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Turnhallen-Affäre: Flucht vor der Verantwortung

„Bitte machen Sie diesem Albtraum eine Ende“, steht unter einem der beiden Schreiben, deren Eingang die Oberstaatsanwalt Dr. Wolfhard Meindl am Montag bestätigt. In Zusammenhang mit der Formaldehyd-Belastung in der Turnhalle des Goethe-Gymnasiums haben sich zwei Personen – eine davon anonym – an die Regensburger Staatsanwaltschaft gewandt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, aber…

„Es handelt sich um keine Strafanzeigen, aber wir nehmen die Sache gleichwohl ernst“, so Meindl. Die Kripo sei bereits informiert worden und habe die Ermittlungen aufgenommen. Der in den Schreiben erhobene Vorwurf: fahrlässige Körperverletzung. Auf ein Problem weist Meindl allerdings bereits jetzt hin: „Ein solcher Tatbestand ist erst dann erfüllt, wenn es tatsächlich zu einer Körperverletzung gekommen ist“ – sprich: wenn tatsächlich Gesundheitsschäden diagnostiziert und angezeigt werden, die auf die Schadstoffbelastung in der Turnhalle zurückgeführt werden können. „Hier liegt der Staatsanwaltschaft nichts vor.“ Im Vorfeld der öffentlichen Sitzung im Neuen Rathaus (Dienstag, 16 Uhr), bei der offene Fragen zur Turnhallen-Affäre beantwortet werden sollen, gewinnen die gegenseitigen Schuldzuweisungen an Dynamik. Unstrittig ist zumindest eins: Die Stadt hatte wissentlich beschönigte Messergebnisse veröffentlicht. Der Oberbürgermeistern sprach zuletzt von Fehlern bei der internen Kommunikation, wobei er die Pressestelle ausdrücklich ausnahm. Eher scheinen die Informationen aus anderen Teilen der Verwaltung nur spärlich geflossen zu sein. So weit die internen Probleme, die wohl intern geregelt werden. Die Unstimmigkeiten mit „Externen“ dürften am Dienstag für weit kontroversere und öffentliche Diskussionen sorgen.

Schule: Messungen wurden untersagt

Da ist einmal die Schulleitung, Rektor Franz Feldmeier. Während das städtische Hochbauamt unter Leitung von Michael Hermann, der Schulleitung vorwirft, ordnungsgemäßes Lüften und Messungen be- bzw. verhindert zu haben, hat sich die Schulfamilie im Gegenzug in einem umfangreichen Schreiben an die Stadt gewandt und deren Versäumnisse aufgelistet. In dem von SMV, Elternbeirat, Kollegium und Feldmeier selbst unterzeichnetem Schreiben fordert die Schule, dass alle Messprotokolle herausgegeben werden (hier das komplette Schreiben als PDF). Ebenso wird erklärt, dass es bereits seit Herbst 2010 Beschwerden von Lehrkräften über gesundheitliche Probleme gab. Schulleiter Feldmeier hatte die Stadt darüber aber laut deren Angaben erst am 30. November 2010 informiert. Von Schulseite hingegen heißt es, dass die Stadt eine durch Sportlehrkräfte initiierte unabhängige Messung unter Androhung rechtlicher Schritte untersagt habe. Die Stadtverwaltung hat den Schulleiter zur Sitzung eingeladen.

Dömges: Lüftung funktioniert „hervorragend“

Folgt das Architekturbüro Dömges AG, das für die Planung und Bauausführung bei der Halle verantwortlich zeichnet. Dömges hat der Stadt eine vergleichsweise knappe Stellungnahme zukommen lassen (hier als PDF). Die vom Hochbauamt vorgetragenen Probleme mit der Lüftung werden in dem zweiseitigen Schreiben samt und sonders bestritten. „Vor Ort in der Turnhalle des Goethegymnasiums kann sich (…) jeder davon überzeugen, dass das Prinzip der natürlichen Lüftung hervorragend funktioniert“, heißt es darin wörtlich. Zur Frage, wo die Formaldehyd-Belastung herrühren könnte, äußert sich die Dömges AG nicht. Ein Vertreter des Unternehmens ist zur Sitzung am Dienstag eingeladen. Hans Schaidinger hat „unangenehme Fragen“ angekündigt.

Messlabor: Auftraggeber kann mit Daten machen, was er will

Niemand wird vom Messlabor Analytik Aurachtal zugegen sein, dem Büro, von dem die bislang veröffentlichten Werte stammen. Gegenüber unserer Redaktion hat man dort auf mehrfache Nachfrage jegliche Verantwortung von sich gewiesen. „Unser Auftraggeber kann mit dem Messbericht machen, was er will“, so eine Aussage. „Der Gutachter (gemeint ist Analytik Aurachtal) erklärte, dass eine Hallensperrung nicht erforderlich sei, weil bei normaler Nutzung der Halle ausreichend gelüftet werde“, heißt es auf der eigens eingerichteten Frage-Antwort-Seite der Stadt.

Prinzip: Der andere war’s!

Ein Satz, der exemplarisch zeigt, wo ein wesentliches Problem bei der Turnhallen-Affäre liegt: Jeder wälzt Verantwortung auf jemand anderen ab oder hat – als es notwendig gewesen wäre – seine Verantwortung nicht wahrgenommen. Der Gutachter wusste: Die Werte sind zu hoch. Empfahl aber keine Sperrung und verließ sich auf die Stadt. Die Stadt wusste: Die Werte sind zu hoch, sperrte aber nicht, weil es der Gutachter nicht empfahl. Die Schule hielt man über die Werte im Unklaren, unterband einen unabhängigen Messversuch, vielleicht auch, weil der Schulleiter Beschwerden zu spät vorgetragen hatte. Der wirft im Gegenzug der Stadt vor, ihn nicht vernünftig informiert zu haben und will dadurch jeder Verantwortung ledig sein. Das städtische Hochbauamt sagt, man habe „unverzüglich“ reagiert und das Lüftungsproblem angegangen, für das sei wiederum Dömges verantwortlich. Bei Dömges wiederum behauptet man – entgegen der städtischen Darstellung – von nichts gewusst zu haben und damit für nichts verantwortlich zu sein.

Hohes Vertuschungsinteresse

Wenigstens ein kleiner Teil der tatsächlichen Verantwortlichkeiten könnte geklärt werden, wenn am Dienstag wirklich alle Unterlagen auf den Tisch kommen. Bislang muss man feststellen, dass vor dem Hintergrund noch nicht zu bezifferender Kosten – noch niemand weiß, was aus der Turnhalle wird, einer laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlung und des öffentliche Skandals ein hohes Vertuschungsinteresse bei denjenigen besteht, die diese Verantwortung zu übernehmen haben.
„Eine Informationsfreiheitssatzung brauchen Sie nur, wenn Sie der Verwaltung misstrauen.“ Oberbürgermeister Hans Schaidinger im Januar 2011
„Ein Anspruch besteht insbesondere nicht: 1. wenn die Informationen gesetzlich oder vertraglich geheim zu halten sind, 2. wenn es sich bei den Informationen um Geheimnisse Dritter, insbesondere nach den jeweils gültigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen um personenbezogene Daten handelt, 3. wenn es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt, 4. wenn es sich um Entwürfe, Notizen, vorbereitende Stellungnahmen, Protokolle vertraulicher Beratungen u. ä. handelt, 5. wenn die Preisgabe der Informationen gerichtliche oder behördliche Verfahrensabläufe oder den behördlichen Entscheidungsbildungsprozess gefährden könnte oder 6. wenn der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht.“ Aus dem Entwurf für ein Informationsfreiheitssatzung der Stadt Regensburg
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Kommentare (5)

  • D. Nowak

    |

    Das Verschieben von Verantwortung kennt man aus diesen Kreisen ja zur Genüge!

    Die Gesundheit von Kindern und Lehrern scheint mir bei diesem Kompetenzgerangel zu kurz zu kommen.

    Die (falschen) Messergebnisse sind das eine, aber wurden die Betroffenen auch über die wichtigen Details aus den Gutachten informiert?

    Ich zitiere aus meinem Messgutachten zu Formaldehyd in einem öffentlichen Neubau:

    Zur Toxizität
    F. reizt lokal die Schleimhäute (Augen, Nase, Rachen, Bronchien und Lunge usw.), verursacht Kopfschmerzen, Druckgefühl im Kopf, trockene Haut, Symptome wie Grippe oder Asthma.
    Die kräftige Reizwirkung beruht auf den irreversiblen, eiweißdenaturierenden und enzymhemmenden Eigenschaften. Ein Großteil der schädigenden Wirkung wird auch auf die Metabolisierung zu Ameisensäure im Körper zurückgeführt. Bei längerfristiger niedrigdosierter Exposition sind unter anderem Schädigungen in Nervenzellen und in Zellen der Hirnrinde festgestellt worden.
    Beschrieben werden psychopathologische Wirkungen wie depressive Gemütszustände, Wesensänderung, Antriebsarmut, Auffassungsschwierigkeiten, Lernschwierigkeiten, Affektstörungen mit erhöhter Reizbarkeit, Nervosität, Störung der Willenskraft, des Denkablaufes und der Konzentrationsfähigkeit und Entwicklungsrückstände bei Kindern. Weiter werden in zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen beschrieben: Schlafstörungen, Nasenbluten, Übelkeit, Herzklopfen, Störungen im Magen-Darm-Trakt.
    Das Beschwerdebild einer chronischen Formaldehydimmission gleicht einem Symptomenkomplex, der leicht als psychosomatisch fehlgedeutet werden kann.

    Darüber hinaus wirkt F. sensibilisierend. Sensibilisierung ist eine notwendige erste Stufe bei der Entwicklung einer Allergie. F. zählt zu den 10 wichtigsten Substanzen, die als Ursache für allergische Dermatitiden in Frage kommen. Eine durch F. hervorgerufene Allergie tritt bei direktem Kontakt mit der Haut, aber auch durch Einatmen auf.

    Die mutagenen Eigenschaften (Erbgutveränderungen) von F. wurden in einer Vielzahl von Studien an einzelligen Organismen bis hin zu Säugetieren untersucht. F. wird als einer der potentesten Mutagene beschrieben, die zur Zeit bekannt sind. Festgestellt wurden unter anderem:
    – Veränderung an RNS und DNS (Struktur auf der unsere Erbanlagen liegen)
    – hemmender Einfluß auf die DNS-Reparatur
    – Veränderungen menschlicher Lymphozyten (weiße Blutkörperchen, wichtig für unser Immunsystem)

    Nach Angaben des Toxikologen Dr. med. Daunderer besteht bei chronisch formaldehyd-ausgesetzten Personen eine Übersensibilität gegenüber Schimmelpilzen. In Versuchen wurde dies für die Pilzarten Candida albicans und Aspergillus spec. bestätigt. Eine Reduzierung der allgemeinen Immunabwehr des Körpers mag eine der Ursachen dafür sein.

    F. steht in dem begründeten Verdacht, ein krebserzeugendes Potential zu besitzen. Forschungsergebnisse lassen den Schluß zu, daß Schäden, die zum Zelltod oder zur krebsartigen Veränderung der Zelle führen, durch Schädigungen an den Chromosomen, den Trägern des Erbguts, hervorgerufen werden können. Da sich viele Schäden erst zeigen, wenn bei einer Zellteilung die Information des Chromosoms im Zellkern abgerufen wird, werden oft erst nach Jahren die Wirkungen krebserzeugender Substanzen sichtbar.
    Zellen im kindlichen, jugendlichen sowie genesendem Organismus, die sehr aktiv sind, sich häufig teilen oder gerade in Teilung begriffen sind, sind besonders anfällig.

    Synergistische Wirkung:
    Über die Kombinationswirkung von F. mit anderen Substanzen liegen nur wenige wissenschaftlich gesicherte Informationen vor. Prinzipiell potenziert sich bei gleichzeitiger Anwesenheit mehrerer Chemikalien deren Wirkung. Zusätzlich kann die Empfindlichkeit gegenüber gleichzeitig einwirkenden anderen chemischen Belastungen erhöht werden.

    Wenn man also davon ausgeht, und das muß man, daß in diesem Gift-Bunker sich weitere Schadstoffe wie VOC, Benzol, Xylol, Naphtalin und andere befinden, kann nur von einem Gift-Cocktail die Rede sein.

  • Nordmann

    |

    Hallo,
    die Staatsanwaltschaft ermittelt, ja super, wie ist auch beschrieben, wir tun mal so als ob, zuständig sind wir nicht, liegt ja nix vor und außerdem geht es gegen einen besonders geschützen Personenkreis.
    Das was man für eine Strafanzeige bräuchte kann der oder die Geschädigten nicht liefern, da nicht zweifelsfrei ein Zusammenhang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit dem Aufenthalt in der Turnhalle hergestellt werden kann.
    Das Wissen die und darum kann man locker weiter lügen und vertuschen.
    Eine Blutanalyse hohem Formaldehydgehalt von betroffen Personen müsste es mindestens sein, dann wäre zumindest ein Zusammenhang von Person-Schule-Turnhalle möglich.
    Das was alles bis jetzt an gesundheitlichen Problemen von den Personen geschildert wird ist rechtlich uninteressant.

    Da wurde wieder billigst gebaut, der billigste Anbieter erhält den Zuschlag, auch wenn Fachleute gegen diesen Bedenken haben, ist leider gängige Praxis.
    Ist schon komisch, heute in der MZ, da kauft der RVB Busse, da ist plötzlich nicht der billigste Anbieter sondern der wirtschaftlichste Anbieter genommen worden.
    Das ist im Bereich der VOB auch problemlos möglich.

  • Felix

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    „Eine Informationsfreiheitssatzung brauchen Sie nur, wenn Sie der Verwaltung misstrauen.“ Oberbürgermeister Hans Schaidinger im Januar 2011.
    Nun, Herr Schaidinger, allein wegen des Verhaltens Ihrer Verwaltung im Sporthallenskandal brauchen wenigstens 3000 Schüler/innen, Eltern und Lehrkräfte des Goethe-Gymnasiums eine Informationsfreiheitssatzung.
    Ach ja: Bekanntlich stinkt der Fisch vom Kopf her!

  • SPD-Mitglied

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    „Eine Informationsfreiheitssatzung brauchen Sie nur, wenn Sie der Verwaltung misstrauen.“ Oberbürgermeister Hans Schaidinger im Januar 2011.
    Der Meinung von Felix kann man sich nur anschließen, alle Bürger brauchen eine Informationsfreiheitssatzung, damit diese in Kenntnis gesetzt werden, wie Ihre Steuergelder durch inkompetente Bürgermeister und deren Verwaltungen verschleudert werden, Millionen EUR für eine Turnhalle, die nun niemand benutzen kann!

  • Erich Tolli

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    Hallo H. Nowak,
    wäre es möglich, das von ihnen zitierte Gutachten einzusehen? Falls nötig, könnte man die persönlichen Daten unkenntlich machen, da es nur um die technischen/gesundheitsgefährdenden Hintergrund ginge. Vielleicht wäre auch die Redaktion von r-digtial daran interessiert. Danke. MfG E.T.

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