Nach Niederlage vor dem Arbeitsgericht Regensburg: IKEA fährt weitere Geschütze gegen Betriebsrat auf
Der Möbelkonzern legt Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Regensburg ein. Ein weiterer Rechtsstreit zeigt: Es scheint nicht um die Sache zu gehen, sondern darum, einen allzu eifrigen Betriebsrat loszuwerden.
Es war ein Abfuhr auf ganzer Linie, die das Arbeitsgericht Regensburg dem Möbelriesen IKEA Mitte Juli erteilte. Im Bestreben, den Betriebsrat Ludwig Doblinger loszuwerden, hatte das Regensburger Einrichtungshaus schwere Geschütze aufgefahren. „Spesenbetrug“ und Arbeitszeitbetrug“ ließ man dem langjährigen Betriebsrat über die bekannte Hamburger Arbeitgeberkanzlei Jacobsen + Confurius vorwerfen.
Wegen angeblich zu viel abgerechneter Spesen in Höhe von 33 Euro bei einem dreitägigen Treffen des Gesamtbetriebsrats für Deutschland in Fulda und vermeintlicher Unstimmigkeiten bei den Kaffeepausen wollte IKEA Doblinger fristlos kündigen. Doch das Betriebsratsgremium verweigerte seine Zustimmung. So zog IKEA vor das Arbeitsgericht Regensburg und unterlag dort auf ganzer Linie.
Klage inhaltlich und formal abgewiesen
In seinem Beschluss vom 10. Juli wies die dritte Kammer unter Vorsitz von Richterin Sarah-Maria Sterflinger sämtliche Anträge des Möbelkonzerns sowohl formal als auch inhaltlich zurück. Demnach wurden weder die Fristen eingehalten, noch wurde der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. Auch habe sich Doblinger keinen groben Pflichtverstoß zuschulden kommen lassen.
Doch IKEA gibt nicht klein bei. Nun hat man einen Tage vor Ablauf der Frist – bislang ohne Begründung – Beschwerde beim Landesarbeitsgericht gegen die Regensburger Entscheidung eingelegt.
IKEA hat nur einen Beschäftigten im Visier
Bemerkenswert: Folgt man der Regensburger Entscheidung, dann hat IKEA bei keinem anderen Mitglied des Gesamtbetriebsrat eine derart genau Prüfung der Spesenabrechnung vorgenommen. Wörtlich heißt es in dem Beschluss:
„Bis zum heutigen Tag erfolgten unbestritten keine Gespräche mit anderen Mitgliedern des Gesamtbetriebsausschusses noch wurden andere Mitglieder des Gesamtbetriebsrats auf angeblich unrichtige Angaben bzw. die streitgegenständliche Abrechnungspraxis hingewiesen.
Außer im Fall des Arbeitnehmers (Ludwig Doblinger, Anm. d. Red.) wurde kein Mitglied des Gesamtbetriebsausschusses auf die aus Sicht der Arbeitgeberin falsche Abrechnungspraxis hingewiesen oder in ähnlicher Weise wie der Arbeitnehmer sanktioniert.
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass mögliche Pflichtverstöße bei anderen als nicht so gravierend angesehen werden (…).“
Man könnte es auch anders ausdrücken: Der Möbelkonzern scheint Ludwig Doblinger egelrecht ins Visier genommen zu haben. Der 48-Jährige gilt als engagierter Betriebsrat. Bei der Tarifauseinandersetzung 2023/24 positionierte er sich mehrfach öffentlich mit deutlichen Worten. Doblinger ist nicht nur Mitglied des Betriebsrats in Deutschland, sondern auch bei IKEA Deutschland und Europa und vertritt Beschäftigteninteressen in mehreren Fachausschüssen und Arbeitsgruppen.
Nächster Streit: IKEA bearbeitet Stundenabrechnungen nicht
Darauf, dass dies dem Möbelkonzern ein Dorn im Auge ist und man einiges unternimmt, um Doblinger loszuwerden, lässt auch ein weiterer Rechtsstreit schließen, der aktuell beim Arbeitsgericht Regensburg anhängig ist.
Diesen Dienstag fand ein erster Gütetermin statt. Inhalt: Seit bald einem Jahr werden Doblingers Zeitabrechnungen, die er für Dienstreisen im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit einreicht, nicht oder nur unvollständig bearbeitet.
Die Folge: Allein von letztem Oktober bis Juli diesen Jahres haben sich auf seinem Arbeitszeitkonto fast 280 Minusstunden angehäuft. Umgerechnet entspricht dies einem Streitwert von 5.800 Euro. Doblinger hat deshalb Klage eingereicht.
Teurer Anwalt reist für fünf Minuten aus Hamburg an
Der Gütetermin am Dienstag dauert kaum fünf Minuten. Der eigens aus Hamburg angereiste Rechtsanwalt Jan-Peter Braun hat keinen Einigungsvorschlag der Arbeitgeberseite mitgebracht. Fragen des Gerichts zu den konkreten Abrechnungen kann er entweder nicht beantworten oder „nicht nachvollziehen“.
Rasch ist die Güteverhandlung vorbei und Braun reist wieder ab. Nach Ablauf der Schriftsatzfrist wird das Gericht nun einen Termin zur Hauptverhandlung ansetzen – voraussichtlich im Dezember. Ludwig Doblinger muss derweil abwarten, welche Geschütze IKEA neben der Beschwerde beim Landesarbeitsgericht und der Nichtbearbeitung seiner Arbeitszeiten als nächstes auffährt.
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Rico Irmischer
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Das ist ein derart massiver Fall von Betriebsrats- und Union-Busting, dass es einem die Sprache verschlägt. Ein engagierter Kollege, der sich für die Rechte der Beschäftigten einsetzt und stark macht, wird von seinem Arbeitgeber rechtlich angegriffen. Man kann sich gut vorstellen, welche Angriffe, Anfeindungen und Schikanen im Betrieb und hinter verschlossenen Türen vor sich gehen, wenn IKEA sogar öffentlich schon so vorgeht. An solchen Vorgängen erkennt man ja gut den Charakter von Geschäftsleitung und Unternehmensleitung: Denen gehts drum, die Mitbestimmung einzuschränken und einen Kollegen klein zu kriegen. Dabei gehts dem Betriebsrat nicht darum, den Konzern klein zu kriegen. Sondern nur, dass die Beschäftigten gute, gerechte Arbeitsbedingungen vorfinden.
Meine volle Solidarität gilt dem Kollegen Doblinger, der diesen ganzen Spuk ertragen muss. Viel Kraft und Ausdauer, lieber Ludwig! Gib nicht klein bei, die Geschäftsleitung darf mit so einem schamlosen Vorgehen keinen Erfolg haben! Dein Kampf ist unser Kampf – die IG Metall Regensburg steht hinter Dir!
Ich hoffe, die IKEA-Belegschaft unterstützt ihren Betriebsrat in so anstrengenden Zeiten. Und die Kund:innen können das auch tun! Die Post- und Mailadresse von IKEA Regensburg ist ja bekannt, nur eine Möglichkeit, die Geschäftsleitung zu adressieren.