Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino
Experte über "Regensburg Haber"

Türkischer Nationalismus bei “Integrationsprojekt”

In der Türkei wird ihm "Verunglimpfung des Türkentums vorgeworfen": Buchautor Murat Çakir. Foto: as

In der Türkei wird ihm “Verunglimpfung des Türkentums vorgeworfen”: Buchautor Murat Çakir. Foto: as

Mit Hetze und Rassismus in türkischsprachigen Medien in Deutschland beschäftigte sich am Mittwoch Buchautor Murat Çakir. Der als Integrationsprojekt verbrämten Zeitschrift Regensburg Haber bescheinigt Çakir deutliche Parteinahme für die AKP und türkischen Nationalismus.

Murat Çakir macht keinen Hehl aus seiner Haltung. „Parteiisch, aus einer klar linken Perspektive“ werde sein Vortrag sein, kündigt der Buchautor und Geschäftsführer der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen an, als er am Mittwoch das Publikum begrüßt. Mit „Hetze und Rassismus in den türkischen Medien Deutschlands“ will sich der 55jährige am Mittwoch auf Einladung des Arbeitskreises für ausländische Arbeitnehmer (a.a.a.) und des Internationalen Kultur- und Solidaritätsvereins (IKS) beschäftigen. Eventuell anwesende Verfassungs- und Staatsschützer sollten sich doch bitte zu Wort melden, bittet er. „Ich würde gerne mit ihnen darüber diskutieren, warum der offene Rassismus in türkischsprachigen Medien nicht von ihnen verfolgt wird.“

WERBUNG

Anlass: Hetzbeiträge bei Regensburg Haber 

Der lokale Anlass für die Einladung liegt noch nicht all zu lange zurück: Vergangenen August machte der IKS mehrere Einträge auf der Facebook-Seite der deutsch-türkischen Zeitschrift Regensburg Haber öffentlich. Das vierteljährlich erscheinende Blatt verkauft sich ob seiner Zweisprachigkeit als Integrationsprojekt und wird von der Stadt mit Beiträgen und Werbeanzeigen versorgt. In den erwähnten Facebook-Einträgen wurde allerdings gegen Kurden, Aleviten und Armenier polemisiert. Der armenische Geschäftsmann Haritun Sarik wurde scharf angegriffen und beschimpft, der Völkermord an den Armeniern wenigstens relativiert, wenn nicht gar geleugnet.

Hat Altuner als Experten in den Integrationsbeirat berufen: Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. Fotos: Stadt Regensburg/ as

Hat Altuner als Experten in den Integrationsbeirat berufen: Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. Fotos: Stadt Regensburg/ as

Die politischen Reaktionen blieben verhalten. Der Vorstoß der Linken, den Herausgeber der Zeitschrift Salih Altuner aus dem Integrationsbeirat abzuberufen, wurde auf Empfehlung von Oberbürgermeister Joachim Wolbergs abgelehnt. Der OB erklärte die Debatte nach einer kurzen Schamfrist für beendet. In der aktuellen Ausgabe fungieren der städtische Kulturreferent und Bürgermeister Jürgen Huber als prominente Gastautoren.

AKP-Lobby und türkischer Nationalismus

So ein Umgang mit dem Thema sei in Deutschland Alltag, weiß Çakir. Während im deutschen Kontext jeder sofort Rassismus erkennen würde, werde dies bei türkischsprachigen Medien nicht thematisiert. Die mit der Bildzeitung verbandelte Hürriyet, immerhin das meistgelesene türkischsprachige Blatt in Deutschland, trage bis heute den Wahlspruch „Die Türkei den Türken“ im Titel, ohne dass dies für größere Aufregung sorge.

Er habe sich im Vorfeld seines Vortrags mit den Ausgaben und Facebook-Einträgen von Regensburg Haber beschäftigt und beobachte ein ähnliches Muster wie es dies auch bei anderen solchen kostenlosen Zeitschriften gebe. „Die deutschsprachigen Texte predigen Toleranz, Verständnis und Miteinander. Die türkischsprachigen Beiträge sind regierungsnah und parteiisch für die AKP und Erdogan.“ Explizit rassistische Hetze sei mittlerweile nicht mehr zu finden. „Es werden aber ein konservatives Weltbild und türkischer Nationalismus verbreitet.“

Dazu passe es auch, das Herausgeber Salih Altuner früher für die türkische Zeitung Zaman geschrieben habe. Die Zeitung wurde kürzlich von der Polizei besetzt und enteignet. Zaman gilt als Organ der Gülen-Bewegung, die Erdogan und die AKP lange unterstützt, sich aber irgendwann von abgewandt hat. Çakir spricht in Zusammenhang mit der Gülen-Bewegung von einer „faschistisch-kriminellen Organisation“. Die Enteignung von Zamans sei beileibe kein Einzelfall und habe in der Vergangenheit vor allem linke, kurdische und regierungskritische Medien betroffen, ohne dass dies großen Widerhall in Deutschland gefunden habe. Im Fall von Zaman sei das Vorgehen der Regierung Ergebnis eines Machtkampfs innerhalb der AKP.

Werbung für fragwürdige Organisationen

Zur Präsidentschaftswahl: eine Seite für Erdogan in Regensburg Haber.

Zur Präsidentschaftswahl: eine Seite für Erdogan in Regensburg Haber.

Der Regensburg Haber-Herausgeber sei Erdogan eben treu geblieben, als es zum Bruch mit Gülen kam, glaubt Çakir. Dafür spreche auch Altuners Engagement in der UETD, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten. 2012 gründete der 39jährige den Regensburger Ableger dieser Organisation, Altuners Bruder ist der aktuelle Vorsitzende. Çakir bezeichnet die UETD als „Nebenorgan der AKP“, mit dem insbesondere in Deutschland Kader herangezogen und Wähler gewonnen werden sollen. Als Zwangsverwalter der enteigneten Zaman fungiert einem Bericht der Welt zufolge ein früherer UETD-Funktionär. Ebenso gebe es in Regensburg Haber immer wieder Werbung für DITTIB. Diese “Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion” fungiere, da ist sich Çakir mit anderen Kritikern einig, als verlängerter Arm der türkischen Regierung.

All diese Zusammenhänge müsse man als verantwortlicher Politiker wissen, so Çakir. „Der Regensburger Oberbürgermeister kann sich nicht damit herausreden, dass er das nicht gewusst hätte.“ Es sei legitim, eine Werbezeitschrift herauszugeben und damit kommerzielle und politische Ziele zu verfolgen. „Aber es sollte sichtbar sein und nicht unter dem Denkmantel angeblicher Integration verschleiert werden.“

Bürgerliche Presse in der Türkei „weitgehend gleichgeschaltet“

Çakir selbst wurde 1960 in Istanbul geboren und kam als Neunjähriger nach Deutschland. Er habe selbst miterlebt, als 1971 die ersten türkischsprachigen Zeitungen in Deutschland erschienen seien und es sei nun mal so – hier differenziert Çakir kaum – dass in diesen Medien Qualitätsjournalismus keinen Platz habe. „Hetze und Rassismus findet dort seit Jahrzehnte statt.“ Manche Zeitungen erinnerten in ihrer Wortwahl an den Völkischen Beobachter. „Regelmäßig finden Sie dort, etwa in Zusammenhang mit Kurden, Begriffe wie ‘Vernichtung’, ‘Säuberung’, ‘Ungeziefer’.“

Spätestens seit den 90ern sei die bürgerliche Presse in der Türkei „weitgehend gleichgeschaltet“ und von staatlichen Aufträgen abhängig. Kritische Journalisten hätten einen schweren Stand und seien ständig von Repression, Entlassung und Haft bedroht. Fotos von Staatspräsident Erdogan dürften nur über eine staatliche Agentur bezogen werden. Selbst fertige Kolumnen würden mittlerweile von staatlichen Stellen geliefert und als redaktionelle Beiträge in zahlreichen Medien veröffentlicht. Und diese Medien gebe es auch in Deutschland. „Sie fungieren als verlängerter Arm der türkischen Regierung.“

„Die Türken sollen auch in Deutschland Türken bleiben…“

Das Ziel dahinter, laut Çakir: „Die Türken sollen auch in Deutschland Türken bleiben, um sie als politische Manövriermasse einsetzen zu können.“ Inwieweit diese Strategie aufgeht, lässt der 55jährige offen. Einerseits glaubt Çakir, dass ein Großteil der in Deutschland lebenden Türken ein weitaus liberaleres Weltbild hätten, als es ihnen über diese Medien vermittelt werden solle. Andererseits befürchtet er aber auch: „Wenn in der Türkei die Straßen brennen, dann ist angesichts dieser Propaganda die Gefahr hoch, dass das auch in Deutschland passiert.“

Print Friendly, PDF & Email

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (10)

  • erich

    |

    man nennt das Diversifizierung der Bevölkerung wenn man die alteingesessene Bevölkerung mit anderen Ethien durchmischt. Ziel dahinter ist es Revolutionen und Aufstände zu verhindern, denn diversifizierte Bevölkerungen neigen nicht dazu sich für eine gemeinsame Sache zu verbünden, da sie in der Regel keinen gemeinsamen Nenner haben und nicht unkompliziert sozial und kulturell kompatibel sind.

  • Luchs

    |

    Genau, Erich! Und wenn die noch das Zeug von diesen komischen Streifen am Himmel einatmen, werden sie ganz ruhig gestellt.

  • restelmann

    |

    Aus meiner Sicht ist es durchaus nicht legitim, eine “Werbezeitschrift” mehrdeutigen, fragwürdigen Inhalts herauszugeben, wenn man dem kommunalen Integrationsbeirat angehört.

  • Ernst Reslelmann

    |

    Lieber “Restelmann”, bitte such dir ein eigenes Pseudonym! Sonst kracht’s!

  • restelmann

    |

    Sehr geehrter Ernst Reslelmann, die beiden Namen mögen ähnlich scheinen, nicht ähnlich genug allerdings, um eine derart übertriebene Reaktion zu rechtfertigen. Mit dem Artikel hat Ihr aggressiver Post nichts zu tun, daher wundert mich die Freischaltung. Muss man sich hier wirklich bedrohen lassen?

  • Tobias

    |

    @Erich: Was Sie da wieder hineindeuten..
    Ich sehe dahinter eher den paradiesischen Sozialstaat, der schön Geld und daran keine wirklichen Bedingungen koppelt (sprich: Wer hier ist, kriegt sogar die Sozialgeldpapiere in seiner Sprache!) und dabei Parallelgesellschaften hochzieht (sogar in Regensburg; siehe Ostenviertel!) Während jeder Pups der Rechten hier vier Tage lang durch die Medien gezogen wird kümmert der von den Moslems “importierte” Antisemitismus kaum einen; genauso wenig wie Hetze und Rassismus in jeder Sprache außer der Deutschen. Wer weiß, was in den kyrillischen Blättern am “Internationale Presse-“Stand im Kiosk so alles steht? Das ist pure Heuchelei.

    Wo eine Invasion eine “Revolution” verhindern soll weiß ich nicht.

  • Erna Taylor

    |

    Der Bürger muss sich halt auch mal bemühen den neuen Politikdialog Regensburg 4.0 verstehen zu wollen. Regensburg wird bunt.

  • joey

    |

    Deutschland wird nicht bunt, wenn man alles mögliche euphorisch begrüßt – nur weil es nicht deutsch ist.
    Richtig: nicht die Türken sind grundsätzlich nationalistisch, rassistisch, …, sondern schon immer die Grundidee des türkischen Staates, man betrachte einfach mal dessen Staatsbauten und öffentliche Symbolik. Der islamistische Erdogan wärmt nun wieder vielen Krampf auf, der sicher auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. Er ist aber nicht das einzige Problem, es gibt da auch noch säkulare Faschisten und mit der AKP verfeindete Islamisten…

    Die Deutschen mit türkischer Herkunft sollten einfach Deutsche werden – z.B. mit deutschsprachigen und selbst finanzierten Moscheen… in x-ter Generation mal klare Entscheidungen treffen.

    Mein Urgroßvater hat im 1. Weltkrieg auch gegen Deutschland gekämpft – na und? Ich bewahre die Erinnerung an meine Vorfahren, fühle, spreche und handle aber als Deutscher. Weil das hier ein gutes Land ist mit einem guten Staat und einer guten offenen Gesellschaft.

  • menschenskind

    |

    Tobias meint:
    “Wer weiß, was in den kyrillischen Blättern am „Internationale Presse-„Stand im Kiosk so alles steht?”

    “kyrillische Blätter” gibt’s koane ned!

    Die Serben, die Mazedonen, die Montenegriner, die Bulgaren, die Ukrainer, die Weißrussen und die Russen benutzen die kyrillische Schrift, jedoch jeweils mit gewissen, wesentlichen, individuellen Abwandlungen und sie lesen dementsprechend serbische, mazedonische…, weißrussische, russische Blätter.

    Wir hätten’s auch nicht gerne, wenn einer von uns Rumänen, Dänen, Italienern, Korsen, Türken, Spaniern, Polen, Basken, Tschechen, Deutschen, Holländern, Portugiesen, Belgiern, Slowenen, Slowaken, Luxemburgern, Schweizern, Norwegern, Kroaten, Schweden, Finnen, Litauern, Ungarn, Esten, Letten und Österreichern sagen würde, “die dean lateinische Blätter mit fragwürdigem Inhalt lesen” — oder?

    Übrigens slawische Sprachen sind gar nicht schwer; man kann sie in vielen Volkshochschulen erlernen, und sie helfen einem den eigenen (häufig recht beschränkten) Horizont erweitern. In Volkshochschulen benötigen Schüler jeden Alters nicht länger als vier Wochen (zu je zwei Stunden), um etwa russisch lesen und schreiben zu lernen.
    Man kann übrigens auch deutsche Wörter mit kyrillischen Buchstaben schreiben!

Kommentare sind deaktiviert

drin