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Brandrede zum Frauentag

„Endlich die Reichen und Superreichen zur Kasse bitten“

Zum Internationalen Frauentag kritisiert die verdi-Vorsitzende Irene Salberg die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge. „Bis das wieder erlaubt ist, werden viele der Zurückgebliebenen getötet oder verhungert sein.“

Irene Salberg: „Unfassbar, dass geschlechtsspezifische Gewalt nach wie vor kein Asylgrund ist.“

Irene Salberg: „Unfassbar, dass geschlechtsspezifische Gewalt nach wie vor kein Asylgrund ist.“ Foto: Herbert Baumgärtner

Die junge Frau aus Äthiopien möchte nicht fotografiert werden. Mit Anfang 20 hat sich vor etwas mehr als zwei Jahren allein auf den Weg nach Europa gemacht, um hier Asyl zu bekommen. Am Mittwoch erzählt sie kurz von ihrem Schicksal, aber es scheint ihr nicht wohl bei dem Gedanken zu sein, dass eine breitere Öffentlichkeit all zu viele Details über sie erfahren könnte. Sie hat immer noch Angst um ihren Vater und ihren Bruder, die in ihrem Heimatland politisch verfolgt werden, aber auch um sich selbst. Irene Salberg wird dafür umso deutlicher. Zum Internationalen Frauentag beschäftigt sich die Regensburger verdi-Vorsitzende im Andreasstadel mit dem Schicksal von Frauen zwischen Krieg, Flucht und Asyl. Und es ist eine wütende und kämpferische Brandrede, die Salberg vor knapp 100 Zuhörerinnen hält.

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„Wer durch Waffenexporte sät, der wird Flüchtlinge ernten.“

Es sei nicht nachzuvollziehen, warum sich Politiker wie Innenminister Thomas de Maiziere gewundert hätten, weshalb „plötzlich“ immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland und Europa gekommen seien. Verantwortlich dafür macht Salberg unter anderem die deutsche Rüstungspolitik. „Allein 2015 werden in 23 Ländern Kriege geführt und dazu braucht man Waffen.“ Und bei den Exporten folge ein Rekord auf den nächsten. „Deutschland gehört zu den fünf größten Rüstungsexporteure und lieferte 2015 Waffen in 57 Staaten.“ Nach Angaben der Bundesregierung wurden im vergangenen Jahre Rüstungsexporte für 7,5 Milliarden Euro genehmigt. Andere Untersuchungen gehen von 12,5 Milliarden Euro aus. „Wer auf diese Weise Kriege sät, der wird Flüchtlinge ernten.“

Fast zwei Drittel der 60 Millionen Menschen, die derzeit weltweit auf der Flucht sind, sind Frauen und Kinder. Vor allem sie es, die unter Unterernährung und sexueller Gewalt leiden. Es sei „unfassbar, dass geschlechtsspezifische Gewalt nach wie vor kein Asylgrund ist“, so die verdi-Vorsitzende. Im Kosovo etwa liege die Arbeitslosigkeit unter Frauen bei 70 Prozent, Zwangsprostitution und Menschenhandel zwängen sie zur Flucht. „Aber der Kosovo soll angeblich ein sicheres Herkunftsland sein.“

“Den IS finanziell austrocknen”

Dass der Bundestag gegen die Stimmen von Linken und Grünen erst kürzlich den Familiennachzug ausgesetzt haben, bezeichnet Salberg als „Unmenschlichkeit“ und „Verbrechen“. Gerade in Syrien, das „zum Spielball in einem knallharten wirtschaftlichen Konflikt um den globalen Energiemarkt“ geworden sei, werde diese Entscheidung viele Alte, Frauen und Kinder das Leben kosten. „Bis Familienzuzug wieder erlaubt ist, werden viele der Zurückgebliebenen getötet oder verhungert sein.“

Gerade der Islamische Staat gehe mit gnadenloser Brutalität gegen Frauen vor. „Frauenhandel, Vergewaltigungen, Verschleppung, Zwangsprostitution auch von Kindern gehören zur Kriegsstrategie.“ Bomben seien im Kampf gegen den IS aber keine Lösung, glaubt Salberg. „Den muss man finanziell austrocknen.“ Dass dies funktioniere, habe man 2012 gesehen, als auf Bitten der EU der Datenverkehr zwischen dem Iran und SWIFT blockiert wurde. „Die Auswirkungen waren wirtschaftlich für den Iran so verheerend, dass er an den Verhandlungstisch zurückkehren musste.“

“Wir sollten uns noch mehr einmischen.”

Angesichts der aktuellen Flüchtlingsbewegungen seien gerade die westlichen Industriestaaten gefordert. „Schließlich verdanken sie einem Teil ihres Reichtums den Waffenlieferungen und der Ausbeutung der Länder aus denen die Flüchtlinge kommen.“ Bei der Frage, wer das alles bezahlen solle, müssten „endlich die Reichen und Superreichen“ zur Kasse gebeten werden. „Seit Jahren hätten wir deren Geld gebraucht zur Finanzierung von billigem Wohnraum, zur Finanzierung von sozial Schwachen, Rentnern, von Bildung und öffentlicher Daseinsvorsorge. In keinem großen Industriestaat wird großes Vermögen so gering besteuert wie in Deutschland. Da wäre genügend Geld für unsere Forderungen, auch zur Bezahlung der Flüchtlingskosten.“

Der Politik vertraut Salberg bei alledem nur wenig. „Um diesem ganzen Wahnsinn entgegenzutreten, sollten wir uns noch mehr einmischen, noch mehr Überzeugungsarbeit leisten, noch mehr Druck machen, noch mehr öffentlich protestieren für eine bessere, menschlichere, sozialere, gerechtere, solidarischere Welt und zum Erhalt unserer Erde.“

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Kommentare (6)

  • joey

    |

    die Waffenlieferungen gehen nach Saudi Arabien, aber von dort kommen keine Flüchtlinge. In Syrien wird hauptsächlich mit Billigwaffen aus russischer oder bulgarischer Produktion gekämpft, Leopard waren da noch keine zu sehen. G3 werden seit Jahrzehnten in Saudi Arabien gefertigt, auf deren Verbreitung haben wir keinen Einfluß mehr und deutsche Firmen kriegen davon auch kein Geld mehr.

    High Tec Waffen werden zur Sicherung der Herrschaft der Königshäuser benötigt, die damit ihre Gardeeinheiten ausstatten, um gegenüber den (eigenen) Söldnertruppen einen militärischen Vorsprung zu behalten.

  • Rentnerin

    |

    Wenn von Reichen und Superreichen gesprochen wird, müsse man endlich auch einmal über die Beamten sprechen.

    Dieser Personenkreis bestimmt zwar über das Volk, beteiligt sich aber nicht an den

    – gesetzlichen Krankenversicherungskosten, die ständig steigen –
    – diese Herrschaften sind privat versichert und werden behandelt wie Götter in den Arztpraxen – wir normales Volk wie Schw….. –

    Sie zahlen während ihrer Berufstätigkeit nur 50 % der Versicherung und im Pensionistenalter 30 %. Den Rest übernimmt der Staat als Beihilfe.

    – keine Rentenversicherungskosten

    – keine Arbeitslosenversicherungskosten.

    Es gibt keine etablierte Partei – SPD – CSU – SCU – Grüne, die jemals dieses Problem angesprochen hätte – K e i n e.

    Glauben diese Menschen wirklich, wir sind an diesem Staat in dieser Form noch interessiert.

    Da helfen auch die politischen Veranstaltungen nichts, zu denen ich monatlichen mindestens 10 Einladungen per Internet erhalte.

    Es gibt nur einen Weg, endlich einmal anders wählen.

  • Beamter

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    Immer diese bösen Beamten.
    Dafür dürfen Sie ihre Kinder anteilig privat versichern (nix mit beitragsfreier Mitversicherung), dafür spart sich der Staat eine Menge Abgaben (gezahlt wird ja nur im tatsächlichen Krankheitsfall, die Bezüge sind von vornherein zu vergleichbaren Arbeitnehmern reduziert, Und nicht immer an die Beamten Besoldungsgruppe A15 aufwärts denken :-)
    Und sie bestimmen über das Volk, macht das nicht das Parlament, dessen Abgeordnete eben keine Beamte sind ?

  • Tobias

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    @Beamter:
    Ein sehr magerer Relativierungsversuch.
    Wäre es ach so schlimm, wie sie tun, gäbe es keine Beamten, da es sich im “Paradies” der freien Marktwirtschaft ja so viel besser lebt…

    Klar, in Regensburg dank seiner Industrie gibt es kräftige Lohnunterschiede. Da kriegen ja Leiharbeiter bei Krones schon 1.900 Netto, bei OSRAM noch mehr (Quelle: Lohnzettel Familienmitglieder). Aber bei immer mehr Angestellten und Arbeitnehmern in diesem Land wird massiv herumgestrichen und Arbeitskämpfe sind notwendig, um ein bisschen halten zu können. Das geht freilich bei Beamten nicht – ist auch von vornherein nicht nötig.

  • Beamter

    |

    @Tobias:
    Das es Ungerechtigkeiten gibt, will ich ja gar nicht anzweifeln, vor allem wie von Ihnen beschrieben regional. Nur diese einfachen Pauschalisierungen stören mich. Man hat ja auch schon zu hören bekommen, dass Beamte gar keine Steuern zu bezahlen haben :-)

    Aber sei’s drum…

  • Bertl

    |

    Der Vorschlag von “Rentnerin” ist eigentlich schon nicht schlecht! Was die Lohnzettel von OSRAM und Krones angeht Tobias darf aber nicht vergessen werden, dass da Schichtzulagen/ steuerfrei dabei sind! Damit realtivieren sich die 2000 Schekel auch wieder. Der groesste Vorteil am Beamtentum liegt mittlerweile doch in deren Pension oder? Nicht zu vergessen eine Jobgarantie…. verguenstigte Darlehen… u.s.w. Dafuer verdienst halt dann aber auch weniger als jemand in der freien Wirtschaft! Hat ALLES vor und Nachteile… ich moechte kein Beamter sein!

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