Teure Kredite? So steigen Sie aus
Vortrag zum Verbraucherrecht
Sie haben zwischen 2002 und 2010 ein Immobiliendarlehen zu sehr hohen Zinsen abgeschlossen? Dann ist für einen Ausstieg jetzt Eile geboten. Denn im Zuge der Umsetzung einer EU-Richtlinie erlischt das „endlose Widerrufsrecht“ für Alverträge. Verbraucher haben somit nur noch bis zum 20. Juni 2016 Zeit, ihre Darlehensverträge zu widerrufen. Bis zu 80 % der von den Kreditinstituten in Darlehensverträgen verwendeten Widerrufsbelehrungen im Zeitraum 2002 bis 2010 sind fehlerhaft. Mit der Folge, dass der Verbraucher durch Widerruf aus den älteren, oft teureren Kreditverträgen ohne Vorfälligkeitsentschädigung aussteigen und nun bei Neuabschluss zu historisch niedrigen Zinsen viel Geld sparen kann.
Welche Chancen die Verbraucher haben und welche Fallstricke lauern, darüber informiert die Regensburger Anwältin Alexandra Fischl am 14. April 2016 in einem Vortrag in der Prüfeninger Schloss-Gaststätte in Regensburg. Nach dem Vortrag gibt es eine offene Fragerunde. Einzelberatungen sind nicht möglich. Beginn der Veranstaltung ist 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Widerrufsrecht für Verbraucher – Hintergrundinformationen
Mit Beschluss des Bundeskabinetts vom 27. Januar 2016 und der Umsetzung einer EU-Richtlinie für Wohnimmobilienkredite wurde das „ewige“ Widerrufsrecht der Verbraucher stark eingeschränkt. Die Gesetzesänderung durch das Bundeskabinett war eine direkte Reaktion auf die massive Lobbyarbeit der Banken, die sich von der Judikative augenscheinlich nicht gehört fühlte und somit offensichtlich den Weg über die Legislative wählte. Mit ihrem Aufmacher „Millionen Baukredite fehlerhaft“ brachte die Zeitschrift finanztest im Juli 2014 den Stein ins Rollen und wies bereits damals darauf hin, dass Banken und Sparkassen geschätzte hunderte Milliarden Euro entgingen, sollten tatsächlich alle Betroffenen fordern, was ihnen zusteht. Denn zwischen 2002 und 2010 wurden mehr als 10 Millionen Kreditverträge abgeschlossen.
Hintergrund
Wenn Kunden einen Kreditvertrag abschließen, gilt ein Widerrufsrecht von 14 Tagen. Seit dem 2. November 2002 müssen die Baugeld-Anbieter in den Vertragsunterlagen den Kunden schriftlich über sein Widerrufsrecht belehren. Der Gesetzgeber hat für Verbraucherdarlehensverträge Musterwiderrufsbelehrungen in der Anlage 2 zu § 14 BGB Info-Verordnung alte Fassung formuliert. Wenn sich eine Bank oder eine Sparkasse genau an dieses Muster hält, ist sie durch das damals geltende Recht geschützt. Tut sie dies nicht, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ausgegangen werden. Dies gilt insbesondere für den Zeitraum zwischen dem 1.11.2002 und dem 10.6.2010, denn in diesem Zeitraum gibt es mehrere höchstinstanzliche Urteile des BGH, welche die damals geltende Widerrufsbelehrung fur unwirksam erklärt haben. Fehler können formaler oder inhaltlicher Natur sein, wie etwa
– zu kleine Schrift
– Angabe einer Telefonnummer statt Adresse
– Angabe einer ungültigen Anschrift
– irreführender Inhalt
– falsche oder fehlende Angaben über Folgen des Widerrufs
– veraltete Mustertextpassagen
– fehlende Überschriften
– fehlende oder falsche Angaben zum verbundenen Geschäft
– Widerrufsbelehrung erfolgt vor Vertragsschluss
– zwei widersprüchliche Belehrungen
Die Folge: Die Widerrufsfrist hat nie zu laufen begonnen und somit kann bis heute widerrufen werden. Wird jetzt von dem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht, muss der Kreditvertrag rückabgewickelt werden. Die Bank muss sämtliche Zins- und Tilgungsleistungen sowie aller Bearbeitungsgebühren und eventuellen Provisionen zuzüglich einer Nutzungsentschädigung von bis zu 5% über dem Basiszinssatz gegen Erstattung der Darlehenssumme marktüblich verzinst zurückbezahlen. Kreditnehmer können also nachträglich aus Verträgen aussteigen, die vor Jahren abgeschlossen wurde. Die Reaktionen der Banken auf die BGH-Urteile und die sich daraus ergebenden Widersprüche der Verbraucher reichen von eindeutiger Zurückweisung des Widerspruchs über Erhebung der Einrede der Verjährung bis zu offener Vergleichsbereitschaft. Viele Immobilienbesitzer haben den „Widerrufsjoker“ bereits gezogen. Mit hohen Erfolgsaussichten, denn nach Aussage der Verbraucherzentralen sind mehr als 80 % aller abgeschlossenen Darlehensverträge widerrufsfähig.
Nach Ansicht der Bundesregierung bestand erhebliche Rechtsunsicherheit. Deshalb wurde nun durch die o.g. Gesetzesänderung das Widerrufsrecht des Verbrauchers erheblich eingeschränkt – und das, obwohl der Bundesgerichtshof (BGH) zuvor wiederholt entschieden hatte, dass es für eine Beschränkung des Widerrufsrechts zulasten der Verbraucher keinen Anlass gäbe. Somit ist für die Betroffenen ein Widerruf nur noch bis zum 20.6.2016 möglich.
Für die Verbraucher gibt es nun zwar Rechtssicherheit, aber sie haben seit Inkrafttreten des Gesetzes am 21.3.2016 nur noch drei Monate Zeit, ihre Verträge zu prüfen und die Darlehen zu widerrufen. Dieses Gesetz stellt nach Ansicht des Parlamentarischen Staatssekretärs für Verbraucherschutz, Ulrich Kerber, einen „angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse der Kreditwirtschaft an Rechtssicherheit und dem Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern“ her.
Alle Verbraucher, die ihr Widerrufsrecht in Verbindung mit Immobiliendarlehen geltend machen möchten, müssen ihren Widerruf spätestens bis zum 20.6.2016 eingereicht haben.
Vorteile für den Verbraucher
Der Verbraucher zahlt keine Vorfälligkeitsentschädigung, ein sofortiger Ausstieg aus dem Darlehensvertrag ist ohne Kosten möglich. Dabei werden die eigenen Zins- und Tilgungsbeträge gegen Rückzahlung des Darlehens erstattet. Und die Gesamtbeträge des Verbrauchers werden rückwirkend verzinst. Außerdem ist es momentan möglich, zu historisch niedrigen Zinssätzen das Darlehen neu einzudecken – mit gewaltigem Sparpotenzial.
Stolperfallen für den Verbraucher
Der Verbraucher muss wissen, dass er im Erfolgsfall – also sobald die Bank den Widerruf akzeptiert hat oder das Gerichtsverfahren entschieden ist – den noch fälligen Restbetrag vollständig innerhalb von 30 Tagen an die Bank zurückbezahlen muss. Von daher ist es essentiell wichtig, sich rechtzeitig um eine verbindliche Folgefinanzierung zu kümmern.
Gut zu wissen
Das Widerrufsrecht gilt auch bei kapitalbildenden Lebensversicherungen oder Rentenversicherungen. Dementsprechend können finanziell nachteilige Verträge bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen vom Verbraucher gekündigt werden. Sinnvoll ist dies vor allem bei fondsgebundenen Kapitallebensversicherungen mit geringem Garantiewert aber hohen Auszahlungsversprechungen, die nicht gehalten werden können.