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Ein „Kanake” mischt auf

.Berufsoberschule holte Kabarettist Serdar Somuncu nach Regensburg.

„Und jetzt kommt’s. Ja. Geiles Wort. Einige werden schon feucht … Hitler! Ich sage den Namen in der Schlange beim Bäcker. Hitler! Beim Masseur. Hitlääär…” Serdar Somuncu, der Kabarettist mit dem „goldenen Stoiber-Siegel für angepasste Kanaken“, war da. Kanaken haben in Regensburg derzeit schließlich Konjunktur. Aber nicht wegen der Verwerfungen in der hiesigen CSU zeigte sich der Kanake mit der niederschmetternd unverschämten Art in Regensburg, er spielte auch nicht vor teuer bezahlten Plätzen für Kultur-Afficionados oder Quatsch-Comedy-Club-Fans, er kam in eine deprimierend öde Turnhalle und stieß Schülerinnen und Schüler vor den Kopf und schockte den ein oder anderen Pauker, denn zu Serdar Somuncu Wortschatz gehören „Ficken“ oder „Fotze“ genauso selbstverständlich, wie die Bezeichnungen „Kuttenbrunzer“ und „Kanake“ in den christlich-sozialen Jargon.

Vorletztes Schuljahr wurden auf den Pausenhöfen der Regensburger BOS und der FOS CDs mit Nazi-Liedern (warum viele immer noch das Wort vom „rechten LiedGUT“ verwenden, bleibt rätselhaft und bedauerlich) verteilt. Einige Schüler brachten daraufhin Flyer unters Volk, auf denen sie darauf hinwiesen, dass sie künftig „nach dem Rechten sehen“ wollten. Dieser Akt der Zivilcourage wurde auch prompt mit dem Hans-Weber-Preis belohnt. Und das Engagement der Schüler geht weiter. Seither finden unter dem Motto „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ regelmäßig Aktivitäten statt. War im letzten Jahr noch würdevoll Regierungspräsident Kunert Schirmherr und Pate der Aktion, so holte man gestern die personifizierte Onemanshow, den Deutsch-Türken Serdar Somuncu nach Regensburg. Wegen eines Unfalls bei Stefan Raabs Wok-WM (letzter Platz!) musste er seine „Heil-Hitler-Hand“ im Gips tragen, was seiner Performance aber keinerlei Abbruch tat..

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„Liebe Arschlöcher“ müsste es eigentlich heißen, statt „liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen und Kollegen“, so begann Serdar seine Show und grundehrlich ging es weiter. Elementare Fäkalbegriffe schleudert er auf türkisch ins stellenweise überforderte Publikum, das nicht mit einer derartigen Breitseite gegen den alltäglichen Faschismus gerechnet hatte.

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Im interaktiven Teil aber zeigte der Redebeitrag eines Schülers, der zu Serdar Somuncu ans Mikro stürzte und meine: „Ein Türke, der Hilters Mein Kampf liest, das nenne ich echte Integration!“, dass Denken manchmal hilft. Verstanden? Nicht dumm der Junge! Gut – man muss wissen, dass Serdar Somuncu nach diversen Rollen an Theatern und in Film und Fernsehen (und nach seiner „Nationalitätsumwandlung“ zum Deutschen) von den Produzenten immer nur Rollen als Zuhälter, Verchecker oder Autohändler angeboten wurden. Er wollte Shakespeare und Kafka spielen (hat er ja auch) und dann kam die gloriose Idee: Eine Lesetour mit Texten aus Hitlers Mein Kampf, vorgetragen von einem Türken. Die Reihe war – im wahrsten Sinn des Wortes – ein Bombenerfolg. Fast überall, wo Serdar Somuncu mit den unsäglichen Hitler-Texten („die Eier des Columbus“, O-Ton Hitler!) auftrat, gab es Mord- und Bombendrohungen. „Am langweiligsten waren diese Lesungen für die Nazis. Gelesen hatten sie Mein Kampf nie, denn dazu muss man ja lesen können und verstehen. Und beides können die Nazis nicht!“. Auch Pseudotürken wie Kaya Yanar, die Türken-Klischees bedienen, oder Django Asyl – „Der spricht kein Wort Türkisch! Der spricht aber auch kein Wort Deutsch!“) bekamen ihr Fett weg. Einige Gags mit Bart, wie die Kopftuch- und String-Pointe und das unvermeidliche Ausschlachten des Falls Eva-Braun-Herman-Göring-Blondi, mussten halt sein, einem TV-Publikum ist man das schließlich schuldig. Unverwüstlich bleibt, und Serdar Somuncu kann es noch so oft wiederholen wie er will, seine These, „Wir Türken sind die Ersatzjuden“.

Mit derartigen (vermeintlichen) Verbal-Sottisen, pointiert serviert, zeigt sich Serdar Somuncu als intelligenter Entertainer mit Sendung. Der unmittelbaren Bühnenpräsenz des begnadeten Lästermauls, das musikalisch gebildet, pointiert seine Spitzen gegen Faschos, Mitläufer und Spießer abschießt, kann man sich nicht entziehen. Eine grandiose Show zu der – im wahrsten Sinn des Wortes – ausgezeichneten Idee „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“!

Mit seiner aktuellen Performance „Bild lesen“ (die Ergüsse der Springer-Presse lassen sich gleichermaßen wirksam und entlarvend kabarettistisch ausschlachten wie Nazi-Prosa) ist Serdar Somuncu noch bis Jahresende auf Tour, 2009 kommt das Spektakel „Hassprediger – Ein demagogischer Blindtest“, Ausschnitte aus berühmten Reden der Weltgeschichte von Osama Bin Laden bis Roland Koch, auf Tournee. Presse- und Fernsehanfragen können zurzeit bis auf weiteres nicht angenommen werden.
Kanake, wann kannst du wiederkommen? Solche wie dich brauchen wir!

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Kommentare (1)

  • Roland Hornung

    |

    Grossartig der Artikel, danke,Peter Lang !

    GROSSARTIG aber auch, wie immer, Serdar Somuncu,den ich auch schon live erleben durfte, einfach s u p e r !

    Noch eine Bemerkung zum ” rechten LiedGUT ” –
    ich finde diesen Ausdruck nicht nur “rätselhaft
    und bedauerlich”, nein, noch viel schlimmer,
    widerlich und dumm; denn er verniedlicht ja
    geradezu das, was er anprangern soll!

    Euer Roland Hornung

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