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Tag 1 im Wolbergs-Prozess

Ein Rundumschlag und eine Machtdemonstration

“Man hat meinen Mandanten vernichtet.” Rechtsanwalt Peter Witting und Joachim Wolbergs. Foto: om

Zwei Staatsanwältinnen, vier Angeklagte, elf Rechtsanwälte und ein spärlich besetzter Sitzungssaal. Zum Auftakt des Prozesses gegen Joachim Wolbergs, den Bauträger Volker Tretzel und zwei weitere Angeklagte erlebten die Zuhörer einen Rundumschlag gegen Medien und Staatsanwaltschaft und erhielten einen ersten Eindruck davon, mit welcher geballten juristischen Macht vor allem das Tretzel-Team gegen die Vorwürfe vorgehen wird.

Von Stefan Aigner und Martin Oswald

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Volker Tretzel klatscht leise Beifall. Eben hat Peter Witting seine Eröffnungsrede beendet. Eineinhalb Stunden hat der Strafverteidiger von Joachim Wolbergs gebraucht, in etwa genau so lange wie die Staatsanwaltschaft zur Verlesung der Anklage, um das „nicht schöne Bild“ zu revidieren, das in der Öffentlichkeit von seinem Mandanten entstanden sei. Eines Mannes, der keinen Abschluss habe, nichts außer der Politik und dem jedes Mittel recht gewesen sei, um Oberbürgermeister zu werden – auch Korruption.

Die Medien und der „Stimmungsmacher“ Staatsanwaltschaft

Witting macht keinen Hehl daraus, wen er für dieses Bild verantwortlich macht. Seine Rede ist in weiten Teilen ein Rundumschlag gegen Medien und Staatsanwaltschaft. Die einen hätten vorverurteilend berichtet, die anderen als „Stimmungsmacher“ fungiert. Dabei stellt Witting in den Raum, dass Ermittlungsdetails direkt von der Behörde an Medien weitergereicht worden sein könnten. Er habe bisweilen Anfragen mit Zitaten aus Akteninhalten bekommen, die ihm selbst noch nicht einmal vollständig vorgelegen seien. „Wer hat das wohl durchgestochen?“

Eine zusätzliche Dynamik habe diese Berichterstattung schließlich durch den Haftbefehl genommen, der Anfang 2017 wegen des Verdachts der Verdunkelungsgefahr gegen Wolbergs erlassen wurde. „Warum ein Haftrichter das unterschreibt, verstehe ich nicht“, ruft Witting fast schon in den Raum, um anschließend die damaligen Gründe für dessen Erlass auseinanderzunehmen und sich bei Richterin Escher dafür zu bedanken, dass sie die Haftbefehle schließlich aufgehoben hat.

„Man hat meinen Mandanten vernichtet.“

Dass die Landesanwaltschaft schließlich Wolbergs seines Amtes enthoben hat, auch dafür sei die Berichterstattung verantwortlich. Die Behörde habe sich im Wesentlichen darauf bezogen. Da müsse man sich sich fragen: „Kann es sein, dass ein gewählter Oberbürgermeister aus dem Amt entfernt wird, während ein Landtagsabgeordneter, gegen den ebenfalls ermittelt wird“ – Witting meint CSU-Chef Franz Rieger – „weiter seinen Dienst versehen darf?“

Flankiert wird Wittings Rundumschlag, der sich meist direkt an die Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Elke Escher, aber auch an den eher spärlich besetzten Zuschauerraum richtet, mit einer Reihe von Schlagzeilen und Zitaten aus diversen Medien, die er vom Rednerpult aus an die Wand projiziert. Sein Fazit: „Man hat meinen Mandanten vernichtet und das werden wir nicht mehr korrigieren können. Seine Existenz wurde zerstört.“

BGH-Rechtsprechung „lebensfremd und nicht praktikabel“

Eher am Rande geht Witting auf die tatsächlichen Vorwürfe ein. Das Zauberwort dieses Verfahrens laute „Unrechtsvereinbarung“. Und er stellt deutlich in Frage, dass eine solche nachgewiesen werden könne. Spenden an Parteien seien nicht nur legal, sondern vom Gesetzgeber ausdrücklich erwünscht, die Abgrenzung zwischen strafbarem und straffreiem Verhalten dabei „sehr diffizil“. Die letzte wichtige BGH-Entscheidung zu diesem Thema aus dem Jahr 2007, nach der bereits der „Anschein der Käuflichkeit“ ausreiche, um den Vorwurf der Vorteilsannahme, dessentwegen Wolbergs vor Gericht steht, zu begründen, sei „lebensfremd und nicht praktikabel“. Hier müsse eine neue Rechtsprechung entwickelt werden, so Wittings Appell an das Gericht.

Im Übrigen hält Witting die von Tretzel vorgenommenen Spenden – auch in der derzeit inkriminierten Form – für völlig legal. 475.000 Euro sollen es gewesen sein zwischen 2011 und 2016, aufgeteilt über ein Strohmann-System mit Einzelbeträgen unterhalb der Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro. Es hatte zuvor Minuten gedauert, als die Staatsanwältinnen Dr. Christine Ernstberger und Ingrid Wein die einzelnen Überweisungen vorgelesen haben – mit den immerselben Namen und dem immerselben Betrag von 9.900 Euro.

Doch weder die Gesamthöhe der Tretzel-Spenden, noch die Tatsache, dass das Geld von einem Bauunternehmer kam, noch dass die Grenze zur Veröffentlichung unterschritten worden sei, sei rechtlich zu beanstanden, so Witting, der von einer „Nutzung von Schlupflöchern“ in der Gesetzeslage spricht. Wolbergs habe auf Basis geltender Bestimmungen gehandelt und jede Einzelspende korrekt verbucht.

Anklage schildert die bereits bekannten Vorwürfe sehr detailliert

Wesentliche Argumente der Anklage lässt Witting dabei unberücksichtigt – es ist wohl auch nicht die Aufgabe einer Eröffnungsrede, darauf einzugehen. Doch bei der Verlesung der 24 Seiten sind zuvor mehrere Details zutage getreten, die so bislang nicht bekannt waren. Akribisch listet die Staatsanwaltschaft die Zeitpunkte und Beteiligten von Ansprachen, bei denen die Vergabe der inkriminierten Fläche des Nibelungenareals an Tretzel besprochen worden sein sollen. Das bereits erwähnte Strohmann-System, über das die Tretzel-Spenden verteilt worden sein sollen, wird nach Jahren und Personen gestaffelt aufgelistet. Auf eine Summe von rund 120.000 Euro – abseits der Spenden – beziffern die Ermittler zusätzlich geldwerte Vorteile, die Wolbergs bzw. Verwandte von ihm von Tretzels Unternehmen erhalten haben soll – Preisnachlässe bei Wohnungen, Innenausbauten, die nicht in Rechnung gestellt wurden und dergleichen.

Hat keine leichte Aufgabe vor sich: die Vorsitzende Richterin Elke Escher. Foto: om

Auch Tretzels millionenschweres Engagement beim SSV Jahn Regensburg, ein günstiger Sparkassen-Kredit für ihn, das Zusammenspiel zwischen dem früheren SPD-Fraktionschef Norbert Hartl und dem Baulöwen bei der Erstellung eines Vorentwurfs der Ausschreibung, bei der Tretzel am Ende den Zuschlag erhielt, werden von den beiden Staatsanwältinnen ausführlich erörtert. Es ist wortgleich die Anklage, die die Staatsanwaltschaft zunächst wegen des Vorwurfs der Bestechung bzw. Bestechlichkeit erhoben hatte, die aber das Gericht nur wegen des Vorwurfs der Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung zugelassen hatte, der ein deutlich geringeres Strafmaß vorsieht.

Der erste Antrag, das Verfahren einzustellen

Rechtsanwalt Dr. Markus Birkenmaier, er vertritt Franz W., ehemals führender Tretzel-Mitarbeiter und wegen Beihilfe als mutmaßlicher Architekt des inkriminierten Strohmann-Systems angeklagt, sieht durch die Verlesung der ebenselben Anklage den Grundsatz eines fairen Verfahrens verletzt. Die Schöffen würden durch die Schilderung von Vorwürfen beeinflusst, die das Gericht bei Zulassung der Anklage bereits verneint habe. Birkenmaier spricht von einem „unüberwindbaren Verfahrenshindernis“ und so folgt bereits am ersten Verhandlungstag der erste Antrag, das Verfahren einzustellen. Erfahrene Prozessbeobachter räumen diesem Ansinnen, über das die Kammer von Richterin Escher am Dienstag entscheiden wird, zwar wenig Chancen ein, aber es dürfte nicht der letzte derartige Antrag bleiben.

Den beiden Staatsanwältinnen sitzen neben den vier Angeklagten zehn Strafverteidiger gegenüber. Der 76jährige Tretzel hat neben seinen Verteidigern Dr. Florian Ufer, Tobias Pretsch und Jörg Meyer auch noch den Presserechtler Dr. Till Dunckel mitgebracht, der bereits in der Vergangenheit gegen einzelne Berichte vorgegangen ist und an dem Verfahren als Beobachter teilnimmt. Zusätzlich wurde von den Tretzel-Verteidigern ein Stenografen-Team engagiert, um den Prozess zu dokumentieren. Und die geballte Macht, mit der man gegen die Anklage vorzugehen gedenkt, macht Ufer in seiner gut einstündigen Eröffnungsrede deutlich, die den Verhandlungstag am Montag beschließt.

Tretzel-Anwälte präsentieren zahllose Gutachten

Gutachten um Gutachten lässt er dem Gericht vorlegen. Eines, um zu belegen, dass die Vergabe des Nibelungenareals an Tretzel rechtens gewesen sei, ein weiteres, das das Vorgehen von Oberbürgermeister Joachim Wolbergs als nicht zu beanstanden qualifiziert und so weiter und so weiter. Es sind bei weitem nicht die einzigen Gutachten, die Ufer am Montag einführt und immer wieder nach vorne zur Richterbank reichen lässt. Er legt dabei eine Geschwindigkeit an den Tag, bei der es schwer fällt, im Detail zu folgen. Weitere kündigt er an. Ebenso, dass man auch die Berichterstattung genau verfolgen werde. „Uns geht es darum, was man darf und was nicht. Alles andere gehört hier nicht her, auch nicht in die Presse.“ Es ist eine Machtdemonstration.

Volker Tretzel zwischen den beiden Strafverteidigern Jörg Meyer und Dr. Florian Ufer (re.). Foto: om

Weit mehr als zuvor Witting wendet Ufer sich den Zuhörern in den spärlich besetzten Reihen zu – etliche Stühle sind leer, die Journalisten in der deutlichen Überzahl. Die von Witting bereits kritisierte Berichterstattung nennt der Strafverteidiger „abartig“, auch wenn sein Mandant weitaus weniger davon betroffen gewesen sei als Wolbergs. Mehrfach stellt Ufer die Rechtsstaatlichkeit der Ermittlungen in Frage.

Wolbergs wird am Dienstag umfassend aussagen

Von Tretzel zeichnet Ufer das Bild eines finanzkräftigen Mäzens, der seiner Stadt etwas zurückgeben wollte. Ein „außerordentlich erfolgreicher“ Bauunternehmer, dessen innovative und umweltfreundlichen Projekte nicht nur durch Preise, sondern zahlreiche Dankesschreiben von Kunden belegt seien. Eine ausführliche Liste mit Spenden von Tretzel an verschiedenste Projekte legt Ufer vor und beziffert deren Gesamtvolumen auf über neun Millionen Euro. Es sei wichtig, zu wissen, mit wem man es hier zu tun habe, so Ufer.

Der Rechtsanwalt lässt deutlich durchblicken, dass man Ermittler und Staatsanwaltschaft hart rannehmen, möglicherweise auch über diesen Prozess hinaus zur Verantwortung ziehen will und dass es in diesem Verfahren noch einige Überraschungen und Anträge geben dürfte. Einen kündigt Ufer bereits für den morgigen Dienstag an: Für Ergebnisse der Telefonüberwachung werden die Tretzel-Verteidiger ein Verwertungsverbot beantragen. Doch zuvor steht die Eröffnungsrede von Joachim Wolbergs an. Er hat angekündigt, sich umfassend zu äußern.

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Kommentare (24)

  • Lutherer

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    Am langen Ende ist die rechtliche Bewertung sekundär, natürlich nur wenn man es moralisch betrachtet. Der etwas geschenkt bekommt bedenke, nichts zahlt man teurer als Geschenke.

  • Franz Neuner

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    Ich weiß zwar nicht wer recht hat oder bekommt, aber wenn ich 100000de von fremden Leuten bekomme, würden bei mir tausend Lämpchen leuchten.

  • Bürgerbegehren Korruptionsssumpf SPD/CSU

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    Das klingt nach einem Lehrstück über die Macht der Reichen: Was mit zusammengekaufter anwaltlicher Fachkompetenz und juristischen Winkelzügen sowie Medienbeeinflussung erreicht werden kann. Die MZ tanzt ja schon wieder in Reih und Glied .Gelingt es, das bisschen an Hürden einzureissen, was das Parteiengesetz mit dem Stückelungsverbot und der Bundesgerichtshof zur Vorteilsannahme gegen die Korrrumpierung auf kommunaler Ebene errichtet haben ? Wolbergs kommt mir mit seinem narzisstischen Gekränktsein da nur noch wie ein Gehilfe vor.

  • Lothgaßler

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    Wenn es wirklich dazu kommen sollte, dass wegen einer nicht vorlegbaren “Urechtsvereinbarung” alles in bester Ordnung abgelaufen sein soll, dann hat die deutsche Justiz keine passenden Waffen. Es ist weltfremd anzunehmen, dass über informelle Treffen ein Protokoll angefertigt und über “Spenden” und “Gaben” ein Vertrag abgeschlossen wird, es sei denn bei Schaidinger mit seinem “Beratervertrag”.

  • Joachim Datko

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    Bezahlt wird später!

    Zitat: “Die letzte wichtige BGH-Entscheidung zu diesem Thema aus dem Jahr 2007, nach der bereits der „Anschein der Käuflichkeit“ ausreiche, um den Vorwurf der Vorteilsannahme, dessentwegen Wolbergs vor Gericht steht, zu begründen, sei „lebensfremd und nicht praktikabel“. Hier müsse eine neue Rechtsprechung entwickelt werden, so Wittings Appell an das Gericht.”

    Der BGH hat recht, man kann z. B. auch später für Gefälligkeiten Gegenleistungen erbringen.
    Siehe: https://www.monopole.de/SPD-Energieversorger.html

  • mkv

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    R-d möge fortfahren, das Berufsverständnis von Hanns Joachim Friedrichs in die Tat umzusetzen:
    „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“

    Die User mögen das bitte unterstützen. Indem sie aufhören, jenseits von objektiv bewiesenen Fakten “herumzuspekulieren”, meinungsstark aber faktenarm.

  • mkv

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    @ Lothgaßler, bitte machen Sie sich schlau über die sog. “Unrechtsvereinbarung”. Das was Sie hier schreiben ist falsch.
    Ihre Vorstellung, die StA müsste quasi eine Urkunde vorlegen, ist unhaltbar. Ihr Beitrag erscheint unsachlich und ruft die Gefahr hervor, die Dinge unnötig zu emotionalisieren.

    Strafrechtliche Risiken im Kommunalen Kontext
    Prof. Dr. Deiters

    http://intecon.de/de/wp-content/uploads/2016/01/2-Prof-Dr-Marc-Deiters-Uni-M%C3%BCnster-Strafrechtliche-Risiken-in-Kommunalpolitik-INTECON-KommSem-2016.pdf

  • Alfred Meier

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    Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass vor dem Landgericht Regensburg kein Korruptionsskandel sondern ein Justizskandal verhandelt wird!

  • Alfred Meier

    |

    Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass vor dem Landgericht Regensburg kein Korruptionsskandal sondern ein Justizskandal verhandelt wird!

  • joey

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    @mkv
    Sie dürfen Lothgaßler von mir aus gerne mit Ihrem Fachwissen ergänzen, den scharfen Vorwurf sollten Sie aber zurücknehmen.
    Daß in den Regensburger Affären (Wolbergs ist ja nicht der einzige) Emotionen kommen, hat sicher nicht Lothgaßler verursacht.

  • Bürgerbegehren korruptionssumpf Spd/CSU

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    Mkv
    Ein ,guter Journalist’ ist für mich ein menschenfreundlicher Journalist, der in seinen darlegungen trennt zwischen Tatsachen und seiner Meinung dazu. Und der finanziell nicht diener fremder herren sein muss. Das macht rd, darum unterstütze ich rd. Der Anspruch ,drüber zu stehen erzeugt heuchler.
    Bei aller Wertschätzung Ihrer zahlreichen Hinweise und vieler Ihrer Ansichten, mkv, ich mag Klugscheisserei nicht, die anderen ihre Meinung untersagen möchte, weil sie ihnen unfundiert erscheint. Ein Forum lebt von der Reibung, und man kann sich hier auch mal erhitzen- und spätestens wieder ernüchtern, wenn aigner die diskussion schliesst.

  • R.G.

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    Verstehe ich das richtig, dass nicht die Angeklagten möglicherweise Fehler begangen hätten, sondern der Staat, weil er weltfremde Gesetze oder zu enge Auslegungen abgeliefert habe?
    DAS möge dieser Prozess hervorbringen?

    Zitat aus dem Artikel:
    ” Die letzte wichtige BGH-Entscheidung zu diesem Thema aus dem Jahr 2007, nach der bereits der „Anschein der Käuflichkeit“ ausreiche, um den Vorwurf der Vorteilsannahme, dessentwegen Wolbergs vor Gericht steht, zu begründen, sei „lebensfremd und nicht praktikabel“. Hier müsse eine neue Rechtsprechung entwickelt werden, so Wittings Appell an das Gericht.

    Angenommen, ich fände einige Gesetze lebensfremd. Müssten sie deshalb weg?

    Die Logik kann man weiterspinnen.
    Ich erwischte gute Freunde, als ich sehr leise aus der Toilette kam, wie sie mit Gummihandschuhen in meinen Laden kramten. Erwischt, nannten sie mich allerhand Ordinäres; meine Herkunft schien ihnen plötzlich zu fremd. Ich sollte da ohnehin nicht leben dürfen.
    Muss ich deshalb weg?

    Alles fort, was Grenzen setzt?

  • Meier T.

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    Erst mal ein Dankeschön an Herr Aigner für die ausführliche Berichterstattung und viel Durchhaltevermögen in den nächsten Wochen!
    Zu dem Prozess und die Medienschelte fällt mir spontan der Satz ein “die Geister die ich rief”. Die Medien haben ihn schon auch zum OB gemacht.Sie waren ein Teil der Erfolgsgeschichte. Sie waren aus meiner Sicht manchmal sogar zu unkritisch. Aber es gibt auch eine Schattenseiten, so wie sie Hr. Wolbergs eben auch kennengelernt hat. Man kann sich halt nicht nur das positive raus suchen. Es gibt genügend prominentere Beispiele dazu. Nicht schön für ihn und die Familie, aber ist so. Ob es richtig ist, die Frage stellt sich.
    Und was die Zuhörer anbelangt. Herr W. beschwert sich ständig über die Presse und die einseitige Berichterstattung. Ich finde dafür hat er sich deren in den letzten Wochen aber trotzdem sehr regelmässig bedient. Letztendlich muss ich persönlich in keine Gerichtsverhandlung gehen. Was soll ich da neues erfahren, ausser dass Herr Wolbergs sich für absolut unschuldig hält und er das Opfer ist und das hat er in den letzten Wochen oft genug in Interviews wiederholt.

  • Lothgaßler

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    @mkv:
    nun las ich die verlinkte Präsentation und auf Seite 17 steht zur “Unrechtsvereinbarung” u.a. und sinngemäß:
    -> auch stillschweigend zustandegekommen: das lässt sich sehr schwer nachweisen (genauso wie informelle Treffen), dazu muss dann wohl das “konkludente Handeln” erkennbar werden. Wobei dieses Erkennen einer konkludenten Handlung durchaus der Kritik der fehlenden Objektivität ausgesetzt sein dürfte.
    -> Äquivalent zwischen Geben und Nehmen: auch das kann verschleiert werden, schlicht durch teilen der Summe und strecken über die Zeit und Einbeziehung Dritter. Das gibt viel Spielraum für Interpretationen und ist somit ebenfalls nur bedingt für eine “objektive” Betrachtung geeignet.
    => Fazit: Eine “Unrechtsvereinbarung” (im obigen Beitrag hat das RA Wittig ins Spiel gebracht) ausreichen nachzuweisen (von mir aus auch über Indizien) wird schwer, es sei denn die unrechten Handelnden haben entsprechend Papier produziert. Von daher sehe ich in der U-Haft wg. Gefahr der Verdunklung/Verschleierung durchaus sinnvolles Handeln.
    Falls die die Dinge unnötig emotionalisiert werden, weil ich zarte Kritik an Rechtsanwälten (das was sie einbringen, wie RA Wittig) und Rechtsauffassungen bzw. Rechtsauslegungen übe, dann soll es so sein. Ich bin keinesfalls der Meinung, dass man Juristen mit der Rechtsdeutung unbeaufsichtigt lassen sollte, und manchmal müssen auch Rechtsgrundsätze überdacht werden (z.B. Beweislastumkehr), darüber muss dann nicht nur in Juristenkreisen gesprochen werden.
    Aber das ist ein anderes Themenfeld: Lassen wir das, der Prozess gibt genug für Kommentare her.

  • Robert

    |

    Wieso darf der Verteidiger eigentlich so emotional argumentieren? Ist doch für den Ausgang unerheblich ob er vorverurteilt wurde oder nicht? Selbst wenn es so wäre, kann das doch nichts an dem Urteil ändern? Klärt mich mal wer auf?

    Oder sind wir schon in den USA angelangt, wo man nur noch die Geschworenen überzeugen muss, egal was im Strafgesetzbuch steht?

  • Giesinger

    |

    Was soll man davon halten?

    “Ebenso, dass man auch die Berichterstattung genau verfolgen werde. „Uns geht es darum, was man darf und was nicht. Alles andere gehört hier nicht her, auch nicht in die Presse.“

    Haut da jemand auf die Pauke? Muß Herr Stefan Aigner Angst haben?

  • mkv

    |

    Anders als beim einfachen Tatbestand des Diebstahls, hier:

    Weite Auslegung der Korruptionsparagraphen durch den BGH bei fehlender Trennschärfe/Konturen bestimmt die Verteidigungsstratie, @ R.G.

    Es ist keine Seltenheit, dass Obergerichte eine Rechtsprechung aufgeben, oder diese für die Zukunft enger fassen. Darauf arbeitet Wolbergs Verteidigung u.a. hin. Hierin liegt bereits die erste Andeutung der ggf. einzulegenden Revision zum BGH, damit dieser seine Rechtsprechung überdenkt und enger fasst.

    Ihre trefflichen Ausführungen mögen Sie auch zu dem obigen LINK (Prof. Deiters) führen, wo auf Seiten 17 bis 26 alles Wichtige auch für den Regensburger Prozess in Kurzform steht, auch woraus sich eine “Unrechtsvereinbarung” ergibt, welche Umstände und Indizien sie ausmachen. Die Ausführungen des Professors erhellen auch die Causa in R.

    BGH, Urteil vom 14.10.2008 – 1 StR 260/08
    Der Senat ist sich bewusst, dass das Merkmal der Unrechtsvereinbarung nach der hier
    vorgenommenen Auslegung im Randbereich kaum trennscharfe Konturen
    aufweist; dies kann zu Beweisschwierigkeiten führen und räumt dem Tatrichter eine
    beträchtliche Entscheidungsmacht ein.

    Aus diesem Satz des BGH erklärt sich m.E. auch, warum das Gericht die Anklage in Bezug auf Bestechlichkeit (zunächst) nicht zugelassen hat (Eröffnungsbeschluss).

    Die SZ schilderte gestern, wie Verteidiger Ufer Ausführungen machte: “aus dem bisher nicht veröffentlichten Eröffnungsbeschluss: Das Gericht habe erklärt, dass es an einer Unrechtsvereinbarung zwischen Wolbergs und Tretzel fehle. Und auch relevante Indizien dafür, dass Wolbergs bestechlich sei, ließen sich vermutlich nicht nachweisen. Alles Sätze aus dem Beschluss des Gerichts, genauso wie dieser: Die Vergabe des Nibelungenareals durch den Stadtrat an Tretzel sei nachvollziehbar und sachgerecht.”

    Das ist aber der Stand zur Zeit des Eröffnungsbeschlussses, Entscheidung nach Aktenlage. Ein Urteil dagegen wird ergehen auf der Grundlage der Hauptverhandlung, der Zeugenaussagen, der Gutachten, Gegengutachten etc. – Ausgang offen.

  • Bertl

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    Ein Angeklagter bedroht während seiner Aussage in dieser die Staatsanwältin mit einer Klage, wenn er in der Sparkasse noch etwas zu sagen hätte. Was soll man davon halten? Also mir stellt sich die Frage nach der geistigen Gesundheit oder ist das der Auftritt eines Felix Krull? Oder ist es die Folge von Verhaltensratschlägen der Vereidiger?
    Jedenfalls hat sich W. nach meiner Ansicht damit geschadet.

  • mkv

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    @Bertl, verraten Sie uns bitte, was Sie mit Ihrem ersten Satz ausdrücken wollen? Vielen Dank.

  • R.G.

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    Zum Zitat im Artikel:
    “Eines Mannes, der keinen Abschluss habe, nichts außer der Politik”

    Weshalb sollte das nicht bemerkt werden, falls er vor dem Abschluss in die Politik gegangen wäre?
    Ein neutrales Merkmal einer Biographie.

    Sollte die Erwähnung eventueller lebensgeschichtlicher Details von Politikern grundsätzlich verboten werden, wäre es klug Heiligengeschichten nach der Art vorrätig zu halten: X., ein Sohn des Sonnengotts, fiel als Erlöser der Stadt Y. von Himmel. Ob seiner hohen Herkunft war bereits die Erwähnung einer menschlichen Herkunft strafbar…

    Ich fürchte, die von den Volksführern der Leistungsweltordnung (“Leister müssen belohnt, Nichtleister durch Sanktionen zur Leistung getrieben werden”) eingeführten sprachlichen Muster zur Brandmarkung, kehren inzwischen wie ein Bumerang in die gehobene Urprungsgesellschaft zurück.

    Man darf sich als Betroffener traurig fragen, weshalb man nicht mehr in der grundsätzlichen Würde wahrgenommen wird, wenn man für vermutlich kurz aus der sicheren Position fällt; der vermisste Grundrespekt ist durch Rede- und Denkverbote aber auf keinen Fall wieder zu erhalten.

    Das Volk wählte Oberbürgermeister Wolbergs mit Mehrheit, weil es darauf vertraute, dass sein scheinbar zugewandtes Wesen mehr als ein Werbegag sei. Aus seiner Nähe zu jedermann, werde von ihm gute Politik für alle entwickelt, meinte man.

    Eltern werden im Normalfall, wenn sie ihrer Meinung nach unschudig angeklagt wurden, den Ärger über das Unrecht nicht in Kälte gegen die Kinder umwandeln. Gleiches erwartet man sich vom Chef den Untergebenen, und einem Politiker den Bürgern gegenüber.

  • Ex Regensburger

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    Nun, um mal einige Kritiker gegen mich aufzubringen: Wenn ein Geldiger in einem Gemeinwesen gut verdient u. reich wird, dann finde ich es OK, wenn er – im rechtlich sauberen Rahmen – SPENDET. Daraus zu konstruieren, dass bestochen wird… ich weiß nicht so recht. Mag mir nicht ganz einleuchten. Dann muß man rechtlich die Spendenhöhe begrenzen (da werden die Parteien aufheulen). Hat sich jemand großartig aufgeregt, als Mr. Tretzel den Jahn aus der Misere geholfen hat? Wohl kaum. Und Parteienspenden sind nunmal ganz normal u. rechtlich ok.
    Ob Wolbergs privat profitiert hat, was nicht ok wäre, wird der Prozess wohl zeigen. Das Ganze kann auch ausgehen wie der Prozess gegen Bundespräsident Wulff. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass fast alle Vorwürfe strafrechtlich bedeutungslos waren. Dabei wurden einige Millionen verpulvert. Wie war das mit dem Hornberger Schießen?

  • Robert

    |

    @EX-Regensburger: Darf er doch! Er hätte auch 1 MRD € spenden dürfen. Nur muss er das öffentlich tun. Dann wär vielleicht auch die Argumentationsbasis für Herrn Wolbergs einfacher, wenn es nicht gestückelt gekommen wäre. Aber eventuell wäre er dann nicht gewählt worden.

  • Dieter

    |

    @Robert:
    “Aber eventuell wäre er dann nicht gewählt worden.”

    Sehe ich auch so.
    Falls öffentlich geworden wäre, dass die Immobranche in diesem Ausmaß gespendet hat, wäre auch ein anderer Wahlausgang denkbar gewesen. Oder man hätte von vornherein bei bestimmten Grundstücksentscheidungen genauer hingesehen.

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drin