10 Juli201204:57
Am interessantesten und aufschlussreichsten sind oft die Dinge, die einem nicht gesagt werden. Wenn das Objekt der Begierde bei einer Liebeserklärung stumm bleibt. Wenn ein Geburtstagskind ein liebevoll ausgesuchtes und freudestrahlend überreichtes Geschenk nicht kommentiert. Wenn ein Angeklagter die Aussage verweigert.
Dann kann es sein, dass das Herz des mit Liebe Bedachten vor Freude springt, er um Worte ringt, sie aber vor lauter Adrenalin in der Blutbahn nicht äußern kann. Dass der Jubilar vor Freude ganz verwirrt ist. Dass der Angeklagte einem taktischen Schachzug seines Anwalts folgt. Das ist Möglichkeit eins. Möglichkeit zwei ist: Die Antwort, die dem Befragten auf der Zunge liegt, entspräche nicht den Erwartungen des Fragestellers, würde Enttäuschung, Entrüstung, Empörung hervorrufen, oder die Entgegnung wäre für den Inquirierten nachteilig.
Von der Wichtigkeit der richtigen Fragestellung
Nun lautet die Fragestellung eines Jahresberichts ja traditionell: „Was haben wir bzw. was haben unsere Leute im betreffenden Jahr so getrieben?“ Auch das Kulturreferat stellt sich jährlich diese Frage und veröffentlichte erst vor wenigen Tagen den „Jahresbericht 2011 des Kulturreferats mit seinen Dienststellen“. Schließlich ist die moderne Stadtverwaltung transparent, den Bürgern eine Antwort schuldig, und für die Selbstkontrolle und das Qualitätsmanagement lässt sich so ein Jahresbericht obendrein nutzen. In dem Geheft erfährt der Leser beispielsweise, dass die Mitarbeiter der Restaurierungswerkstatt für Gemälde und Skulpturen am 12. Mai 2011 an einer Photoshop-Fortbildung teilgenommen haben, dass die Sing- und Musikschule im vergangenen Jahr 448.768 Euro an Unterrichtsgebühren eingenommen hat oder dass das Kulturamt ein- bis zweimal im Monat einen Kulturnewsletter verfasst und diesen per E-Mail an Kulturinteressierte versendet.
Zweite Seite des Inhaltsverzeichnisses des Jahresberichts des Kulturreferates
Der Rest: Bilder, Tabellen und ein wenig Prosa
Soweit die Theorie. Angerers Stabsstelle hat im Jahresbericht des Kulturreferats sogar eine rote Überschrift bekommen. Rot heißt hier: wichtig. Die Stabsstelle ist ein Gliederungspunkt der zweiten Ebene, gleichwertig mit dem Kulturamt, dem Amt für Weiterbildung, den Museen der Stadt Regensburg, der Sing- und Musikschule und dem Amt für Archiv und Denkmalpflege. Die Berichte der anderen fünf Dienststellen sind mehr oder weniger interessant und ausführlich, zwischen zweieinhalb (Amt für Weiterbildung) und 25 Seiten (Kulturamt) lang, bebildert, wortreich, mit Tabellen, Statistiken und Grafiken gespickt.Das große Nichts
Schaut man aber im Inhaltsverzeichnis nach, dass sich der Bericht über die Tätigkeiten der Stabsstelle Zentrale Koordination Museen und Galerien auf Seite 32 befindet, und blättert man schließlich zur besagten Seite, steht man vor dem Nichts. Statt Text, Bildern, Tabellen und Grafiken strahlt einen eine weiße Seite an, lediglich die Seitenzahl ist unten serienmäßig und korrekt vermerkt. So kann man wenigstens sichergehen, dass man sich nicht verblättert hat.
Links: Der Jahresbericht der “Stabsstelle für Koordination Museen und Galerien”, Seite 32. Rechts: Erste Seite des Jahresberichts des Amts für Weiterbildung. (Foto: hb)