Nach einem halben Jahr im Altenheim: Regensburger Seniorin körperlich und psychisch runiniert
Ülkü Elke Sahesch-Pur war trotz beginnender Demenz noch fit, als sie vor drei Jahren in ein Regensburger Altenheim kam. Mittlerweile sitzt sie im Rollstuhl und kann sich kaum noch artikulieren. Ihr Sohn macht starke Psychopharmaka, die von Ärzten des Bezirksklinikums verschrieben wurden, dafür verantwortlich. Der gesetzliche Betreuer verweigert jedes Gespräch mit ihm.
Irgendjemand im Altenheim hat Ülkü Elke Sahesch-Pur die Fingernägel blutig geschnitten. Ihr Sohn kann nichts dagegen machen, weil bisher nicht über die Übernahme der Betreuung durch ihn entschieden wurde. Foto: privat
Man hört es am Telefon: Ludwig Sadredin Sahesch-Pur ist tief betroffen. Er weiß nicht genau, was seiner Mutter fehlte, als er sie vor etwas mehr als zwei Wochen am frühen Morgen im Caritas-Altenheim Fritz Gerlich in Regensburg besuchte. Sie war heiß und zitterte. „Es war offensichtlich, dass es ihr nicht gut geht.“ Der besorgte Sohn wandte sich sofort an das Pflegepersonal.
Dort rief man zunächst den gesetzlichen Betreuer von Ülkü Elke Sahesch-Pur an, um zu klären, was zu tun sei. Doch dieser war im Urlaub. „Ich habe dann darauf bestanden, dass ein Krankenwagen gerufen wird.“ So kam die 78-Jährige ins Bezirksklinikum, wo sie drei Tage lang blieb.
„Warum wurde meine Mutter so sorglos mit Medikamenten vollgepumpt?“
Was ihr genau fehlte, weiß Ludwig Sadredin Sahesch-Pur bis heute nicht. Obwohl für ihn unklar war, ob sie überleben würde, durfte er seine Mutter nicht besuchen. Er hat am Bezirksklinikum nämlich seit über einem Jahr Hausverbot, seit er einen Arzt dort zu den Medikamenten befragen wollte, die seiner Mutter seit über drei Jahren verschrieben wurden.
„Ich habe dort niemanden bedroht oder beleidigt“, betont er. „Aber ich wollte wissen, warum meine Mutter so sorglos mit risikoreichen Medikamenten vollgepumpt wurde.“ Eine Arbeitskollegin, die dabei war, bestätigt diese Darstellung. Er sei emotional gewesen, räumt Sahesch-Pur ein. „Aber ich kümmere mich um meine Mutter, wenn es ihr so schlecht geht, und es macht mich wahnsinnig, von allen Seiten ignoriert zu werden.“
Beim Einzug ins Altenheim war die Seniorin noch fit
Als Ülkü Elke Sahesch-Pur 2022 wegen beginnender Demenz ins Altenheim Fritz Gerlich einzog, war sie eigentlich noch fit. Fotos und Videos von damals zeigen eine fröhliche und gepflegte ältere Dame im innigen Gespräch mit ihrem Sohn. Bei den Besuchen, zu denen Ludwig Sadredin Sahesch-Pur trotz seines damaligen Wohnorts in der Schweiz alle zwei Wochen kam, ging er noch mit ihr zum Friseur oder führte sie zum Essen in die Altstadt aus.
Ülkü Elke Sahesch-Pur 2022, als es ihr noch gut ging. Fotos von ihrem derzeitigen Zustand zeigen wir zu ihrem Schutz nicht. Foto: privat
Ein gutes halbes Jahr später war es damit vorbei. Seitdem liegt seine Mutter meist im Bett oder sitzt im Rollstuhl, den sie aus eigener Kraft nicht bewegen kann. Sie ist halbseitig gelähmt und kann sich kaum noch artikulieren. Ein Zustand, von dem sie sich nie wieder erholt hat.
Ludwig Sadredin Sahesch-Pur, selbst aus der Medizinbranche, ist sich sicher, woran es liegt. Fast seit Beginn ihres Aufenthalts im Altenheim bekam seine Mutter starke Psychopharmaka mit schwerwiegenden Nebenwirkungen, insbesondere bei Menschen mit Demenz. Darunter die Präparate Tavor, Risperidon und Quetiapin.
Drei Medikamente mit hohen Risiken für ältere Menschen mit Demenz
Vor allen drei Medikamenten wird insbesondere im Zusammenhang mit Demenzerkrankungen gewarnt und besondere Sorgfalt angemahnt. Im Beipackzettel für Risperidon heißt es beispielsweise: „Bei älteren Patienten mit Demenz besteht ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall.“ Eine Behandlung mit diesem Medikament solle maximal sechs Wochen erfolgen.
Vor der Einnahme von Quetiapin durch ältere Patienten mit Demenz wird ausdrücklich gewarnt, da es „das Risiko für Schlaganfälle oder in einigen Fällen das Sterberisiko erhöhen kann“. Tavor steht in Verdacht, Demenz zu begünstigen und zu beschleunigen.
Generell sollten alle drei Mittel, wenn überhaupt, nur über einen Zeitraum von wenigen Wochen verschrieben werden. Ülkü Elke Sahesch-Pur erhielt alle diese Medikamente über Monate, zum Teil länger als ein Jahr.
Der gesetzliche Betreuer spricht nicht mit dem Sohn seines Schützlings
Ludwig Sadredin Sahesch-Pur erfuhr davon nur über Umwege – durch Recherchen bei der Pflegekasse. Seine Mutter hat, weil der Sohn bis vor kurzem im Ausland lebte, einen gesetzlichen Betreuer. Der, Thomas O., gibt ihm keinerlei Informationen über seine Mutter und verweigert seit über zwei Jahren jedwedes Gespräch.
Da das Betreuungsgericht seit Monaten keine Entscheidung über den Antrag von Ludwig Sadredin Sahesch-Pur gefällt hat, selbst die Betreuung für seine Mutter zu übernehmen, erfährt er bis heute nichts.
Das Betreuungsamt der Stadt Regensburg schickt Antworten auf Schreiben von Sahesch-Pur ins Pflegeheim an dessen Mutter, wo sie auf Anweisung von Thomas O. nicht an den Sohn herausgegeben werden, erzählt er.
Auf eine Anfrage unserer Redaktion reagiert der gesetzliche Betreuer nicht. Das Bezirksklinikum und das Altenheim Fritz Gerlich verweisen darauf, dass ohne eine Zustimmung des Betreuers keine Auskunft möglich sei.
Regensburg: Weit vorne bei der Gabe risikoreicher Psychpharmaka
Fest steht: Die leichtfertig erscheinende Gabe starker Psychopharmaka über einen sehr langen Zeitraum an Ülkü Elke Sahesch-Pur ist alles andere als ein Einzelfall. Das geht aus dem „Qualitätsatlas Pflege“ der AOK aus dem Jahr 2023 hervor.
Die Alten- und Pflegeheime in Regensburg liegen sowohl in Bayern wie auch im Bundesgebiet im oberen Bereich, was die Verabreichung risikoreicher Psychopharmaka an Bewohnerinnen von Pflegeheimen mit Demenz anbelangt. Rund 14 Prozent der Betroffenen in Stadt und Landkreis bekommen solche Medikamente über einen längeren Zeitraum. Damit liegt man im obersten Viertel aller Städte und Landkreise in Deutschland.
Verbunden ist das mit den entsprechenden Risiken: schnelleres Fortschreiten der Demenzerkrankung, Schlaganfall, früherer Tod. Es widerspricht auch den Empfehlungen, die von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in der sogenannten S3-Leitlinie „Demenzen“ formuliert wurden.
Empfehlungen von den Ärzten ignoriert?
Als erstes Mittel der Wahl gilt demnach die nicht-medikamentöse Behandlung. „Nur wenn alle anderen Möglichkeiten keine Verbesserung bringen, sind Antipsychotika einzusetzen“, fasst dies das wissenschaftliche Institut der AOK zusammen. „Bei Älteren und vorgeschwächten Menschen ist das eine ernst zu nehmende Gefahr. Zudem beschleunigen Antipsychotika den Abbau von kognitiven Fähigkeiten und reduzieren die Lebensqualität. Ihr Nutzen wiederum gilt gegenüber diesen Risiken als moderat. “
Dass diese Empfehlungen bei Ülkü Elke Sahesch-Pur von den verschreibenden Ärzten der medbo beachtet wurden, ist zumindest zweifelhaft.
Strafanzeige eingestellt. „Kein öffentliches Interesse.“
Eine Strafanzeige von Ludwig Sadredin Sahesch-Pur gegen die Ärzte, die die Medikamente verschrieben haben, und gegen den verschwiegenen Betreuer hat die Staatsanwaltschaft Regensburg eingestellt. Es bestehe „kein öffentliches Interesse“.
Er will das nicht auf sich beruhen lassen. „Wenn solche Missstände herrschen, muss man etwas unternehmen. Das ist ja kein Einzelfall, sondern ein bundesweites Problem. “ Sein Appell an andere betroffene Angehörige: „Schaut genau hin, kümmert euch und macht den Mund auf. “
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domprost
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Es scheint ein singulärer Betreuer zu sein. Warum kam hier nicht der wirklich gute Betreuungsverein Regensburg zum Einsatz?
Daniela
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Die Halbseitenlähmung könnte ein Hinweis auf ein vorangegangenen Schlaganfallgeschehen sein.
Einen Abgleich der ärztlich verordneten Medikamente bzgl. Krankheitsbild, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kann man auch über eine Apotheke erfragen.
Aber das Krankheitsbild Demenz ist vielfältig und der wesentliche Unterschied bei der Einschätzung, ob es sich um eine Alzheimer oder eine Vasculäre Demenz handelt, ist ein stufenförmiger Abbau oder ein schleichender Abbau der geistigen und mentalen, sowie der körperliche Abbau mit oder ohne psychische Auffälligkeiten.
Es ist verständlich, dass nahe Angehörige, sollten sich Verschlechterungen binnen kürzester Zeit einstellen, oft ratlos oder auch wütend zurück bleiben.
Der Weg, die Betreuung für die Mutter zu übernehmen, über das zuständige Amtsgericht ist eine logische Konsequenz. Dem Betreuer jetzt aber Unfähigkeit unterstellen zu wollen, halte ich für fehl. Ein Betreuer wird sich immer auf den ärztlichen Rat und fachpflegerische Meinung stützen und nach deren Empfehlung seine Zustimmung zur medikamentösen Versorgung geben. Der Betreuer selbst ist in der Regel nicht Mediziner oder Pflegefachkraft.
Man kann auch bei Zweifel an einer sinnvollen geriatrisch- pflegerischen Versorgung die Heimaufsicht informieren.