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„Sittenwidrig, unseriös, moralisch verwerflich“

„Porno-Pranger“-Kanzlei unterliegt in Musterprozess

Es sieht nicht gut aus, für den „Porno-Pranger“-Anwalt. Am Freitag unterlagen die Kanzlei U+C und der mit ihr verklagte Internetabzocker Frank Drescher in einem Zivilverfahren vor dem Regensburger Amtsgericht, das als Musterprozess gelten darf. Die Abmahnpraxis sei „nicht nur unmoralisch und unseriös, sondern auch vorsätzlich sittenwidrig“. Das Urteil dürfte auch strafrechtlich von Bedeutung sein.  gericht„Wenn man den Durchschnittsbürger fragen würde, was er davon hält, hätte er sicher eindeutige Bezeichnungen, die mir aber mein Amt verbietet.“ Doch ungeachtet dieser Einschränkung ließ das Urteil, das Richter Thomas Rauscher am Freitag verkündete an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Im Zivilverfahren (Az. 4 C 3780/12) gegen die berühmt-berüchtigte Regensburger Abmahnkanzlei Urmann + Collegen („Porno-Pranger“) und den bekannten Internetabzocker Frank Drescher zeigte sich das Gericht davon überzeugt, dass hier versucht wurde, andere Internet-Händler über Massenabmahnungen „vorsätzlich sittenwidrig“ abzuzocken.

Nur eine Fassade zum Abzocken

Geklagt hatte ein Online-Händler für Spielzeug und Modellbau, der im Auftrag von Drescher durch U+C wegen fehlerhafter AGBs abgemahnt worden war, sich dagegen erfolgreich gewehrt hatte und nun die Gerichtskosten ersetzt haben wollte. Das Gericht gab dem Kläger in vollem Umfang recht. Drescher war Inhaber der (mittlerweile pleite gegangenen) KVR Handelsgesellschaft, vorgeblich gegründet, um einen Online-Handel a la Amazon ins Werk zu setzen. Tatsächlich schaffte es Geschäftsführer Drescher vor Gericht – trotz viel Fabulierens – aber lediglich, Verkäufe nachzuweisen, die – hoch gegriffen – das Volumen von 2.500 Euro nicht überstiegen haben dürften. Der Hintergrund der Firmengründung war nach Überzeugung des Gerichts denn auch ein völlig anderer als der Verkauf irgendwelcher Waren. Richter Rauscher: „Die KVR wurde nur als Fassade aufgesetzt, um ein Wettbewerbsverhältnis zu fingieren und so die Möglichkeit zu schaffen, andere Online-Händler abzumahnen.“

700.000 Euro Abmahngebühren

Tatsächlich verschickte die Kanzlei Urmann + Collegen (U+C) im Auftrag der KVR innerhalb von nicht einmal zwei Wochen weit über 1.000 Abmahnungen an Online-Händler verschickt – die dafür anfallenden Anwaltsgebühren würden sich auf rund 700.000 Euro belaufen. Ein solches Verhalten sei „nicht nur unmoralisch und unseriös, sondern auch rechtlich sittenwidrig“. Ausdrücklich betonte Rauscher, dass die Gesetze, um eine solche Sittenwidrigkeit festzustellen, hohe Hürden, „so ziemlich die höchsten, die es gibt“, festlegen. Das Geschäftsgebaren müsse „gegen das allgemeine Anstandsgefühl verstoßen und zudem grob verwerflich“ sein. Beides sei klar gegeben. „Hier wurde versucht, mit einem Minimalaufwand auf Kosten anderer Geld zu machen.“

Machten die Kanzlei und der Abzocker gemeinsame Sache?

Nach Überzeugung des Gerichts deutet einiges darauf hin, dass U+C und Drescher gemeinsame Sache gemacht haben, um mit sittenwidrigen Massenabmahnungen einen sechsstelligen Betrag abzuzocken. Tatsächlich hätte Drescher, ginge alles mit rechten Dingen zu, an den Abmahngebühren nichts verdient. Diese kämen ausschließlich U+C zugute. Für den Fall, dass der Abgemahnte sich erfolgreich wehrt, müsste sogar Drescher selbst die Gebühren an U+C bezahlen. War dies jemals der Fall? U+C, namentlich Rechtsanwalt Thomas Urmann schwieg dazu vor Gericht. Auch bei der Frage nach der Zahl der Abmahnungen berief Urmann sich auf seine Schweigepflicht. Vor diesem Hintergrund, so Richter Thomas Rauscher, müsse man davon ausgehen, dass Dreschers Motive der Kanzlei bekannt waren und angesichts der bei Gericht vorgebrachten Beweise sei dies „auch nicht unwahrscheinlich“.

Staatsanwaltschaft: Urteil hat Folgen für strafrechtliche Ermittlungen

In dem Verfahren selbst ging es lediglich um Gerichtskosten in Höhe von rund 1.800 Euro. Allerdings dürfte das Urteil Vorbildcharakter haben. Sollte es in den nächsten Instanzen Bestand haben, könnte – angesichts der Vielzahl von Abgemahnten – eine regelrechte Klagewelle auf die Kanzlei und Frank Drescher zukommen. Das Urteil dürfte auch Auswirkungen auf die strafrechtlichen Ermittlungen gegen U+C und Drescher haben. Bereits seit April ermittelt die Regensburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf versuchten Betrug. Erst kürzlich hatte Oberstaatsanwalt Dr. Wolfhard Meindl unserer Redaktion auf Nachfrage mitgeteilt, dass der weitere Verlauf der Ermittlungen und die eventuelle Eröffnung eines Verfahrens vom Ausgang des Zivilprozesses abhänge.
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Kommentare (29)

  • Qui bono?

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    Amtsgerichtsurteile sind mit Vorsicht zu genießen: Instanzenweg abwarten und dann des Bären Fell zerteilen.

  • Andreas Sterntal

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    Es heißt “cui bono”. Natürlich werden die Herren aus der abzockenden Branche Rechtsmittel bis zum geht-nicht-mehr einlegen. Es wird aber kaum etwas an der juristischen und auch gesellschaftlichen Bewertung ändern. Sie gewinnen allenfalls ein wenig Zeit. Am Ende wird die Frage stehen: “wofür?”

    Hättet Ihr Euch eher in Euer unvermeidliches Schicksal ergeben, hättet Ihr die Sache schneller verdauen können und hättet Euch insgesamt weniger Schaden zugefügt.

  • Johannes Mühlbauer

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    Vor dem dem Landgericht München haben Urmann + Collegen auch eine lustige Niederlage einstecken müssen. Das Gericht stellte fest, dass zwei Pronos eines Mandanten schon deshalb keinen urheberrechtlichen Schutz genießen würden, da diese “lediglich sexuelle Vorgänge in primitiver Weise” zeigen und hierin keine “persönliche geistige Schöpfung” im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG läge.

    http://www.anwalt.de/rechtstipps/lg-muenchen-angebliche-malibu-media-pornos-sind-keine-geschuetzten-filmwerke_046066.html

  • Dr. Engelbart

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    Wunderherrlich und köstlich zugleich.

    Bayern scheint eben doch noch in Ordnung zu sein.

    Ceterum censeo U+C esse delendam.

  • Klaus Messer

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    Das ist wunderbar. Endlich tut sich was in dieser Richtung. Leuten die eine Abmahnung von U+C erhalten haben ist schon lange klar, das hier etwas schief laeuft.

  • „Warum entzieht man U+C nicht die Lizenz?“ | Regensburg Digital

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    […] In einem Fall bescheinigte im Juli 2013 das Amtsgericht Regensburg U+C und ihrem Mandaten, einem bek…. Über die Berufung ist noch nicht entschieden. Neben diesem Zivilverfahren gab es auch strafrechtliche Ermittlungen. Die Erhebung einer Anklage wollte die Regensburger Staatsanwaltschaft laut Auskunft von Oberstaatsanwalt Dr. Wolfhard Meindl vom Ausgang des Zivilverfahrens abhängig machen. Aber irgendwie scheint es nun schneller gegangen zu sein. Doch dazu später. […]

  • Andrea 089

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    Gibt es denn ein Aktenzeichen zu diesem Urteil?
    Wäre in diesem Fall erstmal das Wichtigste :-)

  • Stefan Aigner

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    @Andrea

    Das Aktenzeichen steht im verlinkten Artikel. Wird aber hier noch nachgetragen.

  • Wie die Porno-Abmahner rechnen | Regensburg Digital

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    […] Beispielhaft dafür: Das Amtsgericht Regensburg hatte die Kanzlei U+C und namentlich den Rechtsanwalt Thomas Urmann in einem Zivilverfahren wegen wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen im Juli zu Schadenersatzzahlungen an ein Abmahnopfer verurteilt (Mehr darüber). […]

  • Porno-Abmahner: „Das war erst der Anfang“ | Regensburg Digital

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    […] ist für seine dubiosen Praktiken bekannt. In einem wettbewerbsrechtlichen Zivilverfahren bescheinigte das Amtsgericht Regensburg Thomas Urmann… Das Urteil ist bislang allerdings nicht rechtskräftig. Am 18. März 2014 findet die Berufung am […]

  • Wie die Porno-Abmahner rechnen ... | Da Hog'n - Onlinemagazin ausm Woid

    |

    […] Mehrere Rechtsanwälte, die regensburg-digital darüber hinaus befragt hat, sehen durch das Vorgehen von U+C ihren Berufsstand als Ganzes beschädigt. Beispielhaft dafür: Das Amtsgericht Regensburg hatte die Kanzlei U+C und namentlich den Rechtsanwalt Thomas Urmann in einem Zivilverfahren wegen wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen im Juli zu Schadenersatzzahlungen an ein Abmahnopfer verurteilt (–> mehr darüber). […]

  • Gutachten wirft Porno-Abmahnern Betrug vor | Regensburg Digital

    |

    […] bescheinigte der Richter dem Rechtsanwalt Thomas Urmann bzw. der von ihm geleitetet Kanzlei U+C „vorsätzlich sittenwidrig“ und aus verwerflicher Gesinnung“ heraus gemeinsame Sache mit dem b…. Mehr als 1.000 Abmahnungen seien verschickt worden, um mit minimalem Aufwand auf Kosten anderer […]

  • Kevin Chantal

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    irgendwie kommt es mir so vor als wäre diese “U + C” Kanzlei spezialisiert für Kriminelle zu arbeiten. Da stimmt doch was nicht. Die normalen Leute müssen für das Geld hart arbeiten und dann kommt diese Kanzlei, verdreht ein paar Paragraphen und schwups kriegt man eine Abmahnung mit Schadensersatzansprüchen.

    Früher hatte ich viele Seiten im Internet und lebte davon.. aber als dann die Abmahnwelle ihren Lauf nahm und ich davon auch mehrmals betroffen wurde, habe ich es mit dem Business im Internet gelassen. Da beziehe ich lieber Hartz 4 als für tausende von Euros für Sachen abgemahnt zu werden für die ich nicht verantwortlich bin.

  • Matthias Zezula

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    Also ich bin Anwalt in Österreich und muss festhalten, dass die Judikatur des BGH wohl mitverantwortlich ist, dass das Abmahnen in Deutschland zum juristischen Volkssport geworden ist.

    Aber was sich so mitbekommen habe, gab es jetzt eh eine gesetzliche Änderung!?

    Meine Mandanten aus der E-Commerce Branche haben in den letzten Jahren immer wieder Abmahnungen (seltsamerweise immer nur aus Deutschland) erhalten und wir haben uns immer erfolgreich gegen die Kosten verwahrt.

    Grund für diesen Volkssport dürfte auch sein, dass es in D ca. 150.000 Anwälte gibt, während wir in Ö nur und 6.000 sind. Sohin ist in D die Dichte ca. 3x so hoch.

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    […] Das Amtsgericht Regensburg bescheinigte Urmann im Juli 2013, „sittenwidrig“ und aus „verwerflicher Gesinnung“ heraus gemeinsame Sache mit Drescher gemacht zu haben, um mit geringstmöglichen Aufwand Geld abzuzocken. Am Dienstag steht nun die Berufungsverhandlung an. Das Verfahren gilt als Musterprozess, dem weitere Klagen von Abgemahnten folgen könnten. […]

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  • Urmann bleibt Abzock-Prozess fern | Regensburg Digital

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    […] Das Amtsgericht Regensburg bescheinigte Drescher und Urmann im Sommer 2013 eine „vorsätzlich sitt…. „Die KVR wurde nur als Fassade aufgesetzt, um ein Wettbewerbsverhältnis zu fingieren und so die Möglichkeit zu schaffen, andere Online-Händler abzumahnen“, so Amtsrichter Thomas Rauscher damals. „Hier wurde versucht, mit einem Minimalaufwand auf Kosten anderer Geld zu machen.“ […]

  • Redtube-Abmahnungen: Anwalt hat keine Zulassung mehr | computerbetrug.de - Infos über Gefahren des Internet

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    […] Rechtsanwalt Thomas Urmann wiederum hatte da schon an ganz anderen Fronten zu kämpfen. Er landete wegen Insolvenzverschleppung in Augsburg vor Gericht, weil er als Geschäftsführer einer Wurstfabrik mit fragwürdigen Methoden gearbeitet hatte. Das Gericht verhängte wenig später eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung – womit klar war, dass auch seine Zulassung als Anwalt gefährdet ist. Auch in einem anderen Fall, in dem er sich mit einem fragwürdigen Partner eingelassen hatte, erhielt der Abmahner vor Gericht eine schallende Ohrfeige. […]

  • Porno-Abmahner muss Schadenersatz zahlen » Regensburg Digital

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    […] Betreiber hunderter Internetshops wegen angeblicher Fehler im Impressum und in den AGB abgemahnt. Auch in diesem Fall stufte das Amtsgericht Regensburg Urmanns Vorgehen als „vorsätzlich sittenwid… Das Landgericht wies Urmanns Berufung dagegen […]

  • Justizposse um das Privathaus des Porno-Abmahners » Regensburg Digital

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    […] 2013 hatte das Amtsgericht Regensburg in einem Zivilverfahren Drescher und Urmann wegen massenhafter… „Hier wurde versucht, mit einem Minimalaufwand auf Kosten anderer Geld zu machen“, so der Vorsitzende Richter damals. Einer Berufung vor dem Landgericht hielt dieses ungewöhnlich deutlich formulierte Urteil stand. Strafrechtlich blieb die Angelegenheit allerdings bislang ohne Folgen. […]

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