Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino
"Alle Mitarbeiter unter Generalverdacht"

Krematorium: Die Stadtspitze ist auf Whistleblower-Jagd

Ein Antrag, das Regensburger Krematorium stillzulegen, wurde am Donnerstag im Verwaltungsausschuss abgelehnt. Dennoch gab es interessante neue Fakten – geliefert von einem Insider. Und den wollen die Spitzen der Stadtverwaltung nun unbedingt finden. 

Auf der Suche nach dem Leck im Krematorium: Personalreferent Karl Eckert und Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer. Fotos: Archiv

„Wir werden alles tun, um aufzuklären, wer so vorgeht“, sagt Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer. Später bekräftigt auch Personalreferent Karl Eckert diesen Aufklärungswillen. „Sonst stehen alle Mitarbeiter unter Generalverdacht.“ Wir befinden uns in der Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses im Regensburger Stadtrat und es geht – wieder einmal – um das städtische Krematorium.

WERBUNG

Christian Janele hat die sofortige Stilllegung der Anlage beantragt, die seit fast zwei Jahren die Staatsanwaltschaft beschäftigt. Als Argumente hat der CSB-Stadtrat Dateien mitgebracht, die belegen, dass auch 2018 bei fast sechs Prozent der Betriebsstunden der zulässige Kohlenmonoxid-Grenzwert überschritten wird. Zulässig sind drei Prozent. Außerdem kolportiert Janele Berichte eines Mitarbeiters, denen zufolge es pro Woche „ein bis zwei Havarien“ im Krematorium gebe, Fälle also, in denen die Filteranlagen überhitzen und über einen Notfall-Bypass die schwerbelasteten Abgase ungefiltert an die Umwelt abgegeben werden. „Ich habe sogar selbst so einen Fall beobachtet“, berichtet Janele. Schwarzer Rauch sei aus dem Kamin gekommen und es habe unangenehm gerochen.

Die wichtigste Frage: “Wo hat Janele das her?”

War bestens vorbereitet und mit Informationen versorgt worden: Stadtrat Christian Janele. Foto: Archiv/ Staudinger

Aufgeklärt werden soll nun aber nicht, warum der Stadtrat nicht darüber informiert wurde, das solche, aus der Vergangenheit bereits bekannten Probleme nach wie vor bestehen oder ob es tatsächlich bis zu zwei Havarien pro Woche gibt. Maltz-Schwarzfischer und Eckert wollen den Namen des Mitarbeiters wissen, von dem Janele diese Informationen hat. Denn während die Frage nach dem Havarien im Verlauf der Diskussion untergeht und weder von der Stadtverwaltung noch von dem Ingenieur Dr. Martin Berz beantwortet wird, werden die von Janele vorgelegten Unterlagen zu den CO-Überschreitungen nach anfänglichem Ausweichen nicht bestritten.

Damit ist klar: Es gibt einen Insider aus dem städtischen Krematorium, der ihn informiert hat. Und dessen Namen will man nun wissen. „Sagen Sie mir um wenn es sich handelt und bedenken Sie, dass ansonsten alle Mitarbeiter unter Generalverdacht stehen“, so Eckert empört.

Alte und neue Whistleblower

Vieles von dem, was Janele in seinem Antrag zur sofortigen Stilllegung auflistet, ist nicht neu. regensburg-digital hat über CO-Überschreitungen, Havariefälle und weitere, belegbare Missstände im Krematorium bereits mehrfach berichtet (Lesen Sie hier unsere ausführliche Recherche.). All diese Daten und Angaben stammten allerdings aus der Vergangenheit und wurden zum Teil auch durch den früheren Mitarbeiter Georg B. öffentlich gemacht. Zunächst gegenüber der Regensburger Staatsanwaltschaft, die wegen verschiedener Straftaten in Zusammenhang mit dem Krematorium ermittelt (auch gegen Georg B. selbst), später, nachdem ihm die Stadt (zunächst) fristlos gekündigt hatte, auch in einem Interview mit regensburg-digital (siehe Video).

Doch während sich die Stadt Regensburg bis zum damaligen Zeitpunkt noch erklären konnte, woher die Insider-Informationen stammen könnten, gibt es nun ein neues Leck direkt in der städtischen Anlage, von dem aus Janele offenbar gefüttert wurde. Und das, anders kann man die Wortmeldungen von Eckert und Maltz-Schwarzfischer kaum verstehen, will entdeckt und gestopft werden.

Von der Stadt beauftragter Planer druckst herum

Berz, dessen Ingenieurbüro von der Stadt mit der Planung der etwas mehr als drei Millionen Euro teuren Totalsanierung beauftragt wurde, druckst anfänglich noch etwas herum, nachdem Janele sichtlich nervös seinen detaillierten Fragenkatalog vorgetragen hat. Er habe manchmal den Eindruck, das hier von einem ganz anderen Krematorium gesprochen werde, sagt er. Die zur Totalsanierung anstehende städtische Anlage sei „ordentlich geführt“, „in einem Zustand, der üblich ist“, „sauber geputzt“ und im Grunde sei „alles tip-top“.

Erst als Janele – irgendwann scharf unterbrochen von der Bürgermeisterin – nachhakt, räumt Berz ein, dass die von Janele vorgelegten Datenblätter korrekt seien. „Ich kenne die Zahlen.“ Ja, die Toleranzschwelle bei den CO-Überschreitungen laut Bundesimmissionsschutzverordnung liege bei drei Prozent, im Regensburger Krematorium habe man nach wie vor Überschreitungen in 5,5 Prozent der Betriebsstunden. Berz:

„Aus dieser Sachlage heraus bin ich auch vom Betreiber eingebunden, um – sozusagen – mit aller Kraft mitzuwirken, dass dieser – sozusagen – Toleranzbereich auch wieder eingehalten wird.“

Mehrfache Nachfragen Janeles zur konkreten Zahl von Havariefällen bleiben unbeantwortet, stattdessen wird Berz etwas kryptisch. Das Regensburger Krematorium sei „definitiv nicht havariegefährdet“. Er habe aber „mal eine Anlage gekannt, da wurde das von Externen herbeigeführt“.

Fragen über Fragen

Diese vorsichtig vorgetragene Theorie, derzufolge Havarien absichtlich herbeigeführt worden sein sollen, war aus Verwaltungskreisen bereits in Zusammenhang mit früheren Schilderungen kolportiert worden. Damals hatte man dies mehr oder weniger dem gefeuerten Mitarbeiter Georg B. unterstellt. Das Problem bei aktuellen Fällen, wie sie Janele schildert und auch selbst beobachtet haben will: Georg B. hat seit 5. Oktober 2017 Hausverbot im Krematorium.

Gab es nun solche Fälle? Falls ja, wurden sie „von Externen“ herbeigeführt? Wie könnte das vonstatten gegangen sein? Hat ein Konkurrent des städtischen Krematoriums, in dessen Richtung es zuletzt schon Unterstellungen gab, jemanden eingeschleust? Fragen, die wohl viel mehr einer Aufklärung bedürften als jene nach dem neuen Whistleblower, der Daten zugänglich gemacht hat, die keiner Geheimhaltung bedürfen. Doch debattiert werden sie nicht.

“Sie können ruhig schlafen.”

Beruhigte die Stadträte: Wolfgang Schörnig. Foto: Archiv

Janeles Antrag zur sofortigen Stilllegung wird am Ende abgelehnt. Zwar gebe es diese Grenzwerte bei den CO-Überschreitungen, so Rudolf Gruber, Leiter des städtischen Umweltamts, das das städtische Krematorium kontrolliert. Allerdings sehe der Gesetzgeber eine Stilllegung nur bei konkreter Gesundheitsgefährdung vor und eine solche sei, das bekräftigt auch die Bürgermeisterin im Anschluss an Grubers Ausführungen, „definitiv nicht gegeben“.

Auch Rechtsreferent Dr. Wolfgang Schörnig beruhigt die Stadträte:

„Wir würden uns alle haftbar machen, wenn jemand gefährdet wird. Sie können aber ruhig schlafen.“

Und den neuen Whistleblower wird man mit dem bekundeten Aufklärungswillen irgendwann auch noch erwischen.

Print Friendly, PDF & Email

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (11)

  • Uli Habenschaden

    |

    Da stinkt irgendwem was, wenn ich mich nicht irre?

  • Mr. T

    |

    Fast wie bei der katholischen Kirche. Das Aufkommen der Mißstände ist schlimmer als die Mißstände selber.
    Wenn man denselben Eifer, den man in die Suche nach dem Whistleblower steckt, in die Behebung der Mißstände stecken würde, gäbs die wohl nicht mal mehr.

  • R.G.

    |

    Werter Herr Aigner! ; (

    Es wäre nett zu wissen, in welchem Land man so ungeniert gegen Mitarbeiter sprechen darf, wenn sie Daten über sie selbst mit schädigende negative Ereignisse an die Politiker weitergeben haben, damit diese die erwartbare Verantwortung zeigen können.

    In Deutschland sollte es derlei Druck auf das arbeitende Volk wohl nicht geben.
    Wo liegt das ferne Land?

  • R.G.

    |

    Wie hoch waren der niedrigste und die höchste Wert während einer Bypass Verbrennung, also wenn die Klappe geöffnet werden musste, weil es der Filter nicht mehr packte?

    Gab es je Immissionsmessungen ,unter andrem zu Hg im Weidelgras, in angemessener Nähe, um die Größe der tatsächlichen Umweltbelastung abzubilden?

    Wo genau am Schlot wird normal gemessen, und Triit bei einem Bypass die belastete Luft überhaupt ausschließlich am Messort vorbei aus?

  • Piedro

    |

    “Georg B. hat seit 5. Oktober 2017 Hausverbot im Krematorium.”

    Auf Lebenszeit oder darüber hinaus?

    Der Herr Ingenieur kannte also diese Werte. Damit war sie auch den städtischen Angestellten bekannt, nur von denen kann er sie erhalten haben, aber diese haben sie den “Verantwortlichen” nicht mitgeteilt. Oder die kannten die Fakten, wollten sie aber unter Verschluss halten, vor der Öffentlichkeit und dem Stadtrat. Nun hat der Stadtrat die Fakten erhalten und will deshalb den Informanten ermitteln und sanktionieren? Bravo! Nur so funktioniert Demokratie: unter Ausschluss der Wähler und der Mandatare, nach Gutdünken der Verwaltung und der Regierenden. Wer das nicht einsieht hat die Demokratie nicht verstanden. Das Wort bedeutet: das Volk beherrschen. Anderslautende Definitionen sind irreführend.

  • mkv

    |

    Was haben Krematorium und Dult seit Jahren gemeinsam?

    Ihre je unterschiedlichen Emissionen überschreiten die jeweiligen Grenzwerte?

    Die Verantwortung liegt am Ende beim Rechtsreferenten Dr. Schörnig.

    Der unternimmt den lausigen Versuch, mit einer lapidaren Behauptung vor allem die unmittelbaren Anlieger zu beruhigen. Der Kindergarten neben der Kirche. DIe Spaziergänger oben am Berg. Wie können sich die Mitglieder des Rates damit zufrieden geben?

    Der Bericht belegt, dass es bundesweit des Schutzes der Whistleblower bedarf. Und die hiesige StA sollte endlich Nägel mit Köpfen machen und die Frage der Strafbarkeit durch Unterlassen bei bestehender Verpflichtung zum Handeln stellen und den neuen wohl unstreitigen Fakten nachgehen.

    https://www.deutschlandfunk.de/gesetz-zum-schutz-von-whistleblowern-kein-rundumschutz.720.de.html?dram:article_id=416346

  • mkv

    |

    Ergänzt sei, dass laut MZ (26. 6.) die Regierung als Aufsicht tätig ist.

    https://www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/krematorium-aufsichtsbehoerde-alarmiert-21179-art1663416.html

    Was ich gar nicht verstehe: Wie kommt CSU-Rat Markus Jobst zur Ausage:
    >> Aus Sicht seiner Fraktion komme der Antrag von Janele „viel zu spät, weil es keine neuen Fakten gibt“. Deswegen werde die CSU die Forderung auch nicht unterstützen. <<

    Keine neue Fakten für 2018?

  • Lothgaßler

    |

    Das Ingenieurbüro Berz arbeitet weisungsgebunden im Auftrag der Verwaltung, kann also nicht “gutachterlich” Stellung beziehen.
    Die Stadtverwaltung kann erkennbar weder mit Misständen umgehen, noch mit Whistleblowern. Lieber spinnt man an Verschwörungstheorien, wie z.B. Sabotage durch Konkurrenten.
    Transparency International hat die Regensburger Verwaltung korrekt bewertet und deren bekundeten Aufklärungswillen als Farce erkannt und sich selber nicht als Feigenblatt zur Verfügung gestellt. Uns bleibt die Erkenntnis, dass nun mit Nachdruck die Hatz auf den Whistleblower eröffnet wird, und das von einem Personalreferenten und der den OB vertretenden Bürgerbeisterin. Tut mir leid, aber so etwas öffentlich zu tun, nachdem der Stadtrat dumm gehalten wurde und wird, diskreditiert diese Führungspersonen. Welches zwischenmenschliche Klima herrscht in dieser Verwaltung?

  • R.G.

    |

    Zur Phantasie einer Sabotage frägt der Redakteur:

    “Gab es nun solche Fälle? Falls ja, wurden sie „von Externen“ herbeigeführt? Wie könnte das vonstatten gegangen sein? Hat ein Konkurrent des städtischen Krematoriums, in dessen Richtung es zuletzt schon Unterstellungen gab, jemanden eingeschleust?”

    Ganz klar ist für mein schlichtes Gemüt, falls ein böser, von irgendwem eingeschleuster Mitarbeiter aus freier Entscheidung Abgase über den Bypass-Betrieb am vorgesehenen Filter und damit an der mutmaßlichen Messstelle vorbeigeleitet hätte, müsste es folglich in den Stunden im Umkreis von 800-1000m und eventuell im Gebäudeinnern deutliche bis dramatische Grenzwertüberschreitungen gegeben haben.

    Überhaupt wäre in der Beurteilung jede Bypass-Stunde eventuell als von den Messtellen am Schlot ganz oder teilweise nicht erfasst zu werten und müsste aus der Statistik gestrichen werden, wenn man ein ehrliches Abbild liefern möchte. Weshalb?

    Logisch gedacht geht die Luft in der Zeit möglicherweise ganz oder teilweise anderswo raus, also UNGEFILTERT und die Umweltbelastung wäre dann dort und per Luftfracht weiter weg besonders hoch, gerade deswegen (!) könnte die gemessene Belastung an der Messtelle z.B. am Schlot gleichzeitig sensationell gemindert aussehen.

    Erfahrungsgemäß sind die Auszeiten der Messinstrumente zu beachten. Passen sie mit Bypass-Betrieb oder mit Inversionswetterlagen etc. zusammen?

    Welcherlei Mess-Aufzeichnungen werden an den angesprochenen Orten nahe am und im Krematorium laufend geführt?
    Gibt es nur erhobene Emissionen oder auch Immissionsmessungen während Vollbetriebes, zu den Betreibern unbekannten Zeiten?

    Inwiefern waren die erhobenen Werte bei Anwesenheit bestimmter Mitarbeiter auffallend anders, sodass sich grobe Unterstellungen rechtfertigten? Weshalb schritt man dann nicht ein, wenn es denn Auffälligkeiten zeigte?

    Es sollte logisch sein, dass IN den Mitarbeiterräumen Messungen stattfanden, möchte man meinen. Gab es sie nicht, kann man gar keine zuverlässigen Aussagen machen.

    Was wurde und wird eigentlich alles gemessen?
    Erreicht man die geforderte Mindesttemperatur nur um wenige Grad nicht, oder bläst statt ausschließlich über den Schlot/Fang anderswo aus, könnte die Ausgasung bestimmter toxischer Stoffe wesentlich höher als erlaubt ausfallen.

  • Regensburger Bürger

    |

    A) verkerhsmessung machen wir bei einer straße mit einem Verkehrsaufkommen von 13tasuend pkw/tag….es gibt aber sehr viele straßen mit mehr als 20t und einige mit mehr als 30t/pkw am tag.
    Da werden wir doch beim krematorium auch noch eine lösung finden, damit hier die werte passen

    B) ein whistle blower. Alarm. Der zusammenhalt von verwaltung und politik wird unterlaufen. Wie soll hier noch gearbeitet werden, wenn die öffentlichlichkeit missstände erfährt. So was gemeines. Nicht dass es 2018 auch mal eine anonyme meldung zu transparency interntional gibt. Schande wenn der beispielose zusammenhalt aufgebrochen wird.

Kommentare sind deaktiviert

drin