Befürworter und Gegner der Sallerner Regenbrücke machen mobil – wie realistisch sind die Kostenschätzungen?
Auf einer eigenen Internetseite veröffentlichen die Stadt Regensburg und weitere Projektverantwortliche erstmals eine Kostenschätzung für das Gesamtprojekt. Glaubwürdig erscheint diese Schätzung nicht.

So könnte die Sallerner Regenbrücke laut einer Visualisierung der Stadt Regensburg aussehen.
Drei Wochen nach dem Ende der politischen Sommerpause machen die Gegner der Sallerner Regenbrücke wieder auf sich aufmerksam. Mit einer Fahrraddemo vom Hauptbahnhof zur Gärtnerei Hauner in der Lappersdorfer Straße, dort wo die Brücke mal anlanden soll, betonen mehrere Gruppierungen – mehr als 20 sind gelistet – ihre Ablehnung des umstrittenen Verkehrsprojekts.
Unter dem Motto „Kultur und Bass statt Stadtautobahn“ soll es dann ab 16 Uhr ein Kulturprogramm geben, bei dem Unterschriften für das geplante Bürgerbegehren gegen den Bau gesammelt werden sollen.
„Diese Brücke zu bauen, samt Ausbau der Nordgaustraße, wäre ein riesengroßer Fehler“, so eine Sprecherin. „Wir wollen eine Stadt, die auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht, die jetzt hier leben. Und dazu zählt sicherlich nicht, eine Stadtautobahn quer durch Regensburg zu walzen oder noch eine Brücke zu bauen, die uns nur mehr Lärm bringt.“
Aus drei Projekten wurde die „Nordspange“
Doch auch die Befürworter, die sich von dem Vorhaben eine Verkehrsentlastung für den Stadtnorden, vor allem der Amberger Straße, versprechen, machen mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit mobil für das Projekt. Unter der Überschrift „Nordspange“ hat man die drei Projekte Regenbrücke, Umbau Lappersdorfer Kreisel und Ausbau der Nordgaustraße unter einer Überschrift zusammengefasst.
Damit bündele man Vorhaben, „die den Verkehr im Stadtgebiet und im Umland langfristig verbessern sollen“, heißt es auf einer neuen Internetseite, die bereits Ende Juli vorgestellt wurde. Geschaltet wurde die Seite von den Projektverantwortlichen – Stadt und Landkreis Regensburg, dem Staatlichen Bauamt, der Autobahn GmbH des Bundes und dem Markt Lappersdorf. Man schaffe damit „eine zentrale Anlaufstelle für Informationen und Anliegen zum Projekt“.
Erstmals eine Kostzenschätzung von verantwortlicher Seite
Tatsächlich liefert diese Seite neben Verkehrsprognosen, Zeitplan und den propagierten Vorteilen des Projekts auch erstmals eine Gesamtkostenschätzung von verantwortlicher Seite.
In der Vergangenheit war „Mobilität neu denken“, das Bündnis der Brückengegner, gelegentlich kritisiert worden wegen seiner Schätzung, die „konservativ“ von „über 200 Millionen“ für die Gesamtmaßnahme ausging. Doch auf Basis dessen, was der Zusammenschluss „Nordspange“ nun vorlegt, muss man diesen Annahmen mehr als zustimmen. Die Schätzung ist niedrig.
Gemäß den Angaben auf der gemeinsamen Internetseite der Projektverantwortlichen werden sich die notwendigen Investitionen „laut der aktuellen Kostenfortschreibung (Jahr 2024) auf ca. 175 Millionen Euro“ belaufen. Bereits im Nachsatz wird darauf hingewiesen, dass diese Schätzung „an aktuelle Entwicklungen angepasst und fortgeschrieben“ werden müsse. Sprich: Es wird definitiv teurer.
Index- und Risikokosten: Bei der Stadt Regensburg eingeplant, bei der Nordspange nicht
Insbesondere nicht eingerechnet sind die Steigerung der Baupreise und Risikokosten, wie eine Nachfrage ergab. „Die aktuelle Kostenfortschreibung von Ende 2024 fußt auf dem damals aktuellen Baupreisindex des Statistischen Bundesamts – nicht auf Hypothesen zu einer künftigen Marktentwicklung“, heißt es zur Begründung. Kostenfortschreibungen seien „keine Zielvorgaben, sondern eine theoretische Annäherung an die Projektkosten zum Zeitpunkt der Berechnung“.
Dass eine realistischere Einschätzung möglich wäre, zeigt die Stadt Regensburg hingegen an anderer Stelle und zwar bei ihrem eigenen Investitionsprogramm. Seit dem Jahr 2023 werden zwischen jeweils knapp zehn und 20 Prozent an Index- und Risikokosten auf die geplanten Investitionen für laufenden fünf Jahre aufgeschlagen.
Dies ermögliche eine „realistischere Darstellung“ der tatsächlich anfallenden Kosten, hieß es anlässlich dieser Änderung im Haushalt von der damals noch existierenden Koalition im Regensburger Rathaus. Index- und Risikokosten seien „pragmatische Lösungen, die einerseits Unschärfen vorbeugen und andererseits regelmäßig zu erwartende Baukostenerhöhungen berücksichtigen“.
Fast 60 Prozent der Investitionen für Nordgaustraße
An einer solchen realistischen Darstellung, die Unschärfen vorbeugt sowie Kostensteigerungen und Inflation berücksichtigt, scheint beim Projekt Nordspange kein gesteigertes Interesse zu bestehen. Vielleicht fürchtet man zusätzlichen Widerstand, würde man die 175 Millionen Euro Kostenprognose etwas mehr der Realität angleichen.
Dass es Steigerungen geben wird, ist nämlich bereits jetzt klar. Optimistische Prognosen auf der Nordspange-Seite gehen von einem Baubeginn der drei Einzelprojekte Nordgaustraße, Kreisel und Regenbrücke zwischen 2028 und 2030 und einer Bauzeit von jeweils fünf bis sechs Jahren aus. Eine Kostensteigerung im mittleren zweistelligen Prozentbereich ist also eher optimistisch.
Bemerkenswert auch: Den Löwenanteil der bislang prognostizierten 175 Millionen Euro macht der Ausbau der Nordgaustraße vom Alexcenter bis zur Amberger Straße aus – etwas weniger als ein Kilometer Strecke. Hierfür werden laut der städtischen Kostenprognose von 2024 allein schon 104,5 Millionen Euro fällig. Die Sallerner Regenbrücke schlägt laut Prognose aus demselben Jahr mit 31,1 Millionen, der Lappersdorfer Kreisel mit 41,5 Millionen Euro zu Buche.
Nordgaustraße: Kostensteigerung um fast zehn Prozent in einem Jahr
Wie schnell sich Prognosen ändern können, zeigt auch der Umstand, dass aus den 104,5 Millionen für den Ausbau der Nordgaustraße laut dem aktuellen Entwurf für das kommende Investitionsprogramm nun bereits 112 Millionen Euro geworden sind – eine Steigerung um fast zehn Prozent binnen eines Jahres.
Betrachtet man Befürworter und Gegner wird sich die Frage um das Für und Wider der „Nordspange“ wohl weniger an den Kosten als der Frage der Notwendigkeit und der angeführten Vor- oder Nachteile entscheiden. Die schönfärberisch erscheinenden Zahlen der Projektverantwortlichen tragen allerdings nicht zu deren Glaubwürdigkeit bei.
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