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„Systemfehler Verfassungsschutz“

Was macht der Geheimdienst an der Schule?

„Systemfehler Verfassungsschutz“ ist der Titel der Veranstaltung, die am Mittwoch in Regensburg stattgefunden hat. Zentrales Thema: Was hat ein Geheimdienst, der eben erst wieder durch extreme Nähe zur Nazi-Szene aufgefallen ist, eigentlich in der Bildungsarbeit verloren?

Comics (hier gegen Rechtsextremismus), Planspiele, Demokratielotsen: Der Verfassungsschutz hat Einiges im Angebot, um schon von früher Kindheit an zu lehren, welche Gesinnung die rechte ist.

Nein. Auch wenn der Verfassungsschutz in den 50ern durch hochrangige Nazifunktionäre, Gestapo-Leute und SSler maßgeblich gegründet und geleitet wurde. Auch wenn der Geheimdienst sein Selbstverständnis und seine Ideologie aus der Hatz auf KPD-Mitglieder, und später, der Schnüffelei gegen Linke aufgrund des „Radikalenerlasses“ begründet. Auch wenn – heute – zehn faschistisch motivierte Morde stattfinden konnten, ohne dass der Verfassungsschutz etwas davon mitbekommen hat oder mitbekommen wollte und die dafür notwendigen Strukturen mit Geldern des Verfassungsschutzes aufgebaut wurden.

Der Verfassungsschutz: eine Gefahr für die Verfassung

Nein. „Es wäre nicht fair zu sagen: Das Gedankengut aus der Gründung hat sich bis heute gehalten“, sagt Friedrich Burschel. „Es wäre nicht fair, von einer offenen Kumpanei des Verfassungsschutzes mit Neonazis zu sprechen.“ Aber der deutsche Inlandsgeheimdienst habe doch „sehr wenig Berührungsängste“, er sei schon „sehr nah dran“ an der Nazi-Szene. Und man müsse sich schon die Frage stellen, „ob es nicht der Verfassungsschutz selbst ist, der die Verfassung gefährdet“. Mit „Systemfehler Verfassungsschutz“ ist der Vortrag überschrieben, den Burschel am Mittwoch im L.E.D.E.R.E.R. hält. Knapp 40 Zuhörer sind da. Der Politikwissenschaftler und Journalist ist ein Kenner des Geheimdienstes. Burschel ist einer von vielen, die sich erfolgreich juristisch gegen eine jahrelange Beobachtung durch den Verfassungsschutz und das damit verbundene Stigma „linksextrem“ gewehrt haben. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), die Burschel zum Vortrag eingeladen hat, klagt gerade gegen ihre Erwähnung im bayerischen Verfassungsschutzbericht. Und es sind nicht die Morde der NSU, die geheimdienstlichen Verquickungen und die mangelnde Aufklärungsbereitschaft des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern, die Burschel vorrangig zum Thema macht.

Andi-Comics, Planspiele, Demokratielotsen

„Was hat der Geheimdienst an Schulen verloren?“, lautet seine zentrale Frage am Mittwoch. Es geht um ein relativ neues Betätigungsfeld, das der Verfassungsschutz für sich entdeckt hat: die politische Bildung. Und hier setzen die Geheimdienstler bereits in der Grundschule an. Einige Beispiele. In Nordrhein-Westfalen gibt es die sogenannten „Andi-Comics“, die Grundschülern das Wesen der Demokratie erläutern sollen. Drei Hefte gibt es bislang: Über Rechts-, Links- (Foto) und islamistischen „Extremismus“. Alle nach dem gleichen Muster aufgebaut. Alle vom Verfassungsschutz konzipiert. In Niedersachsen wurde die Landeszentrale für politische Bildung aufgelöst. Dessen Aufgabe übernimmt dort seitdem der Geheimdienst und besucht mit sogenannten „Demokratielotsen“ die Schulen.

„Propagandainstrument der CSU“

In Bayern betreibt die Landeszentrale für politische Bildung gemeinsam mit dem Verfassungsschutz eine Plattform „gegen Linksextremismus“, die sich vornehmlich an Schulen und Eltern wendet. Die Grünen bezeichnen die Plattform als „Propagandainstrument der CSU“. Kritik kommt von der gesamten Opposition. Bundesweit angeboten wird ein vom Verfassungsschutz entwickeltes „Planspiel“ rund um einen Soldatenfriedhof des II. Weltkriegs. „Die Teilnehmer (Schüler, Anm. d. Red.) sind gefordert, sich im Rahmen eines Szenarios (Anmeldung einer „Heldengedenkfeier” oder eines „Trauermarsches” durch Extremisten) in Ideologie und Handeln von Rechts- und Linksextremisten einzudenken“, heißt es dazu etwa vom brandenburgischen Innenministerium. Tatsächlich gibt es auch die Möglichkeit, das Spiel auch auf „islamistische Extremisten“ auszuweiten (Sie gedenken muslimischer Rotarmisten!). Einen gesetzlich definierten Bildungsauftrag hat der Verfassungsschutz übrigens nicht.

Alles Extremisten…

Extremismus – das ist der wichtige Begriff bei all dieser „Bildungsarbeit“. Der kann – so die Logik – von rechts, von links oder von Islamisten kommen. Alles gleich böse, gleich gefährlich. Hier die Mitte, dort die Ränder, die es zu bekämpfen gilt. Was diese „Mitte“ ist und was die Ränder, wer nun Extremist ist und wer nicht, definiert der angebliche neutrale Verfassungsschutz. Der Geheimdienst gibt sich als ganz argloser Teil der Zivilgesellschaft. In der Wissenschaft ist der Begriff „Extremismus“ höchst umstritten, gilt als undifferenziert und gleichmacherisch. Einige Publikationen, die diesen Begriff rechtfertigen stammen zum Teil direkt aus der Feder von Geheimdienst-Mitarbeitern. Das für die Extremismus-Thesen maßgeblich herangezogene Jahrbuch Extremismus & Demokratie kritisiert Burschel scharf. Er spricht mit Blick auf einige Aufsätze von „pseudowissenschaftlicher Propaganda“.

Kristina Schröder: Vom rechten Rand, ohne Durchblick

Finanziert, vor allem aber propagiert, wird die „Bildungsarbeit“ des Verfassungsschutzes zu einem Gutteil aus Bundesmitteln, dem Familienministerium. Der „Andi-Comic“ etwa wurde in großer Auflage auch vom Familienministerium publiziert, genauer gesagt, nur der gegen Linksextremismus . Hier sitzt Kristina Schröder, aus Hessen stammend, vom „äußersten rechten Rand der CDU“. „Sie ist bislang noch nicht durch besonderen Durchblick aufgefallen“, sagt Burschel. Dafür hat sie Begriffe wie „Deutschfeindlichkeit“ hoffähig gemacht, eine direkte Übernahme von NDP-Vokabular und in schöner Tradition von hessischen Rechtsauslegern wie Alfred Dregger, Martin Hohmann und Roland Koch. Schröder führt den Begriff „Extremismus“ häufig im Mund und hat sich auch für die sogenannte „Extremismusklausel“ stark gemacht. Initiativen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus sollen seit 2011 per Unterschrift nicht nur ein Bekenntnis zum Grundgesetz ablegen, um Fördergelder des Ministeriums zu bekommen, sondern auch versichern, dass sie ihre Referenten und Kooperationspartner auf „Extremismus“ hin durchleuchten. Der Verfassungsschutz soll hier als neutrale „Auskunftei“ dienen. Und es gilt: Keine Unterschrift, kein Geld.

Was nicht staatstragend ist, wird ausgetrocknet

Und so passiert es etwa in Bayern, dass das Münchner aida-Archiv zwar zahlreiche Auszeichnungen für seine Recherchen in der rechten Szene erhalten hat, aber finanziell auf dem letzten Loch pfeift und nicht als Kooperationspartner dienen kann, weil es im Verfassungsschutzbericht als „linksextrem“ ausgewiesen wird. Ohne Belege und weitgehend anderslautenden Gerichtsurteilen zum Trotz. Burschel: „Nicht staatstragende Initiativen werden so ausgetrocknet.“ An ihre Stelle tritt der Verfassungsschutz und erklärt, wie eine demokratische Gesellschaft auszusehen hat. Derselbe Verfassungsschutz eben, der nicht erst seit dem NSU-Skandal eine bedenkliche Nähe zur Nazi-Szene aufweist. Derselbe Verfassungsschutz, der sich bei der Aufklärung dieses Skandals bislang nicht durch besondere Kooperationsbereitschaft hervorgetan hat.

„Den Verfassungsschutz wenigstens eindampfen“

Eine Abschaffung des Verfassungsschutzes werde wohl nicht zu schaffen sein, meint Burschel, obwohl solche Forderungen sogar in der nicht des Linksextremismus verdächtigen FAZ auftauchen. „Aber man muss es schaffen, ihn auf ein solches Maß einzudampfen, dass er keinen Schaden mehr anrichten kann.“ Wenn man betrachtet, dass seit Bekanntwerden der Mordserie nicht einmal wesentliche personelle Konsequenzen gezogen wurden und der Geheimdienst nun auch noch mit einem neuen Abwehrzentrum (zunächst gegen Rechts-, später wohl auch gegen sonstigen „Extremismus“) belohnt werden soll, wirkt aber selbst diese Forderung utopisch.
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Kommentare (3)

  • Gondrino

    |

    Die unrechtmäßige Vermischung staatlichen Handelns und Parteipolitik beschränkt sich nicht nur auf den Verfassungsschutz, sondern betrifft mehr oder weniger alle staatlichen Behörden und Exekutivorgane (z. B. Ministerien) auf allen Ebenen des Gemeinwesens. Je länger eine Partei in der Regierung bzw. im Amt ist, desto schlimmer (siehe Bayern). Auch hier gehört mehr Transparenz und Kontrolle durch den Bürger implementiert.

  • franz

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    Hihi die Frau Schröder ist ja putzig wo hat die den ihren Ministerposten her ? Im Lotto gewonnen ? Selbst ein Haupt äh ich meine Mittelschüler kann diese Begriffe besser erklären und versteht das des ein riesiger Unsinn ist…. Ja ja Frau Schröder jetzt kommen sie mal mit dann zeigt ihnen mal der Onkel Franz was er in seiner H äh ich meine was ich für ne tolle Comic Sammlung daheim hab….. Ihr Mann kann sich klüglich schätzen es heißt ja immer D……….t !

Kommentare sind deaktiviert

drin