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Kommentar

Smart sein bedeutet smart sein

Zu den dringlichen Angelegenheiten, mit denen sich der Stadtrat am 2. April in der Notbesetzung des Ferienausschusses befassen soll, gehört auch die „Rahmenstrategie für Smart City Regensburg (SCR)“. Doch das achtseitige Papier ist weder dringlich noch sinnvoll. Es ist einfach nur peinlich.

Schon gewusst?

„Smart sein, also klug sein, heißt hier sowohl den analogen als auch den digitalen Raum im Auge zu behalten.“

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Und:

„’Artificial Intelligence’, also ‘Künstliche Intelligenz’ wird heute oft anders, nämlich als ‘Extended Intelligence’, somit als Ausweitung und Hilfe für den Menschen und nicht als Ersatz seiner intellektuellen Leistungen bezeichnet.“

Strategiepapiere von unterschiedlicher Güte

Lesen kann man diese und viele weitere Erkenntnisse in der „Smart-City-Rahmenstrategie“ der Stadt Regensburg (hier nachzulesen). Die soll am 2. April vom Stadtrat beschlossen werden. Der trifft sich an diesem Tag in der Notbesetzung des Ferienausschusses, um im Angesicht der Corona-Krise all das zu beschließen und zu debattieren, was wirklich dringlich ist und auf den Weg gebracht werden muss. Und dazu scheint eben auch diese “Rahmenstrategie für Smart City Regensburg (SCR)” zu gehören.

Es gibt schon einige Städte, die sich solche Konzepte gegeben haben. Mal mehr, mal weniger konkret. Um es gleich vorweg zu nehmen: Das achtseitige Regensburger Papier, das, so heißt es in der Verwaltungsvorlage, „nach umfangreichen Recherchen, Informationsgesprächen/-besuchen und Veranstaltungen zum Thema Smart City“ unter Regie von Bürgermeister Jürgen Huber entwickelt wurde, gehört zu den letzteren.

Binsen statt Datenschutz, Festival statt Kompetenz

Binse folgt auf Binse. Inhaltsleeres Satzungetüm auf inhaltsleeres Satzungetüm. Konkretes sucht man weitgehend vergeblich. Abgesehen von einem „Digitalfestival“, das einmal jährlich irgendwie alle „zusammenbringen“ soll. Abgesehen von einem Beirat, „Center of Competence“ genannt, in dem mindestens 35 Mitglieder, mehrheitlich aus Stadtverwaltung, städtischen Tochtergesellschaften und Privatwirtschaft sitzen sollen, versehen mit etwas zivilgesellschaftlicher Deko. Den Chaos Computer Club oder Vertreter von „Binary Kitchen“, Leute also, die sich tatsächlich mit dem Thema Digitalisierung auskennen, sind dagegen nicht vorgesehen.

Begriffe wie „Datenschutz“ oder „Transparenz“ finden sich in dem Papier nicht. Dafür ist davon die Rede, dass Regensburg ein „Open Source-Projekt“ sei, dass sich „in Auseinandersetzung mit aktuellen Prozessen des Kulturwandels stetig weiter“ entwickeln würde. Was das genau heißen soll, wird nicht erklärt. Aber Hauptsache:

„’Made in Regensburg’ als Etikett für digitale, zukunftsfähige Entwicklungen, Produkte und Dienstleistungen wird in der weiter zu führenden Cluster- und Wirtschaftsförderung einen guten ‘Klang“ haben.“

Visionen von Mobilität, Resilienz und Bundesliga

Am Ende – als Höhepunkt sozusagen – und wohl auch, um zu erklären, worauf all das hinauslaufen soll, damit es auch ja niemand überliest in Fettdruck, wird eine Vision der „Smart City Regensburg 2050“ entworfen. Eine utopische Erzählung, die mit dem vorhergehenden „Strategien“ vermutlich irgendwie zu tun haben soll. Ein paar Auszüge:

„Im Jahr 2050 ist Regensburg eine lebendige und weiter gewachsene, im globalen Maßstab aber kleine Großstadt (mit über 200.000 Einwohnern). 2050 hat Regensburg höchste Lebensqualität, weiterhin vielfach kurze Wege und zählt damit zu den attraktivsten Städten Deutschlands. (…)

Dazu gehört ebenfalls die hohe Qualität der öffentlichen (analogen) Räume. Der nachhaltig ausgebaute digitalisierte Bildungsstandort für alle Menschen in der Stadt, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft, schafft es gut, lebenslanges Lernen in einer sich weiterhin rapide verändernden Welt sicher zu stellen und diese Änderungen nicht als Bedrohung erscheinen zu lassen.

Mobilität ist 2050 smart, abgasfrei und modular auf verschiedenen Mobilitätsträgern gewährleistet und finanziert. (…)

Von Regensburg gehen immer wieder Impulse in eine weltweit arbeitsteilige Gesellschaft aus, für die es selbstverständlich geworden ist, die grüne Umwelt zu pflegen und Lebensqualität in allen Facetten zu erhalten oder noch zu steigern. Nicht nur kulturelle, auch berufliche Selbstentfaltung und Partizipation können in einer friedfertigen Gesellschaft des sozialen Ausgleichs gelebt werden. Cyber- wie auch Klima-Resilienz ist groß geschrieben, wie auch die Sicherheit und Integrität der Bewohner und Bewohnerinnen im analogen Raum. (…)

Die Frauen des Jahn Regensburg spielen seit Jahren in der ersten Bundesliga. Regensburg ist 2050 eine offene Stadt für alle, egal wie lange sie schon hier zuhause sind.“

Es geht auch anders

Dass man solche Papiere auch mit weniger pseudointellektuellem Geschwurbel, sondern auch sehr konkret fassen kann, beweist die Stadt Kiel. Auch hier braucht man nur acht Seiten, um den Bürgerinnen und Bürgern eine „Digitale Strategie“ für die Zukunft nahe zu bringen (hier nachzulesen).

Im Gegensatz zum Regensburger Papier werden aber hier zunächst abstrakt Ziele definiert, dann konkrete Projekte genannt, an denen diese Ziele erprobt werden sollen, und ganz nebenbei werden Begriffe wie „Open Source“ und „Open Data“ hier so erklärt, als wüssten die Verfasser wovon sie reden.

Die Urheber des Regensburger Papiers scheinen dafür nicht smart, also nicht klug genug, gewesen zu sein.

Ein peinliches und nutzloses Papier

Vielleicht war es aber auch Absicht, das Papier derart nichtssagend zu halten, um am Ende alles, was man irgendwann irgendwie durch- und umsetzen will, damit rechtfertigen zu können. Vielleicht will sich hier jemand aber auch noch kurz vor Ende der laufenden Stadtratsperiode ein Denkmal setzen, und peitscht deshalb ein derart peinliches und nutzloses Papier noch schnell durch den Ferienausschuss.

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Kommentare (11)

  • Ein wähler

    |

    Kann man das Ding noch irgendwie stoppen?

  • Stefan Aigner

    |

    @ein wähler

    Die Stadträte können es am 2. April ablehnen. Oder es wird von der Tagesordnung genommen.

  • Lothgaßler

    |

    Ist doch schön: Wenns nicht zu konkret wird, dann können es alle mittragen. Zudem darf die Schaffung von Beiräten nicht unterschätzt werden: Wer drinn ist, der in ist. Und mit einem Festival-Versprechen sichert man sich die Gunst der Hotelbetreiber und der Wirte.
    Eine SmartCity braucht eigentlich auch eine smarte Stadtverwaltung, so ganz unbestechlich durch Artificial Intelligence: Vorgegebene Regeln abarbeiten, dabei ist Technik unschlagbar. Dazu smarte Rechnungsprüfung, smarte Vergabe, smarte Grundstücksbewertung, smarte Rechtsberatung amtsintern … Obs dann noch einen analogen OB, BM oder Referenten braucht? Dank Abstimmungs- und Meinungsfindungsplattformen werden dann auch Formen der direkten Demokratie gestärkt und so manche Stadtratsitzung wird überflüssig, Parteien und Fraktionen werden bedeutungslos, Briefwahlen gibts nicht mehr und ..ich werde meinen digitalen immerjungen Avatar abstimmen lassen, selber kann ich das mit meinen 90-100 Jahren leider nicht mehr. Ach ja, was für Visionen!
    Etwas enttäuscht bin ich, dass der SSV Jahn im Jahr 2050 immer noch nicht Deutscher Meister im eSoccer ist/ sein soll, dass er das analog nicht wird ist eh klar.

  • R.G.

    |

    Regt euch nicht auf, das wird nur der vorbereitete getarnte Text zur Verleihung eines goldenen Ehrenzeichens an an den scheidenden Oberbürgermeister sein.

    Smart wie er ist…

  • Dieter

    |

    Ja, das liest sich in weiten Teilen bizarr und/oder durchschaubar.
    Ich hätte eigentlich noch in jedem Absatz die berühmte Nachhaltigkeit erwartet, aber vielleicht liegt diese mitterweile schon auf dem Phrasenfriedhof?

    Statt an künstlicher sollte man vielleicht erstmal an natürlicher Intelligenz arbeiten.

  • Jonas Wihr

    |

    R.G. – Nö, das soll viel eher Jürgen Hubers Vermächtnis sein. Was hat er denn zuwege gebacht in seinen sechs Jahren Amtszeit? Gut, die Krankheit hat ihn sicher zurückgeworfen, aber grüne und zukunftsweisende Themen gesetzt hat er nicht. Im Gegegnteil. Dieses unsinnige Smart-City-Paper klingt halt toll. Ein paar angesagte Fremdwörter drin, schon hält sich Huber für einen Vordenker.

  • Bernd

    |

    Konzeptlos, mutlos, orientierungslos, ohne Ambitionen. Einen Zeithorizont bis 2050 gibt man sich. Man will auch explizit kein eigenes Digitalamt schaffen, was vielleicht auch besser so ist, denn dem hätte man ja auch keine Kompetenzen verschafft. Da will man also schon im Vorfeld den bestehenden Strukturen nicht auf die Füße treten. Stattdessen alles und jeden in einen Rat einbinden, da kommt was dabei raus! Die übliche folgenlose Teilhabe.

    Digitalisierung lebt auch von Daten: Wo sind die denn? Und wenn es sie gäbe, dürfte sie jeder benutzen und mit ihnen arbeiten? Nichts gibts! Seit 20 Jahren nicht! Keinen Konsens über freigiebige Lizenzen. Keine öffentlich verfügbaren Open-Data-Schnittstellen: Keine Echtzeitdaten der Verkehrsbetriebe, keine Daten aus dem sensorischen- und Messbereich (Luftqualität, Verkehrsbelastung etc), keine maschinenlesbaren Statistiken der Stadt, nichts gibts zur freien Verfügung! So kann man Innovationen und den Erfindungsreichtum der Bürger*innen auch abwürgen! Oder eine Liste mit anderen Projekten aus den verschiedensten Städten, die man sich als Vorbild nimmt, denen man nacheifern wollte, warum nicht mal sowas?

    Gibt es einen Rahmenvertrag für alle Anbieter von Transportfahrzeugen, so etwas wie die General Bikeshare Feed Specification (https://github.com/NABSA/gbfs) oder die
    Mobility Data Specification (https://github.com/openmobilityfoundation/mobility-data-specification) zu unterstützen? Lauter vertane Chancen! Aber für hunderte Millionen eine Stadtbahn planen, damit man später ein fahrendes Museum hat, wenn in 15 Jahren wirklich alles autonom fährt.

    Setzt man irgendwo an, wo es wehtut? Z.B. die Stadtverwaltung auf freie Software umzustellen, um mittelfristig überhaupt der Souverän über seine Digitalisierung zu sein, statt völlig abhängig von Lizenzbedingungen und -kosten? Nein, natürlich nicht! US-Amerikanische Monopolsoftware ist die Zukunft!

    Und zuletzt: Welche der Regensburger Parteien hat denn überhaupt nennenswerte Kompetenz und Visionen in diesem Bereich, so dass man die Themen nicht der Verwaltung und einem oder zwei Ämtern überlassen muss?

  • JB

    |

    Danke an RD die Schwachstellen des Papiers offen zu legen. Es ist wieder mal ein Dokument in dem viele Visionen beschrieben werden, de facto aber anders gehandelt wird.
    Im Jahr 2050 wird es -bei Fortschreibung der jetzigen Entwicklung – kein Grün in Regensburg geben um Naherholung zu ermöglichen und die Stadt wird im Verkehr ersticken.
    Wer bei einigen der Smart City Veranstaltungen war, hat dies deutlich gesehen.

    Bleibt zu hoffen, dass der neue Stadtrat inkl BürgermeisterInnen das Papier mit konkreten Inhalten ausfüllt. Dem jetzigen traue ich nicht zu, das Papier dorthin zu verweisen wo es hingeöhrt -> in die Tonne.

  • Mr. B.

    |

    Ich glaube nicht, dass wir gerade jetzt sowas “Gescheites” brauchen.
    Und…..schon gar nicht von einem BM, der m. M. nach niemals “grün” war.

    Ich glaube, dass es in dieser genannten Sitzung dringlichere Sachen zu besprechen gibt!
    Hierzu kann sich jeder selber einen Reim darauf machen.

  • EsGrüntSoGrün,Wenn...

    |

    … ein adaptives Verkehrsleitsystem den Vorrang zwischen Bussen und vor MIV steuert.

    „2050 hat Regensburg … weiterhin vielfach kurze Wege …“ Dazu trägt das ÖPNV-Netz mit weiterhin wenig Umsteigebedarf bei – ohne Hierarchisierung.

  • Statdrat beschließt Vorkaufsrecht im Stadtosten » Regensburg Digital

    |

    […] nur Benedikt Suttner (ÖDP) gegen seine Leitlinien einer „Smart City Regensburg“ (SCR). Eine nahezu wortgleiche Vorlage mit dem Label „Rahmenstrategie“ war bereits im Ferienausschuss am 2. April auf der Tagesordnung, wurde von Huber aber kurzfristig […]

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