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Prozessauftakt gegen mutmaßliche Polizistenschläger

Schlagabtausch und Kompromiss

Mit vielen Unterbrechungen begann am Dienstag der Prozess gegen zwei Angeklagte, die im März dieses Jahres mehrere Polizisten bei einer Kontrolle massiv angegriffen haben sollen. Die Anklage lautet auf vorsätzliche und gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte. Wegen Konflikten der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft kam die Verhandlung kaum voran und wurde zunächst unterbrochen.

Die Polizei beobachtet die gesprächigen Angeklagten in einer der zahlreichen Unterbrechungen. Foto: om

Wortgefechte hinter den Kulissen

Nach einer ersten Unterbrechung bittet Richter Thomas Schug Verteidigung und Staatsanwalt ins Besprechungszimmer nebenan. Nach außen leicht wahrnehmbar sind dabei offenbar laute Wortgefechte von Staatsanwalt Denis Biermann und Rechtsanwältin Dagmar Ciccotti. Beide kommen kurz verstimmt in den Verhandlungssaal zurück, um Akten mit nach hinten zu nehmen. Ciccotti knallt dabei zwei Ordner wütend aufeinander und trägt sie fort.

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Während des Verständigungsversuchs hinter den Kulissen unterhalten sich die Angeklagten mit der Bulgarisch-Dolmetscherin, die in teilweise lautes Gelächter ausbricht. Ein Polizist im Verhandlungssaal bittet zwei seiner Kollegen „den Zirkus“ doch zu beenden. Sie stellen sich demonstrativ vor die Anklagebank, bereits zuvor versuchte die Polizei die Kontaktaufnahme der Mutter eines Angeklagten mit ihrem Sohn zu unterbinden.

Viel wurde bis zu diesem Zeitpunkt, es sind schon zweieinhalb Stunden vergangen, nicht verhandelt. Immer wieder unterbricht Schug die Sitzung, weil Unklarheit darüber besteht, wie mit dem Antrag Ciccottis umzugehen ist, die Verhandlung auszusetzen. Doch dazu später mehr. Worum geht es eigentlich?

Tatablauf laut Anklage

Am Abend des 10. März 2019 wurden laut Anklage drei zivile Streifenbeamte in den Regensburger Stadtosten gerufen, um einen möglichen gemeldeten Rauschgiftkonsum zu überprüfen. Drei Personen hielten sich ruhestörend und verdächtig im Bereich eines Mehrfamilienhauses auf. Die Beamten gaben sich als solche zu erkennen, woraufhin einer der Verdächtigen die Flucht ergriff. Die anderen beiden sollen sich „zunehmend verbal aggressiv“ verhalten haben.

Als die Beamten dem Flüchtigen folgten, sollen sie nacheinander zunächst geschubst und ins Gesicht geschlagen worden ein. Einer wurde von einem Angeklagten sogar am Boden liegend geschlagen und getreten, so die Anklageschrift. Ein anderer wurde von einem dritten Tatverdächtigen von hinten „zu Boden gedrückt und festgehalten“. Die beiden Angeklagten sollen das Opfer dann „mit Fäusten und Füßen gegen den Kopf und gegen den Oberkörper“ traktiert haben. Die Geschädigten trugen Prellungen und Platzwunden davon.

Beweisaufnahme verzögert sich

Die Tat wurde zunächst als versuchter Totschlag gewertet, im Laufe der Ermittlungen aber zu gefährlicher Körperverletzung abgeschwächt. Die beiden Angeklagten Hristo V. (24) und Tsvetelin D. (26) sitzen seit März in Untersuchungshaft, der dritte Tatverdächtige konnte bislang nicht ermittelt werden.

Was sich wie bei der Tat tatsächlich zugetragen hat, wird am Dienstag jedoch nicht erläutert. Nach langem hin und her, tritt das Schöffengericht nicht in die geplante Beweisaufnahme ein. Mehrfach wird die Verhandlung unterbrochen und jeweils nur kurz fortgesetzt. Zahlreiche geladene Zeugen müssen letztlich wieder abgeladen werden.

Unstimmigkeiten zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung

Zur Verzögerung führt ein Aussetzungsantrag der Verteidigung. Nach Verlesung der Anklage geraten Staatsanwalt Biermann und D.s Verteidigerin Ciccotti etwas aneinander. Die Rechtsanwältin stellt den Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen, weil ihr erst wenige Tage vor Prozessbeginn vollständige Akteneinsicht gewährt worden sei. Dabei habe sie erstmals von einem Spurenordner und einer CD mit aufgezeichneten Notrufen Kenntnis genommen.

Zudem sei ein Gutachten zu festgestellten DNA-Spuren sei noch gar nicht fertiggestellt. Weil sie Beweismaterial erst so spät sichten und sich hierzu nicht hinreichend mit ihrem Mandanten beraten konnte, läge ein Verstoß gegen ein faires Verfahren vor. Die DNA-Spuren seien für sie besonders von Interesse. Die Verteidigerin des zweiten Angeklagten V., Liliya Velcheva, schließt sich dem Aussetzungsantrag an. „Für unsere Verteidigungslinie ist das [die Einsichtnahme in die Akten, Anm. d. Verf.] entscheidend.“ Sie halte es deshalb nicht für sinnvoll die Verhandlung fortzuführen.

Staatsanwalt Biermann lässt das nicht gelten. An Ciccotti gerichtet: „Wenn Sie frühzeitig die Anklage gelesen hätten, wäre es Ihnen aufgefallen.“ Gemeint sind Bezugnahmen in der Akte auf zusätzliche Ordner, die ihr nicht vorgelegen seien. Diese hätte sie bereits im August anfordern können, belehrt Biermann. Es sei „vollkommen klar und durchsichtig“, warum sie dies erst jetzt, nach Beginn der Hauptverhandlung, vorbringe. Außerdem seien eventuelle DNA-Spuren sowieso von zweifelhafter Beweisqualität. Den Antrag auf Aussetzung lehne er ab, auch im Sinne des Beschleunigungsgebots in Haftsachen. Wie oben erwähnt, sitzen die beiden Angeklagten seit fast acht Monaten in Untersuchungshaft.

Ein hart umkämpfter Kompromiss

Ein paar kurze Fortsetzungen und eine weitere Unterbrechung später: Die Verteidigung habe nun in Aussicht gestellt, so Schug, den Aussetzungsantrag zurückzustellen, wenn sie Zeit bekomme die nunmehr kopierten zusätzlichen Aktenbestandteile zu sichten. Auf Zeugeneinvernahme solle heute aber verzichtet werden. Biermann zeigt sich davon überrascht: „Als ich das Besprechungszimmer verlassen habe, war der Stand ein anderer.“ Ein weiteres Missverständnis. Es geht also erneut zum Rechtsgespräch abseits der Öffentlichkeit.

Als die Verfahrensbeteiligten nach knapp fünfzehn Minuten zurückkehren, verkündet Schug endgültig, dass die Verteidigung ihren Antrag zurückstelle, nochmalige Akteneinsicht und die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Spurengutachten bekomme. Die Sitzung werde unterbrochen. Die Beweisaufnahme soll am 22. November starten. Ein Kompromiss, mit dem keiner der Beteiligten wirklich zufrieden zu sein scheint.

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Kommentare (7)

  • hans dampf

    |

    Ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft. Keine Ahnung was für Drogen im Spiel waren (Frau Mortler lässt grüssen) aber gegenseitiger Respekt und dementsprechender Umgang geht immer mehr flöten. Unabhängig vom Urteil scheinen die zwei Angeklagten auch zukünftig einer goldenen Zukunft entgegenzublicken (sprachlich integriert, sozial stabil, engagiert).

    Voll krass Alter

  • Joachim Datko

    |

    Brauchen die Streifenpolizisten in Zukunft selbst Polizeischutz von Spezialkräften?

    Der Fall erinnert an den bei den Arcaden attackierten Polizisten, dem man sogar gegen den Kopf getreten hat.

    Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat vor einem “Rechtsruck” der Sicherheitsbehörden gewarnt. Es ist kein “Rechtsruck” sondern die politische Konsequenz aus den gesellschaftlichen Entwicklungen. Die vielfach propagierte “grenzenlose Freiheit” bringt massive Probleme.

  • Piedro

    |

    @Joachim Datko
    Alles was recht ist, manchmal gelingt es Ihnen wirklich eine Menge Bullshit in wenigen Sätzen zu komprimieren. Diese Polizisten hätten ein effektiveres Kampftraining gebraucht, oder einfach nur etwas mehr Glück. Auf den Schutz von Spezialkräften würden sie bestimmt auch weiterhin verzichten.

    “Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat vor einem „Rechtsruck“ der Sicherheitsbehörden gewarnt. Es ist kein „Rechtsruck“ sondern die politische Konsequenz aus den gesellschaftlichen Entwicklungen.”
    Herr Merz meint zB Neonazis im Polizeidienst, die bekanntlich Drohungen verschickt haben, er meint die Teilnahme von Polizisten in rechtsextremen Netzwerken, er meint rassistische Überzeugungen von Amtspersonen. Das halten sie tatsächlich für die politische (!) Konsequenz einer gesellschaftlichen Entwicklung? Und das wollen Sie mit diesen Idioten schön reden, die diese Polizisten zusammen geschlagen haben? Mit ein paar nichtssagenden Sätzen? Wenn Ihnen das reicht…

    “Die vielfach propagierte „grenzenlose Freiheit“ bringt massive Probleme.”
    Wer hat denn je grenzenlose Freiheit propagiert, Herr Philosoph? Ganz bestimmt nicht die CDU. Keiner hat zu Mord und Totschlag aufgefordert, zum Einschlagen auf Polizisten und Sanitäter, Taxifahrer und Watschenmanderl.

    Es versteht sich von selbst, dass im Fokus der Datko-Perspektive das Versäumnis der Staatsanwaltschaft in grundsätzlichen Verfahrensregeln keine Rolle spielt. Schade. Ich wüsste auch gern was ein Philosoph zu dem Richter sagt, der so zwischen Saal und Hinterzimmer hin und her hampelt statt sofort zu sagen: Staatsanwalt, händige der Verteidigung alles aus was relevant ist, bis dahin ist die Verhandlung vertagt. Basta.
    Und dann sehen wir was mit den Schlägern passiert. Dann reichen wieder Sprechblasen.

  • Piedro

    |

    @Ex Regensburger
    “Datko scheint Sympathien für RECHTS zu haben, deshalb ist er just auf diesem Auge blind:”
    Da ist gar nichts blind, das wird wohlwollend zur Kenntnis genommen. Eine “politische Entwicklung”, eine Konsequenz von dem, was nicht gesagt wird. Ein ganz billiger Trick. Aber einer näheren Betrachtung wert:

    Eigentlich dürfte auch ein AfD-Unterstützer sich wünschen, dass diese Täter so schnell wie möglich verurteilt werden. Über das Strafmaß könnte man mit ihm streiten, aber die Abstammung viele dabei besonders ins Gewicht. Der Streit soll in der Formel enden: weniger (Abstammung einfügen), weniger Täter dieser Abstammung. Dem wird gerne untergeordnet, dass dieser Staatsanwalt die Verurteilung unnötig verzögert hat, ein handwerklicher Fehler, der ein Verfahren schlicht nicht zu lässt. Kein Thema. Aber die angeblich propagierte, “grenzenlose Freiheit” müssen wir fürchten. Mehr braucht nicht anzukommen. Mehr wurde ja auch nicht gesagt.

    Achten Sie mal drauf: ganz ähnlich funktioniert das demnächst bei einem anderen Thema.

  • Piedro

    |

    @hans dampf
    “Voll krass Alter”
    Das finde ich auch. Man sollte doch meinen dürften, dass die Staatsanwaltschaft bei so deftigen Anklagen alle Regeln einhält, und der Verteidigung bei Prozessbeginn alle Unterlagen vorliegen, die verfahrensrelevant sind.

    “Keine Ahnung was für Drogen im Spiel waren (…) aber gegenseitiger Respekt und dementsprechender Umgang geht immer mehr flöten.”
    Das ist ja nicht nur eine Frage des Respekts. Es geht um Pflichten. Es ist die Pflicht der Staatsanwaltschaft der Verteidigung umfassend und rechtzeitig Einsicht zu geben, sie kann nicht später sagen: hättest ja fragen können, lieber Rechtsstaat.

    “Unabhängig vom Urteil scheinen die zwei Angeklagten auch zukünftig einer goldenen Zukunft entgegenzublicken (sprachlich integriert, sozial stabil, engagiert).”
    Versuchen Sie sarkastisch zu sein? Die werden schon ihr Fett abkriegen. Wie viel wird sich zeigen. In einem fairen Verfahren, weil die Staatsanwaltschaft dazu gezwungen wird, das zu gewährleisten. Das steht halt jedem zu. Diesmal hat es eine Weile gedauert, bis das auch vom Ankläger eingesehen werden musste.

  • Mr. B.

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    Drogen sollen im Spiel gewesen sein und dann ging man auf Polizisten los?
    Weiter so in unserem Rechtsstaat! Hoffentlich sind wir dann nicht von Verhältnissen, wie sie teilweise in Osteuropa vorherrschen, wieder nicht vorausahnend überrascht!

Kommentare sind deaktiviert

drin