26 Jul2012
Bernhard Banas zur Göttinger Manipulationsaffäre
„Ausbaden müssen es die, die nichts dafür können!“

Wie wurde das System überlistet?
Banas: Erst einmal brauchen wir harte Tatsachen darüber, was wirklich vorgefallen ist. Man muss bis ins Detail aufklären, wie der Betreffende das System überlisten konnte – was übrigens gar nicht so leicht ist. Und dann muß man sich knallhart überlegen: Wie kann man solche Personen bestrafen, denn die wollen wir in unseren Reihen nicht haben. Und wie kann man das System verbessern, damit so etwas nicht mehr vorkommt. RD: Der Mediziner O. soll Laborwerte gefälscht und manipuliert haben, um einen schlechteren Gesundheitszustand bestimmter Patienten vorzuspiegeln. Dadurch wurden sie bei der Organspende bevorzugt. Ist dies denn für einen Oberarzt so einfach möglich? Für Laborwerte sind doch eigentlich Technische Assistenten zuständig. Und Transplantationen laufen doch in einem großen Team ab – sollten da Betrügereien nicht sofort auffallen – nicht erst nach 25 Fällen? Banas: Genau das wundert mich auch. Wahrscheinlich besteht eine Differenz zwischen den Laborwerten, die beim Patienten eingeholt wurden und denen, die an Eurotransplant weitergemeldet worden sind. Man muss jetzt eben aufarbeiten, was passiert ist – ob falsche Laborwerte an Eurotransplant gemeldet wurden oder ob dem falschen Patienten Blut entnommen wurde und dadurch eben Laborwerte falsch zugeordnet wurden. All dies weiß ich im Detail noch nicht. Die Sorge ist natürlich schon groß, dass es nicht einer allein war, sondern ein System dahinter steckt.
Mehr Transparenz notwendig
RD: Der Göttinger Klinikums-Vorstand Martin Siess gab während einer Pressekonferenz zu Protokoll, „theoretisch wären die Akten von einer einzigen Person manipulierbar gewesen“. Falls das stimmt, kann das bisherige Kontrollsystem ja nicht besonders eng sein…? Banas: Ja, in gewisser Weise haben Sie da recht. Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) hat sich ja schon lange bevor der Göttinger Skandal bekannt wurde überlegt, wie man maximale Offenheit und Transparenz reinbringen kann. Das beste Kontrollmoment wären sogenannte Audits, also internationale, externe Expertenteams, die in die einzelnen Transplantationszentren reingehen und sich genau anschauen: Wie krank sind die Patienten, wie ist die Aktenlage, und was wurde an Eurotransplant weitergemeldet? Auf diese Weise hätte man maximale Kontrolle – Mauscheleien wäre so gut wie unmöglich. RD: Man muss also das Kontrollsystem nachbessern? Banas: Ich gehe davon aus, dass das Kontrollsystem nachgebessert wird! Allerdings muss man realistisch sein: Mit genügend krimineller Energie können Sie sich immer etwas einfallen lassen, wie Sie ein System betrügen; da muss man realistisch sein. Und trotzdem ist es natürlich der Wahnsinn, wenn man sieht, was anscheinend in Göttingen vorgefallen ist. Ich selbst habe jeden dritten Nacht Nachtdienst; ich lege mein Leben da rein, dass man die Organe an die Patienten richtig verteilt – und würde es begrüßen, wenn man noch strengere Kontrollen einführt.