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Debatte

Bleibe-Perspektive für gut integrierte Asylbewerber

Die Ampelregierung plant ein sogenanntes Chancen-Aufenthaltsrecht. Gut integrierten Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus soll so eine Bleibe-Perspektive in Deutschland gegeben werden. Flüchtlingsorganisationen wie die Regensburger BI Asyl sehen Verbesserungsbedarf, loben aber die grundsätzliche Neuausrichtung in der Asylpolitik.

Gotthold Streitberger von der BI Asyl in Diskussion mit Stefan Schmidt (Grüne). Grundsätzlich wird der Gesetzesentwurf von Flüchtlingsorganisationen begrüßt. Foto: Bothner

Ein dauerhaftes Bleiberecht für abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber. Das ist der Kern des Gesetzesentwurfs, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Anfang Juli vorgelegt hat. Vor allem Personen aus Staaten wie Syrien und Afghanistan, in die derzeit aufgrund der Politischen Lage keine Abschiebungen stattfinden, sollen per Gesetz eine einjährige Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ erhalten.

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Perspektive für Geduldete

Berechtigt sind dem bisherigen Entwurf nach all jene, die zum Stichtag 1. Januar 2022 seit fünf Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland gelebt haben. Der Gesetzesvorlage nach haben sich Ende 2021 in Deutschland 242.029 geduldete Ausländerinnen und Ausländer aufgehalten, davon 136.605 seit mehr als fünf Jahren. Es beträfe folglich keine ganz kleine Zahl.

Neben der Stichtagsregelung sieht der Entwurf, der in den kommenden Tagen im Bundestag zur ersten Lesung eingebracht wird, weitere Hürden vor. Begünstigte müssen sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Geldstrafen ab 50 Tagessätzen, bzw. 90 Tagessätzen bei Straftaten nach dem Aufenthalts- oder Asylgesetz sowie vorsätzlich falsche Angaben über Identität oder Staatsangehörigkeit sind genannt.

Die Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner (SPD) im Gespräch mit den Anwesenden im Pfarrsaal St. Anton. Foto: Bothner

Die Idee hinter dem Vorschlag der Ampelkoalition wird von Flüchtlingsorganisationen als wichtiger Schritt angesehen, der Realität als Einwanderungsland gerecht zu werden. Ähnlich sieht es die Regensburger Bürgerinitiative BI Asyl. Vergangenen Donnerstag lud sie zur Diskussionsveranstaltung, um regionalen Vertretern der Ampel aber auch klar zu machen, wo in ihren Augen nachgebessert werden muss.

Ampel-Vertreter sehen Kritik als berechtigt an

Sowohl Stefan Schmidt, MdB der Regensburger Grünen, Carolin Wagner, SPD-Abgeordnete aus der Domstadt und auch Muhanad Al-Halak, FPD-Abgeordneter aus Deggendorf, sind sich dabei einig: Die angesprochenen Kritikpunkte seien allesamt berechtigt. Man wolle diese nun in die Fraktionen einbringen und noch einmal diskutieren.

Insbesondere die Regelung, ab 90 Tagessätzen bei asylrechtlichen Vergehen kein Probejahr zu gewähren, kann während der Veranstaltung der BI Asyl im Pfarrsaal von St. Anton niemand so recht nachvollziehen. Diese Schwelle sei zu niedrig angesetzt, sagt etwa Gotthold Streitberger (BI Asyl). Schon kleinste Vergehen könnten hier „ganz schnell für unbescholtene Menschen zum Problem werden“.

Als Beispiel führt Streitberger ein grundsätzliches Problem an. Immer wieder würden an der Grenze Menschen festgenommen und ohne Anwalt wegen illegaler Einreise verurteilt werden.

Unternehmer beklagt Abschiebung während der Ausbildung

Auch den gewährten Probezeitraum von zwölf Monaten sehen die Anwesenden kritisch. Dieser reiche in den seltensten Fällen aus, um die notwendigen Unterlagen zu besorgen. „Es gibt in vielen Ländern keine Melderegister, keine Geburtsurkunden“, erklärt Gerhard Hain von der BI Asyl. „Hier wird auf dem Amt etwas gefordert, was es in vielen Ländern gar nicht gibt.“ 18 Monate Probezeit seien hier mindestens geboten. Die Stichtagsregelung müsse zudem an den Tag der jeweiligen Einreise gekoppelt werden.

Markus Merkl, Personalleiter der Max Frank Group aus Niederbayern, unterstützt die Forderungen der BI Asyl, sieht in dem Gesetzentwurf aber jetzt schon große Vorteile gerade für Betriebe. „Uns fehlt bisher die Planungssicherheit.“ Überall werde nach Auszubildenden und Fachkräften gesucht.

Aber: „Wir wissen ja nicht, wann kommt das Rasiermesser.“ Immer wieder würden Menschen noch während der Ausbildung abgeschoben werden. Obwohl sie bereits fest integriert seien, so Merkl. Das werde den Menschen nicht gerecht. Stattdessen müssten endlich Deutschkurse angeboten und der Zugang zu Arbeit erleichtert werden.

Kritik am bayerischen Sonderweg

Merkl weiß aus der eigenen Praxis mit Asylbewerbern, wie schwierig es den Menschen bisher gemacht wird, überhaupt Sprachkurse machen zu können und eine Arbeitsstelle antreten zu dürfen. Viele Unternehmen würden auch deshalb davor zurückschrecken. Es sei bislang kaum lukrativ, so Merkl.

Ein Umstand der gerade in Bayern System habe, wird während der Veranstaltung mehrfach der „bayerische Sonderweg“ kritisiert. Am Ende komme es stark darauf an, wo Geflüchtete in Deutschland landen und an welche Sachbearbeiter in den Ämtern sie gelangten.

Das jetzt verhandelte Chancen-Aufenthaltsgesetz zeige das besonders schön auf, erklärt Streitberger. Nicht nur hat die CSU und insbesondere der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, das geplante Gesetz bereits scharf kritisiert. Während andere Bundesländer dem neuen Gesetz vorgreifen und voraussichtlich berechtigten Personen eine Ermessensduldung ausstellen, geht Bayern einen anderen Weg. Hier werde nach abgelaufener Duldung derzeit mit „Phantasiepapieren gearbeitet“, sagt Streitberger.

Dass das Chancen-Aufenthaltsrecht kommt, gilt als sicher. Die Ampelparteien hatten sich auf ein solches Vorgehen bereits im Koalitionsvertrag verständigt. Wagner, Schmidt und Al-Halak wollen mit den nun gewonnen Erkenntnissen in ihren Fraktionen aber noch einmal über die konkrete Ausgestaltung diskutieren.

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Kommentare (9)

  • joey

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    Ich bin schon lange für eine großzügige Altfallregelung. Die Menschen, die hier und gut sind, sollen bleiben, von mir aus gleich mit einem garantierten Bleiberecht für ausführlichen Sprachkurs und die Dauer der Ausbildung, also 3-4 Jahre.

    Das Asylrecht ist aber kein Einwanderungsrecht, das es ja sonst auch schon gibt. Fa. Frank kann jederzeit im Herkunftsland Geeignete auswählen und vorbilden (auf seine Kosten) und dann mit Vertrag hereinholen. Im Pflegebereich läuft das offenbar schon und falls es im Einwanderungsrecht was zu verbessern gibt, kann man das da machen. Die Einwanderer müssen von “uns” ausgesucht werden, nicht von der Mafia.

  • Mr. T.

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    Das, was Markus Merkl, Personalleiter der Max Frank Group aus Niederbayern, hier beschreibt, ist ein weiterer Standortnachteil für Unternehmen in Bayern, für den die Staatsregierung seit Jahren sorgt. Ähnlich wie bei der Verhinderung der Versorgung mit Erneuerbaren Energien. Weitsichtige Unternehmer müssten dafür sorgen, dass CSU und FW in Bayern so schnell nicht mehr an die Macht kommen. Wir können uns so eine nach rechts hinten orientierte Politik im Freistaat nicht länger leisten. Und damit wären wir wieder bei der Verhinderung des Zuzugs von Arbeitskräften.

  • Manfred

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    Zuzug schön und gut, aber man sollte in erster Linie erstmal hier schauen wer Arbeit benötigt. Von Fachkräften oder Fachkräftemangel kann man nicht sprechen, wenn man nur billige Arbeitssklaven im Niedriglohnsektor will. Gibt mehr als genug top qualifizierte deutsche Arbeitnehmer, aber mir kommt es so vor, dass man diese eher nicht will, sondern die unwissend integrierte “Fachkraft” die man bequem ausbeuten kann.

  • Marita Weissig

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    Ein Standortnachteil für Firmen in Bayern weil abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden? Geht`s noch? Was wollen Sie? Dass Ihnen billige Arbeitskräfte, natürlich erst einmal unter Vollversorgung des Staates mit Sprachkurs und Unterbringung auf dem Silbertablett gereicht werden? Jeder Unternehmer hat die Möglichkeit, einen Azubi oder Mitarbeiter im Ausland anzuwerben, mit besonderer Erleichterung auch in den Balkanstaaten. Er muss sich dann halt selbst um die Unterbringung und den Sprachkurs kümmern, das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt, wenn sich tatsächlich niemand für den Job in Deutschland finden lässt. Was wir uns nicht leisten können, sind Menschen, die hier die Sozialkassen belasten und keine auskömmliche Rente erwirtschaften können. Ein Einwanderungsgesetz wie Kanada es hat, wäre hilfreich, aber abgelehnte Asylbewerber, die oft noch nicht einmal einen Schulabschluss haben, können und dürfen nicht als bleibeberechtigte Arbeitnehmer akzeptiert werden. Asyl ist kein Einwanderungsrecht, sondern für die Verfolgten und Kriegflüchtlinge da, die, richtigerweise, von uns gefördert und versorgt werden. Die anderen müssen wieder gehen!

  • Hindemit

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    War ja klar, dass der Artikel wieder überregional aktive Asylgegner:innen (einfache Googlesuche Marita W.) anzieht. Es ist sehr wohl ein Aspekt, dass viele Asylbewerber:innen keine Chance bekommen, sieht inzwischen auch ein größer werdende Teil der Wirtschaft so. Kampfbegriffe wie “Vollversorgung” (vermutlich hat MW noch keine Erstaufnahme, geschweige denn ein Ankerzentrum von innen gesehen) lassen tief blicken. Die meisten haben ein staatlich verordnetes Arbeitsverbot (!) und müssen sich dann dafür als Bezieher von Transferleistungen beschimpfen lassen, ein perfides Spiel. Deutschland hinkt in Punkto intelligentem Einwanderungsmanagement und Integration von Asylsuchenden (auch) auf dem Arbeitsmarkt weit hinterher.
    Danke für die Veranstaltung und ihren Einsatz, BI Asyl!

  • Gerhard Hain

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    Damit es auch die Letzten kapieren. Es kommen junge und hoch motivierte Menschen nach Deutschland. Das zu bejammern ist kurzsichtig, spielt mit irrealen Ängsten und ist ökonomischer Unfug. Wir brauchen allein in Regensburg jährlich 3000 zusätzliche (!) Arbeitnehmer*innen und das nicht nur im Hochlohnbereich. Menschen, die arbeiten wollen, abzuschieben, ist nicht mehr akzeptabel, ist einfach nur dumm und gefährdet bestehende (!) Arbeitsplätze. Unternehmen die hier keine Mitarbeiter*innen finden ziehen dann auch mal weiter. Das sei den Realitätsverweigeren einmal konkret in deren ideologisiertes Büchlein geschrieben. Ihr gefährdet mit der ewiggestrigen Denke unseren Standort.

  • Mr. B.

    |

    Zu Gerhard Hain
    12. Oktober 2022 um 09:25 | #
    “Damit es auch die Letzten kapieren. Es kommen junge und hoch motivierte Menschen nach Deutschland.”

    Sicherlich gibt es diese Menschen, von denen Sie berichten, aber bei der Masse, so glaube ich, “haperts” gewaltig?

Kommentare sind deaktiviert

drin