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Im Gespräch mit Neu-Stadträtin Wiebke Richter

„Regensburg hat endlich einen Rolli im Stadtrat verdient.“

Mit Wiebke Richter bekommt Regensburg seine erste Stadträtin im Rollstuhl. Der Grünen-Politikerin geht es um mehr als das Thema Inklusion. Dennoch müsse sie gerade hier eine Vorbildfunktion einnehmen.

“Manchmal muss man eben beharrlich bleiben.” Wiebke Richter.   Quelle: Die Grünen

„Ich habe das Gefühl, dass ich schon immer eine Art Vorreiterrolle eingenommen habe“, sagt Wiebke Richter. „Zum Glück habe ich immer das nötige Selbstbewusstsein gehabt, um mich einzumischen und in wichtigen Situationen durchzusetzen.“ Nicht selten werde sie zu Terminen geladen, die aber an Orten stattfinden, die nicht barrierefrei sind. „Ich bestehe in solchen Momenten darauf, dass ein geeigneter Ort gefunden wird. Auch wenn gelegentlich schon mal gefragt wurde, ob statt mir nicht jemand anderes kommen könne.“ Da gelte es eben beharrlich zu bleiben.

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Seit vielen Jahren ist die Rollifahrerin für die Grünen aktiv und setzt dort Akzente für eine behindertengerechte Politik. Zudem arbeitet die Diplompsychologin für die Beratungsstelle Phönix e.V. und hat hierüber unter anderem den Arbeitskreis „Frauen Inklusiv“ gegründet, mittlerweile ein wichtiges Projekt das auch von der Stadt Regensburg unterstützt wird.

„Damit wollen wir gerade auch die Belange von behinderten Frauen, die mehrfach benachteiligt sind, stärker in die Öffentlichkeit tragen“, erklärt Richter. Denn das Thema Inklusion sei natürlich ein „Querschnittthema zu vielen anderen Bereichen“. Neben dem barrierefreien Bauen und der Gestaltung der städtischen Flächen gehe es ihr, aber auch der gesamten Partei, auch um die Stärkung von Frauen.

Behinderte Menschen endlich sichtbarer machen, …

Doch viele Beratungs- und Hilfsangebote, wie etwa die Frauenhäuser, seien oft nicht zugänglich, wichtige Informationen zudem nicht in leichter Sprache vorhanden und Gebärdensprache auch leider nach wie vor Mangelware. „Das ist auch eine Form der Barreirefreiheit.“ Hier gilt es laut Richter dringend nachzubessern und vor allem von politischer Seite mehr Unterstützung anzubieten. „Die Bürgermeisterin und der bisherige Stadtrat haben schon manches bewirken können, aber vieles andere muss eben noch angegangen werden.“

Für die 51jährige geht es vor allem darum „Menschen mit Behinderungen in der Stadt endlich sichtbarer zu machen“. Denn bisher gelte etwa bei vielen Geschäftsleuten das Motto: „Behinderte Menschen kommen ja eh nicht, wieso sollte man dann etwas ändern.“ Die Folge: „Viele lassen sich genau davon verunsichern, bleiben dann meist zuhause und geben so der allgemeinen Meinung letztlich nach.“ Das sei jedoch “gerade der falsche Weg” und verfestige die bestehenden Bilder.

Barrieren in den Köpfen abbauen …

Um Mitleid geht es Richter dabei nicht. „Die Geschäfte sollten vielmehr aus Eigennutz tätig werden.“ Immerhin haben in Regensburg rund 14 Prozent der hier lebenden Menschen eine Behinderung. „Das ist verlorene Kundschaft und damit verlorenes Geld.“ Um diese Menschen in der Gesellschaft präsenter werden zu lassen, möchte Richter auch mit dem Inklusionsbeauftragten der Stadt künftig noch enger zusammenarbeiten. „Ich freue mich schon, dass ich bald im Stadtrat bin und mit Herrn Reinel dann noch enger zusammenarbeiten kann. Das hilft ihm natürlich auch in gewissen Punkten weiter.“

Doch Richter, die auch in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, weiß, dass die Stadt in manchen Bereichen kaum Zugriffsrechte hat. „Das wichtigste beim Thema Inklusion ist eigentlich die Bildung. Wenn Kinder von klein auf zusammen aufwachsen, dann heben sich die Barrieren in den Köpfen der Menschen fast von selbst auf“, ist sie sich sicher. Da stehe vor allem die Landesregierung in der Verantwortung. „In Regensburg können wir da eher über die Sportvereine und andere außerschulische Angebote aktiv werden.“

… und eine vernünftige Klimapolitik

Als langjähriges Grünen-Mitglied gehe es ihr am Ende stets darum, eine lebenswerte Zukunft für alle zu gewährleisten. „Natürlich werde ich mich nicht nur um die Themen Inklusion und Barrierefreiheit bemühen“, betont sie. Denn für eine Generationengerechtigkeit müsse es eine vernünftige Klimapolitik geben, die auch von den jungen Leuten mitgetragen wird. „Wir Grünen stehen dazu, dass der jüngeren Generation eine entscheidende Rolle zukommen muss. Deshalb haben wir auch beschlossen, dass neben den beiden amtierenden Stadträten Jürgen Mistol und Maria Simon, den beiden Kreisverbandsvorsitzenden Stephan Christoph und Theresa Eberlein auch die zwei gewählten Stadträte der Grünen Jugend Anna Hopfe und Daniel Gaittet bei den bevorstehenden Koalitionsgesprächen mit den anderen Parteien am Tisch sitzen werden.“

Für die Grünen ein tolles Ergebnis, trotz Wehrmutstropfen

Das Ergebnis von 21 Prozent bewertet Richter selbst als einen tollen Erfolg. „Wir waren im Vorfeld vorsichtig optimistisch und jetzt freut es uns natürlich, dass wir das geschafft haben.“ Lediglich das Ergebnis des eigenen OB-Kandidaten stimme sie etwas traurig. „Da hatte ich mir mehr erhofft.“ Den Wahlabend selbst verbrachte Richter vorsichtshalber zuhause und verfolgte zusammen mit ihrer Parteifreundin Monir Shahedi, die ebenfalls in den Stadtrat gewählt wurde, die Berichterstattung. Natürlich mit ausreichend Abstand, versichert Richter. „Die Wahlparty hat mir schon gefehlt. Das war früher im Leeren Beutel immer ein tolles Gefühl und auch nett, sich mit den anderen Parteien über die Ergebnisse auszutauschen.“

Barrierefreie öffentliche Räume, besser zugängliche Hilfestellen für Frauen mit Behinderung, Menschen mit Behinderungen insgesamt im städtischen Alltag sichtbarer machen und natürlich das Klima retten. Wiebke Richter hat sich viel vorgenommen. „Ich denke Regensburg hat endlich einen Rolli im Stadtrat verdient.“  Dafür sei sie bereit auch eine gewisse Vorreiterrolle einzunehmen und die kommenden Jahre zusammen mit ihren Parteikolleginnen und Kollegen eine gute Arbeit zu leisten.

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Kommentare (5)

  • Stadtamhoferer

    |

    Regensburg hat wirklich einen Roli im Stadtrat verdient. Nachdem ich Frau Richter bereits persönlich kennenlernen durfte und ich sie als sehr engangierte Beraterin erlebt habe, kann ich sagen, sie ist ein Gewinn für den Stadtrat, denn bei vielen Stellen ist der Gedanke der Inklusion nicht oder nur wenig feststellbar. Vielleicht fehlt es ja nur ab und zu einem “Anstupsen” bei den Verantwortlichen, aber erstaunlich sind die Hürden und Barrieren in der Stadt doch.

  • Samson

    |

    @SA
    Dem ist nichts hinzuzufügen!

  • R.G.

    |

    Liebe Frau mit Rolli im Rolli, ich freue mich über den Beitrag.

  • Knapp Daneben

    |

    „Regensburg hat endlich einen Rolli im Stadtrat verdient.“
    Die Überschrift ist sehr irritierend. Wird hiermit der Stadtrat oder Regensburg angesprochen? Wann sind wir endlich soweit,dass dies keines Artikels mehr bedarf.

  • Mr. T.

    |

    Ja, es sollte eigentlich kein Thema sein, ob ein Mitglied des Stadtrats eine Brille aufhat, im Rollstuhl sitzt oder ein Hörgerät braucht. Aber so lange Menschen mit gewissen Einschränkungen in solchen Gremien immer noch stark unterrepräsentiert sind, tragen Berichte wie dieser hoffentlich zur langsamen Verbeserung der Situation bei. Ich hoffe, es geht langsam voran und irgendwann sitzt eine Person mit Down-Syndrom im Stadtrat. So ein Mensch hat immer noch genug Talente, um sich positiv einzubringen. Menschen ohne offensichtliche Einschränkungen haben auch genug Einschränkungen, die vielleicht nicht gleich auf den ersten Blick auffallen.

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