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Dieter Wieland allein gegen Deutschland im Halbfinale

Unsre Stadt soll hässlich werden!

Deutschland steht im Halbfinale, und die Altstadtfreunde laden zu einem Vortrag ein: Haben die eine Meise? Da kommt doch kein Mensch! – Irrtum: der Saal im Leeren Beutel war fast voll am Donnerstagabend. Doch der Name des Referenten erklärt alles: Dieter Wieland. Der Architekturkritiker sprach über „Die große Freiheit der Ellbogen“ im Städtebau im allgemeinen und in Regensburg im besonderen.

Peter Morsbach von den Altstadtfreunden begrüßte Dieter Wieland, der vor kurzem seinen 75. Geburtstag feierte, mit einem Schaidinger-Zitat: Wenn es in Regensburg noch Stadtmauern gäbe, so der OB, dann käme Dieter Wieland (Archiv-Foto) nicht herein. Es versteht sich schon fast von selbst, dass der ganze Saal dieses Verdikt als höchste Auszeichnung verstand. Wenn einer unter anderem den Bayerischen Fernsehpreis (1990), den Bayerischen Verdienstorden (1994), den Bayerischen Architekturpreis (2007) und den Bayerischen Staatspreis für Architektur (ebenfalls 2007) erhalten hat – dann fehlt als Sahnehäubchen eigentlich nur noch die Beschimpfung durch einen Hans Schaidinger.

„Westwall für Dackel“

Dass Morsbach von Schaidingers Abwehrmauern gegen jede Art von städtebaulichem Taktgefühl im nächsten Satz dann auf den „Westwall für Dackel“ zu sprechen kam, war indes reiner Zufall und ohne jeden Zusammenhang. „Westwall für Dackel“ ist eine der griffigen polemischen Metaphern, für die Dieter Wieland bekannt ist, er verunglimpfte damit die Wehrschanze des deutschen Eigenheimbesitzers, den Jägerzaun. Für Kitsch und Klimbim ist jede Menge Geld da – anders beim Denkmalschutz: Sechs Millionen Bauwerke gebe es in Deutschland, so Morsbach, 100.000 davon seien als Baudenkmal eingetragen, und die, so heiße es, könne man nicht erhalten, das sei zu teuer – im reichsten Land der Welt!

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Dieter Wieland selbst geißelte in dem gleichen ruhigen, eindringlichen Tonfall, der schon vor 40 Jahren sein Markenzeichen war, die immer wiederkehrenden Angriffe auf städtische Kleinode wie die Regensburger Wöhrde. Auf Leinwand führte er die ersten zehn Minuten seines Films „Die Regensburger Donauinseln“ vor, der vor vielen Jahren in der Reihe „Topographie“ der BR-Sendung „Unter unserm Himmel“ erstmals zu sehen war. Eine einzige Hommage an die „steinerne Stadt und ihre grünen Inseln“, die damals von einem geplanten Luxushotel bedroht waren. Aber Wieland hielt sich nicht lange in der Vergangenheit auf: „Schon wieder brennt es in Regensburg, schon wieder übt man den Kniefall vor den Investoren. Wieso hat diese Stadt immer noch keinen Stolz, keine Würde? Man kann doch nicht immer alles nur verschachern!“

Das Schielen auf den Quadratmeterpreis

Weltkulturerbe? Wieland an die Adresse der Regensburger: „Eigentlich hätten Sie diesen Titel überhaupt nicht gebraucht! Regensburg ist sowieso d i e historische Stadt Bayerns schlechthin! Und die momentan Verantwortlichen sehen den Titel doch nur als Marktwert, als Verkaufsartikel!“ Man schwärme von historischer Bausubstanz und dergleichen und schiele in Wirklichkeit auf den Quadratmeterpreis, der immer weiter in die Höhe getrieben werde.

„Unser Dorf soll hässlich werden“ heißt Wielands wohl berühmtester Film von 1975 (es ist der einzige, der auf youtube verfügbar ist). „Mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Scheußlichkeit“, heißt es darin – wer denkt da nicht gleich an die computersimulierte Ansicht des geplanten „neuen Karmelitenpalais“! „Heute“, so Wieland, „sind wir wieder am gleichen Punkt, es geht wieder alles von vorn los, genau der gleiche Krampf!“ Und das nicht nur im Dorf Regensburg, Wieland erwähnte auch München ausführlich.

Die in den Hofgarten hineingeklotzte Staatskanzlei, „das war eine der fürchterlichsten Niederlagen!“ Das Armeemuseum (aus dem dann die Staatskanzlei wurde), „wunderbar bombardiert, nur die Kuppel war stehengeblieben“ – für Wieland war es, zusammen mit dem unterirdischen Mahnmal für den unbekannten Soldaten davor, ein einzigartiges Denkmal gegen den Krieg. Und was den Flair des Hofgartens angeht, den umschreibt der zornige alte Mann in einem Satz: „Das war einmal mein Lieblingsplatz für Rendezvous. Jetzt stehen dort überall Überwachungskameras.“

Seit 46 Jahren kämpfen die Regensburger Altstadtfreunde gegen die Verhunzung der Stadt, gegen die geschichts- und gesichtslose Aufhübschung und Aufmotzung, gegen die Verscherbelung des Familiensilbers. Wieland im Leeren Beutel: „Dafür würde ich Ihnen gern Rosen streuen!“

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Kommentare (20)

  • Oje...

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    Jammerschade, dass ich diese Veranstaltung verpasst habe… da wäre ich wirklich gerne hingegangen!

  • nemo

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    Kleine Korrektur: Auf Youtube gibt es eine ganze Reihe von Wieland-Filmen. Die Suchfunktion hilft …

  • Manfred

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    Wieland: Regensburg, schon wieder übt man den Kniefall vor den Investoren.

    Mit unserem Oberbürgermeister in großer Koalition mit der zerstrittenen CSU und der Blockpartei SPD haben wir es doch weit gebracht? Vielleicht nimmt ihn +Gerhard Ludwig mit nach Rom.

  • rosa

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    Tja Rosa, hast halt Fußball gschaut, selber schuld!

  • mkveits

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    „Schon wieder brennt es in Regensburg, schon wieder übt man den Kniefall vor den Investoren. Wieso hat diese Stadt immer noch keinen Stolz, keine Würde? ..”

    Richtig sich diese Frage nicht u.a. an all jene, die beispielsweise durch Tun und Unterlassen der Baugenehmigung zum Umbau des Regensburger Fürstenschlosses zum Durchbruch verhalfen?

    Der Beispiele sind gar viele.

    Was ist regelmäßig ursächlich für dieses “Verschachern”?

  • Peter Morsbach

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    Eine kleine Korrektur: In Bayern gibt es 6 Mio. Bauwerke und 100.000 Denkmäler; in Deutschland sind es (2010) 48.318.500 Bauwerke und rund 772.500 Denkmäler, aber die Relation von ca. 1,7-2 % ist dieselbe.

  • Unsinn

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    Schade, dass sich Herr Wieland für so einen Unsinn hergegeben hat. Kein einziges konkretes Beispiel, falsche Zitate und persönliche Beleidigungen. Das ist eigentlich unter seiner Würde.

  • Altstadtfreund

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    Wer hat präzisiert, was „scheußlich“ ist am Plan des Karmelitenpalais?? Zu Aigners folgender Aussage vermisse ich Belege: „Mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Scheußlichkeit“, heißt es darin – wer denkt da nicht gleich an die computersimulierte Ansicht des geplanten „neuen Karmelitenpalais“!“ Tja, wer denkt …

    http://www.regensburg-digital.de/karmeliten-palais-neue-spitzenpreise-fur-wohnraum/28062012/#comment-29886 „Bei den Stadträten, die vergangene Woche im Planungsausschuss ihr Placet zu Abriss und Neubau gaben, stieß das Vorhaben auf nahezu einhelliges Lob.“ Für das Lob fehlen leider architektonische Konkretisierungen ebenso wie für Kritik (abgesehen vom Preis).
    Für 185 Wohneinheiten sind nur 50 Stellplätze geplant – zu Lasten der Altstadtkaufleute? Werden weitere für Bewohner nötige Dauerstellplätze den Altstadtbesuchern entzogen, die bisher im Parkhaus Dachauplatz (kurzzeitig) ihr Auto abstellen?
    Wo nachlesbar sind eigentlich die konkreten architektonischen Einwände gegen das Karmelitenpalais erhoben von P.Morsbach und Freunden?

  • Ojeigerlna

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    Kleiner Tip, Herr Altstadtfreund: Rein von den Dimensionen her hat das aufgemotzte “neue Karmelitenpalais” in der Altstadt nichts verloren. Es ist zwei Etagen zu hoch, es ist ein gegenüber der Minoritenkirche und dem Historischen Museum auftrumpfendes, die gesamte Umgebung in den Schatten stellendes Protz- und Prestigeobjekt. Man spielt München und Berlin (dort, in den breiten Hauptstadtstraßen, könnte man über so einen sechsgeschoßigen Komplex diskutieren, scheußlich wäre er auch dort), aber Regensburg ist nun mal nicht München und Berlin. Regensburg ist eine kleine uralte Stadt, auf deren Proportionen (zumindest in der Altstadt) man sich einlassen müßte. Aber Sie fragen ja: Was für Proportionen? Und interessieren sich nur für eventuell fehlende Parkplätze. Es ist hoffnungslos, es hat überhaupt keinen Sinn. Der Elefant im Porzellanladen: Was für ein Porzellanladen?

  • Tomate

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    Hallo Ojeigerlna,
    bist du dir sicher, dass der Neubau höher ist alst der Altbau, also ich spreche jetzt nicht von 80 cm oder so, sondern von mindestens mehr als 130 cm, ich glaube nämlich, dass das nicht so ist…
    aber ich weiß es nicht

  • Ojeigerlna

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    Man braucht doch nur die Fassade des Karmelitenhotels, so, wie es jetzt dasteht, und die Fassade des geplanten Neubaus nebeneinanderzuhalten, wie auf regensburg-digital bereits geschehen:
    http://www.regensburg-digital.de/beschluss-am-mittwoch-karmeliten-hotel-wird-abgerissen/15062012/
    Aus vier Geschoßen werden sechs. Und das Gebäude wird nicht höher. Genau. Und die Erde ist eine Scheibe.
    Achso, “Being John Malkovich”, diese Möglichkeit hab ich vergessen: es wird im neuen Karmelitenpalais drei Etagen geben, die man nur mit einem Notstop des Aufzugs erreichen kann und die nur halb so hoch sind wie normal, wo man also gebückt herumschleicht – das ist des Rätsels Lösung!

  • Tomate

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    Hallo Ojeigerlna,

    ich habe nur sachlich gefragt, bitte bleiben Sie auch sachlich. Nochmals genau aus dem verlingten Artikel, den Sie in Ihrer Antwort genannt haben ist nicht ersichtlich, dass der Neubau höher sein wird, als der Altbau. Mittlerweile bin ich mir sogar sehr sicher, dass der Neubau nicht höher sein wird. Schauen Sie sich doch erstmal den B-Plan hierzu an, und dann die Baugenehmigung zum Neubau, dann können Sie hierzu andere, die eine normale Frage stellen, beleidigen, wenn Sie Recht haben sollten

  • Ojeigerlna

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    Du meine Güte, womit sollte ich Sie denn beleidigt haben! Beleidigen geht anders, etwa so: Sie sind keine Tomate, sondern eine beleidigte Leberwurst, die Tomaten auf den Augen hat! Daß die Computersimulation so hingetrimmt ist, daß es so aussieht, als sei der Neubau nicht höher als das bestehende Karmelitenhotel, ist schon klar. Und daß Bebauungsplan und Baugenehmigung das irgendwie entsprechend hinbiegen, genauso. Aber wenn Sie das alles für bare Münze nehmen, kann ich nur sagen: sancta simplicitas! Als ob die Regensburger Behörden nicht schon genug Belege dafür geliefert hätten, daß sie alles, aber auch wirklich alles so hindrehen, daß es paßt!

  • Tomate

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    @Ojeigerlna,
    also wirklich so frustriert, wie Sie möchte ich niemals werden, das muss wirklich schlimmer sein, als Krebs!
    Sie haben wirklich keine Ahnung, dass trotz gleicher Bauhöhe mehr Geschösse möglich sind, geht anscheinend in Ihr einfallsloses Spatzenhirn nicht rein. Während im Altbau noch Raumhöhen zumTeil von über 32o cm vorhanden sind werden es im Neubau max. 240 cm sein…

    Und jetzt rechnen Sie mal, Sie Leberwurst!

    Altbau: 4 x 300 plus unausgebauter Dachsspeicher
    Neubau: 5x 240 plus ausgebautes Dachspeicher

    Na, der Groschen gefallen, Anfänger!

  • frage

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    @Tomate

    kann ich bestätigen. die derzeitigen raumhöhen sind teilweise sogar über 3,20m.

  • Ojeigerlna

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    Daß die derzeitige Raumhöhe über drei Meter liegt, glaub ich Ihnen gern. Aber daß die Raumhöhe in diesem widerlichen Neubauklotz keine 2,40 Meter beträgt – wollen Sie mich verarschen? Zeigen Sie mir auch nur einen Investor, der einen Quadratmeterpreis von 5000 Euro hinblättert für eine Raumhöhe, die noch nicht mal dem Standard für eine Prolodurchschnittswohnung entspricht! Das können Sie Ihrer Oma erzählen! Und so ganz nebenbei verbuchen Sie das sechste Stockwerk in Ihrer Milchmädchenrechnung nicht mehr mit Zahlen, sondern unter “plus ausgebauter Dachspeicher” – das nennt man kreative Buchführung! Wie hoch wird dieser “ausgebaute Dachspeicher” dann? Wahrscheinlich nur noch 1,80 Meter? Also doch John Malkovich?
    Mit Krebs liegen Sie nicht ganz falsch. Diese Stadt ist vom Krebsgeschwür des Kapitalismus angefressen, und wenn man das zur Sprache bringt, werden die Leute aggressiv.
    Aber abgesehen davon bin i c h jetzt beleidigt. Auf die Beleidigung “Leberwurst” mit – “Leberwurst” zu antworten – fällt Ihnen denn selber garnichts ein, Sie sauerner Zipfel, Sie!?

  • frage

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    @Ojeigerlna

    das sie unrecht haben könnten kommt ihnen nicht in denn sinn?

  • Altstadtfreund

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    Statt der Bauhöhe ist von unten gesehen die Traufhöhe (Dachrinne) wohl wichtiger, wie ja hier http://www.regensburg-digital.de/karmeliten-palais-neue-spitzenpreise-fur-wohnraum/28062012/#comment-29886 jemand angemerkt hat. Traufhöhenvergleiche in Zahlen oder Bildmontagen wären erhellend und dort (mit Link auf andere Vereinsseiten?) zu diskutieren.

    Wo und wie ein Morsbachfreund (Wieland?) ästethische Kritik konkretisierte, könnte hier beantwortet werden …

  • Tomate

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    Zur Traufhöhe (Dachrinne): ich sehe hier keinerlei Unterschied zwischen neu oder alt.
    Noch etwas: soweit meine Informationen stimmen, bleibt sogar das erste Geschoß, also die Außenmauern (dunkelgrauer Teil der Fassade) stehen und werden nicht abgerissen, also stimmt auch nicht der Kommentar, den “jens” in einem Artikel früherer Zeit zu diesem thema geschrieben hat.

    Und noch ein Satz zu Ojeigerlna: ich glaube, Sie sind nur frustriert, weil Sie nicht das nötige Kleingeld haben, um sich das leisten zu können… … das nennt man Neid der Besitzlosen, Sie sind so besitzlos, dass es nicht mal zu einem Hirn gereicht hat…

  • Ein halbes Jahrhundert „gutbürgerlicher Protest“ » Regensburg Digital

    |

    […] Und auch wenn es dem vormaligen Stadtoberhaupt Schaidinger nicht genehm war, ließen es sich die Altstadtfreunde nicht nehmen, immer wieder Dieter Wieland zu ihren Veranstaltungen einzuladen. Jenen Dieter Wieland, der in Reden und Fernsehbeiträge städteplanerischen Unsinn in Regensburg mit scharfen Worten geißelte. Jenen Dieter Wieland, von dem Hans Schaidinger einmal meinte, wenn es eine Stadtmauer gäbe, würde … […]

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