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Regensburger zeichnet Schafkopf-Karten neu

Eine Evolution für Alten, Blauen und Max

Grafikdesigner und Autor Philipp Starzinger hat sich die bayerischen Spielkarten vorgenommen, sie neu gezeichnet und die brutal amputierten Unterleiber geheilt.

Was ein Sie ist, weiß Philipp Starzinger nur vom Hörensagen – für eine Verbesserung der Schafkopfkarten hat er trotzdem gesorgt. Foto: as

Dass Regensburg und das Karteln eine ganz besondere Beziehung haben, das kann man schon bei Manfred Hausler nachlesen, dem „Papst der bayerischen Spielkarten“. Laut Hauslers Standardwerk zur Geschichte der bayerischen Karten („Trommler und Pfeifer“) stammt von hier der erste urkundliche Beleg überhaupt dafür, dass auch in Bayern gerne gekartelt wurde.

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Und irgendwie passt es zu Regensburg, dass es sich um ein Verbot handelt, das der städtische Rat damals, am 23. Juli 1378, erließ, um der um sich greifenden Spielwut Einhalt zu gebieten.

Trommel, Schwert und Hand sind zurück auf der Karte

Das ist lange her. Das Schafkopfen, Watten und Neunerln ist auch schon geraume Zeit wieder erlaubt. Und 645 Jahre nach jenem Verbot hat sich mit Grafikdesigner und Buchautor Philipp Starzinger (Regensburg Sammelsurium, Bayern Sammelsurium) nun ein Regensburger daran gemacht, das klassische Bayerische Kartenbild weiterzuentwickeln und den altehrwürdigen Figuren wieder zu neuem Glanz zu verhelfen.

Dem Grün-Ober hat Starzinger seine Trommel, dem Herz-Ober sein ganzes Schwert und dem Max (Herz-König) seine linke Hand zurückzugeben. Auf den Zahlenkarten finden sich kleine Figuren und Details und außerdem wieder die korrekte Anzahl von Eicheln, Schellen, Herzen oder Gras, die auch dem Kartenwert entspricht – und nicht mehr die doppelte.

Vom Kunstwerk zum Gebrauchsgegenstand

Die Geschichte geht in etwa so. Bis um das Jahr 1900 herum waren die Spielkarten kleine Kunstwerke. Ganze Figuren von Kopf bis Fuß und liebevoll illustrierte Zahlenkarten, die aber – ein Nachteil – nach dem Aufnehmen gedreht werden mussten.

Ein Manko, fanden damals führende Kartenhersteller offenbar, schnitten das von dem Münchner Josef Frey entworfene Einfachbild einfach in der Mitte durch und brachten das heute gängige Bayerische Doppelbild auf den Markt – mit beschnittenen Figuren, Zahlenkarten ohne Illustration und noch dazu falschen Zahlenwert.

Die Evolution des Max: Das Einfachbild des Münchners Josef Frey von 1860 wurde um 1900 zerteilt und nun von Starzinger weiterentwickelt. Grafik: Bart Verlag

„Einst kleine Kunstwerke, sind sie heute reiner Gebrauchsgegenstand“, schreibt dazu Kartenpapst Hausler. Eine etwas lieblose, um nicht zu sagen schlampige Vereinfachung sei das gewesen, dachte sich auch Starzinger. Und hat sich deshalb „vielleicht 500 oder 1.000 Stunden“ hingesetzt und das traditionelle bayerische Bild neu gezeichnet. „Eine Fleißarbeit“, wie er sagt, mit dem Besten aus beiden Welten.

Tradition und kreative Aneignung

Es ist ein Doppelbild, man muss die Karten also nicht drehen, anstatt des brutal amputierten Unterleibs beim gängigen Standardblatt aber gehen die Zeichnungen ineinander über – ähnlich wie bei amerikanischen Poker-Karten. „Es hat mich schon immer ein wenig geärgert, dass wir in Bayern das anscheinend nicht können“, sagt Starzinger. Darum hat er das einfach selber gemacht.

Allzu sehr verkünstelt hat Starzinger sich dabei nicht, sondern sich an das gewohnte Motiv des Münchners Frei gehalten. „Man soll sich ja noch daheim fühlen.“ Aber viel Liebe zum Detail sieht man gerade auch den Zahlenkarten an. Ein tanzendes Frosch-Pärchen auf der Schellen-Acht, ein Schafhirte nebst kleiner Herde auf der Gras-Neun, ein bayerischer Löwe unter Palme auf der Herz-Sechs, ein seltsamer Vogel auf der Eichel-Sieben…

Aber warum macht man so etwas, wenn man wie Starzinger das Schafkopfen nicht einmal beherrscht und höchstens ab und zu mal Watten spielt? Einerseits sei das die Liebe zur Tradition. Diese habe einen Sinn, wenn sie als „kreativer Aneignungsprozess“ aufgefasst werde, zitiert Starzinger den Verleger Heinz Friedrich. Andererseits habe er aber auch einfach den Drang, Dinge zu verbessern, selbst wenn er sie selbst nicht nutze. „Einen Modedesigner würde es ja auch ärgern, wenn bei der Lederhose das Hosentürl hinten ist und er würde sie besser machen wollen – auch wenn er selber keine trägt.“


Große Spielkartenverlage zeigten bislang kein Interesse daran, Starzingers Liebhaber-Produkt in großem Stil zu vermarkten. Deshalb lässt er die Karten aktuell selbst drucken und bringt sie in seinem Bart-Verlag heraus.

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Kommentare (8)

  • joey

    |

    eine sehr gute Idee, die aber wegen des Preises 19,- pro Stück eher als Luxusprodukt oder Schaufensterstück zu sehen ist. Der Gebrauch mit dem entsprechenden Verschleiß ist etwas zu schade.

    Es gibt nicht mal einen Mengenrabatt…

  • Bitte Joerg

    |

    Ich habe mir 2 Packerl geleistet, eines zum aufheben, eines wird heute Abend eingeweiht. Und wenn sie nicht mehr so gut sind zum “Profikarteln” taugen sie immer noch für zu Hause zum Neunerln. Ich möchte damit auch die Arbeit des Künstlers honorieren.
    Und danke an regensburg-digital, sonst hätte ich das nicht mitbekommen

  • Philipp Starzinger

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    Danke für die Kommentare! Mengenrabatte sind definitiv angedacht!! Das Produkt ist ja noch sehr jung. Zum “Verschleiß-Spielen” würde ja z.B. auch eine einfachere Verpackung reichen, oder? Wenns da Ideen gibt, würde ich mich auch über eine Nachricht über den Kontakt auf Bartverlag.de freuen!

  • Schorsch

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    1) Um das Beispiel mit der Lederhosn mit dem fertigzudenken, was wir grad bei den beidseitig bespielbaren Karten gelernt haben: ein Hosentürl vorn UND eins hinten wär nicht schlecht, wenns pressiert …

    2) Vielleicht hilft ein Sponsor, indem er diese Karten zum Präsentstückl macht? Schöner als ein depperter Zinnteller wär so ein Packerl allemal!
    Dann käme vielleicht auch ein Umsatzvolumen zusammen, das einen niedrigeren Preis möglich machen könnte.

  • Anomaler Circus

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    Nur ist das keine Evolution, sondern eine Rekonstruktion von Etwas, was schon vor 163 Jahren selektiver Historismus war, es gab ja eine Vielzahl von Symbolfiguren. Was stellen die verbliebenen Bildwerte jenseits der Asse dar, was symbolisieren sie? Standesdünkel und Patriarchat. Was daran altehrwürdig sein soll, verstehe wer will, dazu muss man wohl der Stammtischbruderschaft angehören.

  • Mr. T.

    |

    Bei der Lederhosen gibts ja schon lang zwei Hosentürl, links und rechts. Aber hinten und vorne wäre wirklich eine Innovation. Der Künstler möge dazu bitte auch ein beidseitig verwendbares Klopapier gestalten.
    Ansonsten sind die Karten viel schöner als das übliche Zweierlei , werde ich mir wohl auch ein paar zulegen.

  • Paul

    |

    Servus Anomaler Circus

    Standesdünkel und Patriarchat.

    Ober sticht Unter…. etc pp

    So ist s beim karteln

    oder wollen sie jetzt gendern, woken und sonst an Krampf daherbringen oder gleich die
    Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus

    ins Boot holen?

  • Wilfried Süß

    |

    @Mr. T.
    Hosentürl hinten wäre doch nicht innovativ. Meine Großtante aus Argentinien schickte in den 50ern abgelegte Kleidung zu uns nach Deutschland (da ging es uns schlechter als denen in Buenos Aires). Daruter waren auch zwei dicke Baumwollschlafanzüge – langärmlige Overalls mit einem am Gesäß geknöpften Schlitz. Wenn man nicht ganz ungeschickt war, konnte man dadurch sitzend alles erledigen, was auf der Toilette so anfällt.
    Was all dies mit dem Kartenspiel zu tun hat? Die “schönen Bildln” helfen doch manchmal über die Langeweile hinweg, bis der Andere endlich ausspielt…

Kommentare sind deaktiviert

drin