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Alternativlose Entscheidung?

Evangelisches Krankenhaus: Erst verhökern, dann diskutieren

Alle Entscheidungen sind bereits getroffen. Am Montag durfte nun auch der Bürger etwas dazu sagen und erfahren. Bei der Diskussion ums Evangelische Krankenhaus ging es hoch her. Man erfuhr manch erstaunliche Neuigkeit. Und dass man sich in Regensburg eine Einmischung der Bürger verbittet.

Überrascht vom brechend vollen Saal: OB Hans Schaidinger. Foto: as

Überrascht vom brechend vollen Saal: OB Hans Schaidinger. Foto: as

So Einiges konnte man am Montagabend erfahren: Über konfessionelle Gräben, die sich auch im 21. Jahrhundert in Regensburg noch auftun können. Über den inneren Zustand der hiesigen evangelischen Kirchengemeinde. Darüber, auf wie viele Arten man Defizite hoch- und niedrig rechnen kann und dass Oberbürgermeister Hans Schaidinger die Bemerkung, dass hier eine Entscheidung „durchgepeitscht“ worden sei, als „ehrenrührige Beleidigung“ empfindet. Doch warum die – bereits beschlossene und vertraglich festgelegte – Schließung des Evangelischen Krankenhauses „alternativlos“ sein soll, blieb auch nach fast dreistündiger Diskussion ungeklärt. Es ist eine Frage der Prioritäten.

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Der Saal ist brechend voll

Der Melanchthon-Saal im Evangelischen Bildungswerk ist bis auf den letzten Platz besetzt. Und man sieht es Hans Schaidinger an, dass er mit einer solchen Resonanz nicht gerechnet hat. Immer wieder wendet er den Kopf nach links und rechts, tauscht Blicke aus mit Dr. Helmut Reutter, dem Geschäftsführer der Evangelischen Wohltätigkeitsstiftung, und mit den CSU-Stadträten, die als Unterstützer mitgekommen sind.

Es dauert eine gute halbe Stunde, ehe Schaidinger und Reutter nach Erläuterungen des Stiftungswesens, der Struktur städtischer Ausschüsse und Entscheidungswege zum Punkt kommen: Die Schließung des Hauses am Emmeramsplatz sei unausweichlich gewesen.

Das Evangelische Krankenhaus: Beste Voraussetzungen

Die Voraussetzungen für den Betrieb des letzten innerstädtischen Krankenhauses in Regensburg klingen eigentlich ideal: Im Gegensatz zu anderen Kreiskrankenhäusern, die aufgrund ihrer Größe, besser gesagt: fehlenden Größe, mit Defiziten zu kämpfen haben, die aus den oft klammen Kommunalfinanzen bestritten werden müssen, gibt es in Regensburg eine eigene Stiftung mit einem dicken Finanzpolster von rund 60 Millionen Euro, deren Zweck – wie es in der Satzung heißt – „insbesondere (…) durch den Unterhalt und den Betrieb des Evangelischen Krankenhauses in Regensburg“ verwirklicht werden soll. Trotz des Defizits, das die Stiftung alljährlich übernimmt, bleibt regelmäßig ein mindestens sechsstelliger Überschuss.

Die Wohltätigkeitsstiftung ist aufgrund ihrer wirtschaftlichen Kraft in der Lage, dieses Defizit zu tragen. Im Haushalt des Jahres 2011 haben wir trotz des Defizits unserer Einrichtungen – das betrifft nicht nur das Krankenhaus, sondern auch das Altersheim – insgesamt so viel Geld erwirtschaftet, dass unterm Strich noch ein höherer sechsstelliger Betrag übrig geblieben ist, den wir unseren Rücklagen zugeführt haben.

Dr. Helmut Reutter im Juli 2012

Die Lage in der Innenstadt barg unter anderem den Vorteil der kurzen Wege – insbesondere am Wochenende, wo angesichts der Partymeile Altstadt regelmäßig Opfer von Schlägereien oder anderer alkohlbedingte Ausfälle versorgt werden konnten. Im Übrigen war es das einzige Krankenhaus, in dem frau problemlos die „Pille danach“ erhalten konnte.

Aus Sicherheit wird Alternativlosigkeit: Dr. Helmut Reutter traf zwischen 2012 und 2013 sehr unterschiedliche Aussagen zum Evangelischen Krankenhaus. Foto: as

Aus Sicherheit wird Alternativlosigkeit: Dr. Helmut Reutter traf zwischen 2012 und 2013 sehr unterschiedliche Aussagen zum Evangelischen Krankenhaus. Foto: as

Das alljährlich anfallende „strukturelle Defizit“, das jetzt als Argument für die Schließung herhalten muss, war offiziellen Verlautbarungen der Stadt und von Geschäftsführer Reutter zufolge nie ein Problem. Das wurde zuletzt noch Mitte 2012 in Interviews mit dem städtischen Wurfblatt „Bei Uns“ betont, ebenso in entsprechenden Pressemitteilungen. Zu einem Zeitpunkt also, an dem man – folgt man Schaidingers und Reutters Ausführungen am Montag – bereits wusste, dass der Betrieb des Evangelischen Krankenhauses am Emmeramsplatz nicht mehr wirklich zu machen sein wird, wenn, ja wenn man rein betriebswirtschaftlich argumentiert und anderen Interessen – ein kleines, zentral gelegenes Krankenhaus für Jedermann – einen eher untergeordneten Stellenwert einräumt.

Das Betreiben des Evangelischen Krankenhauses ist in der Stiftungssatzung wörtlich festgeschrieben. Bei der Erfüllung ihres Stiftungszwecks zielt die EWR vorrangig deshalb nicht auf wirtschaftliche Rentabilität und Profit ab, die in der freien Wirtschaft oft durch drastische Sparmaßnahmen und Personalkürzungen erreicht werden. Im Vordergrund des
Stiftungsgedankens stehen vielmehr zwei Aspekte: Die bestmögliche und individuelle Versorgung der Patienten und die EWR als sozialer Arbeitgeber.

Dr. Helmut Reutter im Juli 2012

Und so beschlossen der Stiftungsausschuss, in dem etwa auch der Dekan der evangelischen Gemeinde, Eckhard Herrmann, sitzt und anschließend der Stadtrat – in nichtöffentlicher Sitzung – das Aus für das Evangelische Krankenhaus mit seinen 90 Betten in der Innenstadt.

Eine gemeinnützige GmbH, an der die katholischen Barmherzigen Brüder mit 80 und die Evangelische Wohltätigkeitsstiftung mit 20 Prozent beteiligt sind, übernimmt ab 2014 die Ägide am Emmeramsplatz. 2017 wird das Haus geschlossen und beim noch neu zu bauenden Zentrum für Altersmedizin auf dem Gelände der Barmherzigen angesiedelt. Die Stiftung hat Schaidinger zufolge dann fünf Jahre Zeit, um zu entscheiden, ob sie ihre 20prozentige Beteiligung halten wolle oder nicht. Das sei eine „zukunftsgerichtete Ausrichtung“ und rechtlich in jeder Hinsicht in Ordnung.

Die Sache mit der Ehrlichkeit…

Kann man vor diesem Hintergrund aber überhaupt noch von einem Evangelischen Krankenhaus sprechen? Nein, befand Pastor Martin Schulte in einer engagierten und mit viel Beifall bedachten Wortmeldung.

„Das Evangelische Krankenhaus wird es nicht mehr geben.“, so Schulte in Richtung Schaidinger und Reutter. Die Barmherzigen Brüder übernähmen die 90 Betten, erhielten den ursprünglich für das Evangelische Krankenhaus bewilligten Zuschuss und es gelte ab sofort das katholische Arbeitsrecht. Die Fünf-Jahres-Klausel sei doch nur dazu da, damit sich die Stiftung nach fünf Jahren, wenn alles erledigt sei, zurückziehen könne. „Es wäre ja auch Blödsinn, wenn sich die (mit über 900 Betten ausgestatteten, Anm. d. Red.) Barmherzigen Brüder wegen 90 Betten mit einer gemeinnützigen GmbH herumschlagen müssten.“ Eine solche Entscheidung könne man möglicherweise schon treffen, „allerdings wäre es Ehrlichkeit, das dann auch zu sagen“.

Ein Dekan redet sich um Kopf und Kragen

Viel Kritik musste Dekan Herrmann, wenn man so will: der Geschäftsführer der Regensburger Protestanten, einstecken. Er habe seine Gemeinde selbst auf Nachfragen hin nicht über die Situation und die anstehende Schließung informiert, hieß es am Montag immer wieder. Und Herrmanns unglückliche Verteidigungsrede, derzufolge das doch auch bei Entscheidungen innerhalb der evangelischen Kirche Regensburgs so Usus sei, erntete derart viel Geraune, Widerspruch und sogar Gelächter, dass davon auszugehen ist, dass ihm da noch erheblicher Gegenwind entgegenschlagen wird – völlig abseits von der Diskussion um das Krankenhaus, sondern innerkirchlich.

Glückliche Zeiten im Mai 2012: Hans Schaidinger und Helmut Reutter begrüßen die neue Chefärztin Heike Hofmann am Evangelischen Krankenhaus. Von Problemen war damals noch keine Rede. Foto: Stadt Regensburg

Glückliche Zeiten im Mai 2012: Hans Schaidinger und Helmut Reutter begrüßen die neue Chefärztin Heike Hofmann am Evangelischen Krankenhaus. Von Problemen war damals noch keine Rede. Foto: Stadt Regensburg

Der Gesprächsleitung von Carsten Lenk ist es an diesem Abend zu verdanken, dass die Debatte sich nicht darum oder immer wieder angerissene konfessionelle Grabenkämpfe drehte, sondern doch weitgehend beim Thema Krankenhaus blieb.

Und hier führten Schaidinger und Reutter mancherlei ins Feld, um die Alternativlosigkeit des faktischen, aber von ihnen nie so benannten Endes für das „Evangelische“ zu rechtfertigen.

Die Sache mit dem Brandschutz

Bereits 2011 sei klar gewesen, dass trotz einer Sanierung im Jahr 1994 nun erneut erheblicher Sanierungsbedarf bestehe. Die geschätzten Kosten lägen bei 27 Millionen Euro. Und der Zuschuss des Freistaats in Höhe von 11,4 Millionen, den die Stadt noch im Juni 2013 per Pressemitteilung als Erfolg feierte, sei „sehr, sehr gering“, so Reutter am Montag, also kein halbes Jahr später.

Es dauert über zwei Stunden, jede Menge Allgemeinplatzerei (vom Podium) und vieler Nachfragen (vom Publikum), ehe der Oberbürgermeister schließlich damit herausrückt, weshalb diese Sanierung überhaupt notwendig ist.

1994 seien nämlich, so der OB, Decken eingebaut worden, die einen Brandschutzwert von „F0“ aufweisen. Das bedeutet, flapsig ausgedrückt, dass diese Decken im Fall eines Feuers durchbrennen würden wie Papier. Zum Vergleich: Mit einem Brandschutzwert „F30“ hielte die Decke einem Feuer 30 Minuten stand.

Wer war hier verantwortungslos?

Erwähnt wird dies von Schaidinger offenbar nur, um den ehemaligen Geschäftsführer der Wohltätigkeitsstiftung, Ulrich Landskron, zu diskreditieren. Dieser hatte sich in mehrere Schreiben kritisch zum Verkauf geäußert und war Schaidinger damit in die Parade gefahren. „Ich gehe nicht davon aus, dass Herr Landskron das gewusst hat“, sagt der OB denn auch etwas süffisant mit Blick auf dieses Brandschutzproblem. „Das wäre nämlich verantwortungslos.“

Da hat Schaidinger natürlich recht: Es wäre verantwortungslos gewesen von dem Architekturbüro, dass die Sanierung plante, verantwortungslos vom städtischen Hochbauamt, das die Bauaufsicht inne hatte und verantwortungslos von der Feuerwehr, die dabei standardmäßig als Kontrollbehörde zum Einsatz kommt. All diese Stellen nennt Schaidinger aber nicht – nur Landskron. Und man könne ja – Verjährung – da ohnehin nichts mehr machen, fügt Schaidinger noch an. Es gehe auch „nicht um Schuldzuweisungen“, sondern darum, zu sagen, was ist.

Wie berechnet man ein Defizit?

Doch „das, was ist“ ließ sich auch am Montag nicht abschließend klären. Landskron beharrte auf seinen Berechnungen, denen zufolge das Defizit des Evangelischen Krankenhauses weit geringer sei, als von Reutter und Schaidinger geschildert. Die beiden wiederum beharrten auf ihren Angaben und kamen – erstaunlicherweise auf Basis völlig unterschiedlicher Rechen- und Abschreibungsmodelle – zum selben, höherem Ergebnis…

Es ist indes erstaunlich, dass der Oberbürgermeister von dieser Brandschutzproblematik, die doch ein wesentlicher Grund für die – seit 2011 bekannten – hohen Sanierungskosten sein soll, „erst vor einem Monat erfahren“ haben will.

Informationen vorher: Das wäre schön gewesen, aber…

Den wohl größten Beifall des Abends erhielt Klaus Schulz, einst selbst viele Jahre für die CSU im Stadtrat, fast ebenso lange im Stiftungsausschuss. „Es wäre schön gewesen, Herr Oberbürgermeister, wenn eine solche Veranstaltung stattgefunden hätte, bevor bereits alles beschlossen ist.“

Natürlich wäre es das, aber dann wäre das Ganze nicht so einfach über die Bühne gegangen. Im Stiftungsausschuss gab es lediglich eine Gegenstimme zur Übernahme durch die Barmherzigen Brüder, im Stadtrat waren es zwei (zur Pressemitteilung der Stadt Regensburg).

Arbeitsverträge: Bestandsschutz gilt nur ein Jahr

Bleibt noch zu erwähnen, dass der bei der Diskussion so hochgehaltene Bestandsschutz für die Arbeitsverträge der jetzt beim Evangelischen angestellten Beschäftigten nach der Übernahme lediglich für ein Jahr gilt. Dauerhafte Sicherheit für Schwule, Lesben und aus der katholischen Kirche ausgetretene ist damit – entgegen anderslautender Beteuerungen – nicht gegeben.

Korrektur am 29.11.2013: Die Geschäftsführung der Barmnherzigen Brüder hat nach Rückfrage gegenüber unserer Redaktion erklärt, dass jedem Mitarbeiter des Evangelischen Krankenhauses dauerhafter Bestandsschutz (also über das gesetzlich vorgeschriebene Jahr hinaus) zugesichert worden sei. Es werde keine Schlechterstellung geben.

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Kommentare (11)

  • Gondrino

    |

    Na, wieder das Übliche halt. Hinterzimmerpolitik, Herrschaftswissen und wenn der Bürger “frech” fragt, empört sich der OB. Wenn das Demokratie im 21,. Jahrhundert sein soll, hab ich da irgendwas falsch verstanden.

    Aber so lange die WählerInnen den Politikgranden so was Wahlperiode für Wahlperiode durchgehen lassen, wird sich nichts ändern.

    Drum alle zum Wählen! Zum Abwählen!

  • masterofdesaster

    |

    Guter Bericht, Gratulation!
    Zur Veranstaltung: Vorbereitung und Ablauf ein echter Schaidinger, mehr war nicht zu erwarten. Respekt Pastor Schulte und Dr. Schulz für deren Beitrag und Herrn Landskron, der sich mit der Auflösung des Krankenhauses nicht ohne weiteres zufrieden gab.

  • giambattista

    |

    Die Stiftungsaufsichtsbehörde, die Bezirksregierung
    Oberpfalz hat auch kein Problem mit dem Wegfall des zentralen
    Stiftungsinahlts?

  • Winfried

    |

    Schaidinger zieht sich die Wutbürger die er verdient.
    Zahlen müssen immer die Andern. Warum schweigt SPD OB-Kanditat
    Wolbergs?

  • Asterix

    |

    Mit Wolbergs würde nichts anders werden an der Stadtspitze, aber man kann ja vor sich hinträumen. Hat sich Wolbergs gegen die Schließung des Evangelischen Krankenhauses ausgesprochen? Oder für ein neutrales Arbeitsrecht? ……

  • Veronika

    |

    Schööööönnnn, dann ist ja ganz Regensburg nun medizinisch katholisch!
    Hätte das EvKH nicht auch ein Klinikkonzern übernommen. Schlimmer wäre es doch dann auch nicht gekommen.

  • Peter Petry

    |

    Es ist unglaublich, man liest den Artikel und denkt man lebt doch in einer Bananenrepublik.
    Ein Loblied auf unseren grandiosen OB

    Hoffentlich wählen die Regensburger diese ” Herrschaften”
    ab.
    Von der SPD hört man gar nichts.

  • Florian

    |

    Wenn die Klinik im Jahre 1994 (Amtszeit von Christa Meier) mangelhaft (?) saniert wurde, stellt sich doch die Frage warum wurde das erst 2011 erkannt (Brandverhütungsschau alle 3 Jahre) und welche Vorsorgemaßnahmen wurden umgehend ergriffen.
    Flapsig ausgedrückt wie soll verhindert werden,
    dass diese Decken im Fall eines Feuers durchbrennen würden wie Papier. Oder sachlich ausgedrückt
    wie soll die Brandschutzsicherheit die nächsten Jahre gewährleistet werden?

  • aohiddis

    |

    Da fragen wir uns doch, was passiert nach der Schließung mit Gebäude und Grundstück und wer verdient daran!?!

  • Wieder mal nur Profitmaximierung? » Regensburg Digital

    |

    […] umstritten und lautete kurz zusammengefasst: Wir wollen uns dieses Ding nicht mehr leisten. Proteste und Kritik aus der Bürgerschaft ließ der damalige Oberbürgermeister Hans Schaidinger lä… Beschlossen ist schließlich beschlossen. Nun scheint genau dasselbe wieder zu […]

Kommentare sind deaktiviert

drin