelegt haben betragen die Gesamtkosten der Maßnahme 165.750 Euro mit Datum 28.10.2013 – seither hat sich wohl nichts geändert.
    Auch der damalige Gemeinderat hatte davon Kenntnis.
    Jetzt zu Ihrer Schlussfolgerung:
    “48 Quadratmeter „Lagerraum“ für einen Veranstaltungsraum im Schulhaus von knapp 47 Quadratmetern. Edel, edel.”
    Sie haben recht ausführlich die Kosten erläutert aber woher kommt diese Erkenntnis?
    Sicherlich können Sie auch hierzu eine Erklärung abgeben, denn ich verstehe diese Kostennutzenrechnung leider nicht, da das gesamte Schulhaus für Veranstaltungen genutzt wird. Kommen Sie doch mal nach Schierling, dann können Sie sich vor Ort ein Bild machen.

  • Stefan Aigner

    |

    Ich denke, die Zahlen sprechen für sich. Ich halte vor allem deren Entwicklung für interessant. Natürlich kann man – je nach Interessenslage – zu anderen Schlüssen kommen. Eine Schankanlage – wie sie offenbar in einem der “Lagerräume” untergebracht werden soll, hat das Verwaltungsgericht übrigens kritisch gesehen. Aber darüber wurde ja nicht verhandelt.

  • Stöckl Hans Peter

    |

    Sehr geehrter Herr Aigner,
    vielen Dank, dass Sie sich für ein Schierlinger Thema so ins Zeug legen.
    Ich rede ja viel lieber mit den Leuten aber das geschriebene Wort ist halt beständiger. Ihre Erkenntnisse werden ja sehr wirksam in Schierling verbreitet. Aber wenn ein einfacher Mensch eine Frage stellt, erwartet er halt eine einfache Antwort.
    Hier noch mal meine Frage:
    “48 Quadratmeter „Lagerraum“ für einen Veranstaltungsraum im Schulhaus von knapp 47 Quadratmetern. Edel, edel.”
    … woher kommt diese Erkenntnis?
    Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie von bestimmten Leuten in Schierling mit Halbwahrheiten versorgt werden.
    Hier noch ein paar Beispiele:
    Das Nebengebäude: ” … ein Schmankerl für die Gennshenkher”
    oder “Manche munkeln, der Vorstand der Schierlinger Gennßhenker betrachte das Nebengebäude, für dessen Errichtung der Markt Schierling stolze 165.000€ ausgeben will, bereits als inoffizielles Vereinsheim.”
    Diese Aussagen sind haltlos und fast schon lächerlich.
    Soviel zur Interessenslage.
    Wenn schon Schierlinger über die “Gennßhenkher” schreiben, dann wenigstens mit den richtigen Buchstaben.
    Die ganze Sache geht Ihnen unter Umständen schon auf den Nerv –
    mir ja auch – aber eine kleine Antwort auf meine Frage ist vielleicht noch drin.
    Viele Grüße aus Schierling
    Hans Peter Stöckl

  • Stefan Aigner

    |

    Sehr geehrter Herr Stöckl,

    ich weiß nicht, welche “Halbwahrheiten” ich verbreitet haben soll. Ich habe detailliert die Zahlen offen gelegt. Sie stammen alle aus offiziellen Unterlagen. Dann habe ich daraus einen Schluss gezogen, nämlich: Wenn ein Lagerraum größer ist, als das Gebäude für dessen “Betrieb” dort etwas gelagert werden soll, dann kann man zur Einschätzung “Edel, edel” kommen. Wenn Sie diese – launig formulierte – Einschätzung nicht teilen ist das auch in Ordnung.

    Wenn in Schierling jemand etwas “haltloses und fast schon lächerliches” über die Gennßhenker schreibt, dann klären Sie das doch bitte mit den betreffenden Personen und schieben Sie es bitte nicht mir in die Schuhe. Das wird mir dann nämlich zu verschwörungstheoretisch. Ich habe durchaus mitbekommen, dass es in Schierling einen Kleinkrieg mit Kritikern gibt, der in Unterlassungsklagen, dem Verbreiten von Gerüchten und direkten Druck auf Einzelpersonen mündet. Das erinnert mich an Regensburg vor 15 Jahren oder an manche bayerische Vorabendserie. Das ist allerdings nicht mein Thema.

    Ich finde es aber schon erstaunlich, welche Empfindlichkeiten geweckt werden, wenn man mal erwähnt, dass der Bau eines kleinen Nebengebäudes durchaus teuer ist – eine Einschätzung übrigens, die – wenn auch unter etwas anderen Vorzeichen – der Kämmerer von Schierling teilt. Das hab ich schriftlich. Es wäre doch schön, wenn das Thema in Schierling offen diskutiert würde. Bei Ihnen scheint ja erheblicher Informationsbedarf bestanden zu sein. Und ich gehe davon aus, dass sie nicht der Einzige sind. Beste Grüße. Stefan Aigner

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