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1. Craft Bier Festival

Kein Wettrülpsen

Bier: ungewohnt; Glas: ungewohnt; also mehr als genug Anlass zur Grundskepsis. Trotzdem kam das 1. Regensburger Craft Bier Festival ganz gut an.

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Von Martin Stein

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Die Erwartungshaltung der Passanten, die skeptisch den Aufbau des Craft Bier Festivals am Haidplatz zur Kenntnis nehmen, ist ebenso klar wie negativ: „Fest“ und „Bier“ bedeutet nichts Gutes. Gerade der kürzlich begangene „Tag des Bieres“, der von vielen Anwohnern als traditionell verbrämte Form des Flatrate-Saufens wahrgenommen wurde und sogar Bürgermeister Wolbergs zu ungewöhnlich deutlichen Worten veranlasste („Null inhaltlich. Null Qualität. Leute, die sich komplett wegrichten“ – Regensburg digital berichtete), hat dafür gesorgt, dass man bei einer Veranstaltung zum Thema Bier ähnlich viel Niveau erwartet wie beim Landesvorentscheid im Wettrülpsen, Supermittelgewicht.

Reaktion auf geschmack- und seelenlose Industrieplörre

Die Veranstalter kennen das Klischee und kämpfen mit einem trotzigen „Eben drum!“ dagegen an. Bier ist für sie weit mehr als nur ein bitterer Blödmacher in großvolumigen Behältnissen, und der Anglizismus „Craft Beer“ verweist bereits auf das handwerkliche, individuelle, nicht-industrielle Element dieses Brauens, das sich wieder als „Braukunst“ versteht. Dass der Ursprung dieser Bewegung in den USA als Reaktion auf die geschmack- und seelenlose Industrieplörre der dortigen Braukonzerne entstand, verwundert nicht weiter.

Mittlerweile stellt sich auch hier die Front des Kleinen, aber Feinen immer breiter auf, und die Regensburger Pit Krause von slowdrink, Johann „Goose“ Schreiber aus der Wunderbar sowie Thomas Raab und Martin Schwenke von lautlicht nahmen das zum Anlass, bei Regensburgs erstem Craft Bier-Festival vom 13. bis zum 15. Mai auf dem Haidplatz eine Geschmacksvielfalt zu zeigen, die den Unkundigen überraschen mag. 18 Brauereien mit über 50 verschiedenen Bierstilen präsentieren ihre Produkte, und schon die Verkostungseinheit von 0,1 Liter verweist darauf, dass das Geschmackserlebnis im Vordergrund steht.

300 Hopfensorten

Pit Krause erklärt das kleine Einmaleins der Craftbrauerei: In Deutschland würden demnach weniger als zehn Hopfensorten zum Brauen verwendet, während etwa 300 nahezu unbekannte Sorten mit ungeahnten Nuancen und Möglichkeiten existieren. „Und wenn die Gralshüter des Reinheitsgebots bei der Erwähnung eines Chocolate Stout die Nase rümpfen, dann muss einem auch klar sein, dass auch bei jeder herkömmlichen Weißbier-Verkostung über Bananen- und Brioche-Aromen diskutiert wird. Und ein IPA, ein India Pale Ale, wurde früher in England mit hohem Alkohol- und Hopfenanteil hergestellt, um haltbar genug für die Schiffsreise in die Kolonien zu sein; mittlerweile bleibt als einziger Grund für diese Brauform der Geschmack – und der ist Grund genug.“

Auch die gehobene Gastronomie stellt sich um: Die Zeiten sind vorbei, in denen man eher eine Leberkässemmel beim Veganer gefunden hätte als ein Bier im Sternerestaurant, und mittlerweile gibt es gar die ersten ausgebildeten Bier-Sommeliers.

Das Publikum am Haidplatz nimmt das Angebot rege an; auch anfängliches Fremdeln (Bier: ungewohnt; Glas: ungewohnt; also mehr als genug Anlass zur Grundskepsis) legt sich nach den ersten Schlucken, es wird gekostet und gefachsimpelt mit einer Begeisterung, die Bürgermeister Jürgen Huber in seinem Grußwort dann schon dazu veranlasst, auch die Berechtigung des Masskrugs sowie einer gelegentlichen, selbstverständlich völlig unbeabsichtigten berauschenden Nebenwirkung des Bierkonsums zu unterstreichen.

Positionierungsexempel in einer globalisierten Welt

Während zeitgleich auf der Maidult die herkömmliche Trinkvariante im praktischen Einliterbehältnis angeboten und reichlich in Anspruch genommen wird, zeigt sich, dass die Schnittmengen unter den Besuchern durchaus existieren. Man schaut bei einen und beim anderen, probiert, und es wird klar, dass sich natürlich wieder einmal die Frage nach einem Entweder-Oder nicht stellt, weil das Sowohl-Als-Auch ganz wunderbar funktioniert. Die ganze Bewegung ist auch als Positionierungsexempel in einer globalisierten Welt zu sehen: Kleine bis mittelständische Unternehmen, die dem Preismonopol der Konzerne ohnehin nichts entgegenzusetzen haben, kontern mittels qualitativ hochwertiger Produkte, die nicht in beliebiger Menge verfügbar sind und auch einen etwas höheren Preis haben können. Was eben keineswegs bedeutet, dass das „normale“ Helle oder Weißbier nicht auch weiterhin ihren Platz haben dürfen.

Bloß die Exzessbereitschaft der Craftbeertrinker scheint sich beim Festival tatsächlich nicht zu zeigen. Weder wird gegrölt noch getorkelt, und das Festivalglas ist auch viel zu filigran, um es einem unliebigen Kontrahenten wirkungsmächtig über den Schädel zu ziehen. Und natürlich ist auch jedem Besucher bewusst, dass das Genossene viel zu edel ist, um es am nächsten Hauseck eventuell gleich wieder oral entsorgen zu müssen. Die Anwohner wird es freuen.

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Kommentare (10)

  • Pit Krause

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    Ein wirklich guter Artikel, vielen Dank!
    Ich werde in Zukunft Stammleser… denn der Rest ist auch klasse! Weiter so!

    As independent as craft beer ;)

  • Charlotte Herzlich

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    Eigentlich fehlen mir die Worte dazu…. Ständig lamentieren wir über ausschweifenden Alkoholmissbrauch und seine Folgen in Regensburg und dann lassen es Stadträte und Stadtverwaltung zu, dass in der Altstadt nur noch Saufveranstaltungen stattfinden… Nicht genug, jetzt wird auch noch ein weiteres Fest genehmigt ! Die Welt bekommt ja einen super Eindruck von unserer Stadt…. Inzwischen kennt man ja nur noch Dauerdult, Tag der Biere, Bürgerfest und Junggesellenabschiede…. Toll!!!!! Dass die Grünen sich dafür hergeben ist schon sehr bedauerlich!

  • Tobias

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    Mir ist nicht ganz Bewusst ob Sie tatsächlich den Artikel gelesen haben. Diese drei Tage als “Saufveranstaltung” zu deklarieren entsprich nun einfach einer Unwahrheit.
    Bier ist ein Kulturgut, welches vor allem in Regensburg fest verwurzelt ist. Sei es die Dult die ihre Ursprünge im 1800 Jahrhundert findet, oder die hiesige Brautradition die mit der Spitalbrauerei – geründet 1359 – eine der ältesten Brauereien in Deutschland ist.
    Gerade das Craft-Bier-Festival hat gezeigt, dass dieses Kulturgut weiterentwickelt werden kann, ohne daraus ein “Besäufnis” zu machen.
    Achja und Junggesellen gibt es übrigens auch in anderen Städten ;)

  • Michi

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    Werte Charlotte, ich habe einen ganz hervorragenden Eindruck von Ihrer Stadt bekommen. Ich war das erste aber nicht das letzte Mal in Regensburg. Das Craft Beer Fest war alles Andere als eine Saufveranstaltung. Die brauch ich auch nicht, hab ich hier in München schon mit der Wiesn (wo ich auch nicht hingeh) aber wenn Ihnen das alles zu viel ist und sie meinen man müsste die Stadt nicht repräsentieren, dann ziehen Sie doch um. Kleines Kuhdorf was Niemand kennt und braucht. Oder gleich einen Strauss Blumen kaufen, auf den Friedhof setzen und warten bis man dran ist.

  • Jürgen

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    Ein wirklich interessanter Artikel und meines Erachtens auch eine gelungene und Angesichts der unzähligen Weinfeste in und um Regensburg herum, endlich mal eine authentische Veranstaltung. Bier, darüber dürften sich wohl alle einig sein, hat Tradition in Regensburg. Ich empfinde es als großes Glück, dass wir gerade bei uns sehr viele kleine Brauereien haben, die uns in Sachen Bier eine extreme Sortenvielfalt präsentieren können. Diese Brauereien gilt es zu unterstützen und zu erhalten, damit wir nicht mit den geschmacklich gleichgeschalteten Bieren mancher Großbrauereien die letzte Originalität verlieren die uns in diesem Bereich noch übrig geblieben ist. Als Weintrinker habe ich erst spät gemerkt, dass es bei Bieren eben auch sehr unterschiedliche Geschmacksrichtungen gibt und es immer wieder ein Erlebnis ist neue Sorten zu probieren. Einzig der anglistische Name der Veranstaltung stört mich etwas.
    Ich glaube die Sorge von Charlotte zu verstehen und finde Michi’s arrogante Reaktion unpassend, ja fast schon unverschämt. Nicht jeder muss es als Hip empfinden morgens vor seiner Türe Erbrochenem auszuweichen und beim Radeln in den Ballungsgebieten nächtlichen Lebens unzähligen Glasscherben ausweichen zu müssen. Es ist auch nicht lustig unsere Dulttradition durch vorgeglühte, als Bayern verkleidete Personen (Pseudo Dirndl oder Lederhosen + Küchengardine als Hemd + Turnschuhe) vertreten zu wissen. Auch die ach “so traditionsreiche” Jungesellenabschiede, die wohl eher mit der US-Tradition der “Bachelorparty” gleich zu setzen sind, finde ich wenig geistreich. Tradition wäre hier wohl eher der Polterabend, der im Kreise der Freunde gefeiert wurde ohne eine ganze Innenstadt damit zu belästigen. Aber all das hat nichts mit einem Bierfest zu tun, auch wenn es Charlotte so aufgefasst hat. Eine klassische Themaverfehlung.

  • Boernd

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    Leider Thema verfehlt, Charlotte… Am besten den Artikel nochmal aufmerksam lesen, nachdenken und dann klappt es bestimmt…

    Saufgelage und Ausuferungen müssen in Regensburg wie auch anderswo nicht organisiert werden, das passiert jedes Wochenende auch so und nervt. Ein Craft Beer Festival lenkt eher die Aufmerksamkeit auf ein hochwertig hergestelltes bayerisches Kulturgut und GENUSSMITTEL, das man nicht wie 20 Flaschen Oettinger in sich reinschüttet, um es dann wieder auf dem selben Wege am nächsten Hauseck zu entsorgen. Ein solches Fest repräsentiert Regensburg wunderbar, aber Sie können ja ein veganes Vollmond-Klöppelfest für alternative Radeltaschen veranstalten… Ich freue mich darauf !

  • Charlotte Herzlich

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    Ist ja erstaunlich , wie das Thema ‘Bier’ hier verteidigt wird… Das angeblich so harmlose Fest hat eben trotzdem wieder dazu geführt, dass in den Gassen unserer wunderbaren Stadt- entschuldigen Sie bitte die Ausdrucksweise- gekotzt und uriniert wurde… Und nicht nur einmal…

  • Mr. T

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    Gibt’s dafür Belege oder ist das nur sinnloses Geschreibe wie im ersten Beitrag? Ich hab nichts festgestellt – zumindest nicht mehr als sonst. Und das waren wohl eher Leute, die andere Feste besucht haben. Ich habe bei meinem Besuch beim Craft Beer Festival keinen einzigen auffällig Betrunkenen gesehen. Nicht mal die, die mit Lederhose nach der Dult dort waren. Das waren wohl auch eher die kultivierten Lederhosen. War auch gar nicht möglich sich dort einen Rausch anzusaufen auf Grund der logistischen Gegebenheiten.

  • Jürgen

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    Tja Charlotte, da hat sich in Millionen von Jahren Evolution leider nicht viel getan. Der Mensch als angeblich am höchsten entwickelte Spezies auf unserem Planeten schein da offenbar in seiner Entwicklung stehen zu bleiben. Egal welches Fest, sobald es eine größere Ansammlung von Menschen gibt, sind auch solche Exemplare, die sich nicht zurück halten können mit dabei. Ist der kleinste Nenner wirklich der Maßstab unserer Gesellschaft? Sollen wir deshalb jegliche Feste in der Stadt verbieten?
    Ganz ehrlich, mich kotzt (sorry) es an auf solche Dünnbrettbohrer reduziert zu werden und uns von diesen Leuten das gesellschaftliche Leben “gestalten” zu lassen.

  • Stefan Spiess

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    Also wie die Frau Herzlich das macht, dass sie (wie auch immer) an Erbrechenden und Urinierenden sofort erkennt, ob die von der Dult kommen oder vom Craft Beer Festival. Cool. Muss man auch erst können.

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