26 Jul2012
Bernhard Banas zur Göttinger Manipulationsaffäre
„Ausbaden müssen es die, die nichts dafür können!“
Der Göttinger Transplantationsskandal hat direkten Bezug zu Regensburg: Der Chirurgieprofessor O., der Patienten beim Empfang von Spenderlebern bevorzugt haben soll, hat bis 2008 als Leber-Transplanteur in Regensburg gearbeitet. Ein Interview mit dem Leiter des Transplantationszentrums der Uniklinik. (Alle Fotos: Uniklinikum Regensburg).
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Die deutschen Organtransplanteure haben ihren GAU: Dem inzwischen beurlaubten Chirurgieprofessor O. wird Bestechlichkeit vorgeworfen: Er soll am Uniklinikum Göttingen im großen Stil Patientenunterlagen gefälscht oder frei erfunden, Laborwerte manipuliert – und so bestimmte Patienten beim Empfang von Spenderlebern bevorzugt haben. Die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelt. Es gehe womöglich um „mindestens 25 Patienten“, schrieb die Süddeutsche Zeitung.
Der Fall hat einen direkten Bezug zu Regensburg: O. hat bis 2008 am Transplantationszentrum am hiesigen Uniklinikum gearbeitet. Dessen aktueller Leiter Professor Dr. Bernhard Banas, ist zugleich Generalsekretär der deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG). Banas betont, ihm sei es wichtig, dass das Vertrauen der Bürger ins deutsche Organspendesystem durch die Affäre nicht weiter erschüttert werde und die Zahl der Organspenden nicht weiter sinke. Für ein klärendes Gespräch stand er RD ohne Umschweife zur Verfügung.
Regensburg Digital: Wie bewerten sie als Fachkollege des angeklagten Göttinger Mediziners O. diese Affäre?
Bernhard Banas: Das ist ganz klar eine Katastrophe, das ist entsetzlich. Niemand in Deutschland hat gedacht, dass so etwas möglich ist.
RD: Falls der Kollege aus Göttingen wirklich die Organspender-Warteliste manipuliert hat, was nach dem Stand der Ermittlungen wohl kaum mehr zu bestreiten ist: Was müssen die Konsequenzen sein?
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RD: Wie schützt man sich bisher vor Manipulation?
Banas: Man nimmt auf standardisierte Weise Blut ab, meldet die erhaltenen Werte an Eurotransplant [die Vermittlungsstelle für Organspenden in sieben Ländern inklusive Deutschland; der Verf.] weiter, der Computer errechnet, wer der Kränkeste ist und wer das Anrecht auf das nächste angebotene Organhat und so weiter. Diese Regeln sind für alle deutschen Transplantationszentren gleich.
RD: Man könnte auch sagen: „Das System funktioniert doch, die Sache in Göttingen ist ja aufgeflogen“. Das allerdings mag man bei der bisher unterstellten, hohen Zahl von immerhin 25 manipulierten Spenderleber-Fällen nicht so recht glauben…
Banas: So ist es, besser wäre gewesen, es wäre bereits beim zweiten Mal oder noch besser schon beim ersten Mal aufgeflogen. Aber immerhin ist es aufgeflogen
RD: Allerdings wohl nicht durch eine vorgesehene Kontrolle, sondern durch den Hinweis eines Göttinger Mitarbeiters Ende 2011. Die routinemäßige Kontrolle bei Organspenden obliegt mehreren Kommissionen, die unter dem Dach der Bundesärztekammer agieren und in denen zudem überwiegend Transplantationschirurgen sitzen. Kann man wirklich glauben, dass eine derartige ärztliche Selbstkontrolle funktioniert? Macht man da nicht den Bock zum Gärtner?
Banas: Da muss ich widersprechen. Diese Kommissionen sind nicht von Chirurgen dominiert, sondern von Juristen. Der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer beispielsweise, Hans Lilie, ist ein Jurist. Die eigentlichen Experten der Deutschen Transplantationsgesellschaft sind da leider eher in der Minderheit.

Wie wurde das System überlistet?
Banas: Erst einmal brauchen wir harte Tatsachen darüber, was wirklich vorgefallen ist. Man muss bis ins Detail aufklären, wie der Betreffende das System überlisten konnte – was übrigens gar nicht so leicht ist. Und dann muß man sich knallhart überlegen: Wie kann man solche Personen bestrafen, denn die wollen wir in unseren Reihen nicht haben. Und wie kann man das System verbessern, damit so etwas nicht mehr vorkommt. RD: Der Mediziner O. soll Laborwerte gefälscht und manipuliert haben, um einen schlechteren Gesundheitszustand bestimmter Patienten vorzuspiegeln. Dadurch wurden sie bei der Organspende bevorzugt. Ist dies denn für einen Oberarzt so einfach möglich? Für Laborwerte sind doch eigentlich Technische Assistenten zuständig. Und Transplantationen laufen doch in einem großen Team ab – sollten da Betrügereien nicht sofort auffallen – nicht erst nach 25 Fällen? Banas: Genau das wundert mich auch. Wahrscheinlich besteht eine Differenz zwischen den Laborwerten, die beim Patienten eingeholt wurden und denen, die an Eurotransplant weitergemeldet worden sind. Man muss jetzt eben aufarbeiten, was passiert ist – ob falsche Laborwerte an Eurotransplant gemeldet wurden oder ob dem falschen Patienten Blut entnommen wurde und dadurch eben Laborwerte falsch zugeordnet wurden. All dies weiß ich im Detail noch nicht. Die Sorge ist natürlich schon groß, dass es nicht einer allein war, sondern ein System dahinter steckt.
Mehr Transparenz notwendig
RD: Der Göttinger Klinikums-Vorstand Martin Siess gab während einer Pressekonferenz zu Protokoll, „theoretisch wären die Akten von einer einzigen Person manipulierbar gewesen“. Falls das stimmt, kann das bisherige Kontrollsystem ja nicht besonders eng sein…? Banas: Ja, in gewisser Weise haben Sie da recht. Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) hat sich ja schon lange bevor der Göttinger Skandal bekannt wurde überlegt, wie man maximale Offenheit und Transparenz reinbringen kann. Das beste Kontrollmoment wären sogenannte Audits, also internationale, externe Expertenteams, die in die einzelnen Transplantationszentren reingehen und sich genau anschauen: Wie krank sind die Patienten, wie ist die Aktenlage, und was wurde an Eurotransplant weitergemeldet? Auf diese Weise hätte man maximale Kontrolle – Mauscheleien wäre so gut wie unmöglich. RD: Man muss also das Kontrollsystem nachbessern? Banas: Ich gehe davon aus, dass das Kontrollsystem nachgebessert wird! Allerdings muss man realistisch sein: Mit genügend krimineller Energie können Sie sich immer etwas einfallen lassen, wie Sie ein System betrügen; da muss man realistisch sein. Und trotzdem ist es natürlich der Wahnsinn, wenn man sieht, was anscheinend in Göttingen vorgefallen ist. Ich selbst habe jeden dritten Nacht Nachtdienst; ich lege mein Leben da rein, dass man die Organe an die Patienten richtig verteilt – und würde es begrüßen, wenn man noch strengere Kontrollen einführt.
peter petry
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Heute ein interessanter Artikel in der SZ
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/organspende-skandal-eine-leber-fuer-jordanien-1.1422664
jopi
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Eine gefühlte Ungleichheit hatten die Bürger bei der Organspende mindestens seid über 20 Jahren.
Bereits 1994(!) hat der Spiegel daraufhin hingewiesen,
‘dass der 64jährige Johannes Fürst von Thurn und Taxis 1990 vom Münchner Herzchirurgen Bruno Reichart ein Spenderorgan transplantiert bekam, und als das versagte, gleich ein zweites, das auch nur zwei Tage schlug – das hat, räumen alle Operateure ein, dem Transplantationswesen schwer geschadet,.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13689528.html
erik
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„Ausbaden müssen es die, die nichts dafür können!“
ist doch bei der Finanz- und Wirtschaftkriese genauso! Denen die wenig haben wird genommen, denen die viel haben wird gegeben. Dieser Fall wie oben beschrieben scheint ähnlich gelagert zu sein. Der, der viel zahlen kann bekommt das Organ, der der nicht zahlen kann eben nicht.
Student
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@Erik
Das scheint mir nicht zuzutreffen. Ob von Patientenseite in diesen Fällen Geld geflossen ist, ist meines Wissens noch unklar – und nicht einmal besonders wahrscheinlich, wie mir scheint.
Das ist ja auch gar nicht erforderlich gewesen, da ja sogar die Klinik Göttingen SELBST den Ärzten eine Prämie für jede Operation gezahlt hat. Das hat natürlich – ganz unabhängig von den Patienten! – einen Anreiz für die Ärzte geschaffen, möglichst viel transplantieren zu wollen. Und um das auch zu können, haben sie eben Daten gefälscht, um möglichst viele Lebern – und damit prämierte Transplantationen – durchführen zu können. Möglicherweise auch noch mit dem Gedanken, “ihren” Patienten damit ja was Gutes zu tun. Was ja sogar stimmt. Nur tun sie eben unzulässigerweise damit ANDEREN Patienten etwas Schlechtes.
Das ist zwar sicher alles schlimm, aber die Zusammenhänge scheinen mir hier anders, als sie vermuten, Erik. Im Falle des Fürsten von Thurn und Taxis mögen Sie dagegen Recht haben.
erik
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Angenda 2020, nachdem den Arbeitslosen mit der Agenda 2010 die Taschen geleert wurden, könnte ich mir gut vorstellen, dass ihm oder ihr mit einer jetzt noch fiktiven Agenda 2020 der Körper geleert wird. Nachdem er oder sie sein bzw. ihr letztes Vermögen veräußern musste und alle Ersparnisse aufgebraucht wurden, wird er oder sie in dieser fiktiven Agenda 2020 gezwungen sein, seine bzw. ihre Innereien zu verscherbeln. Die Öl Multimillionäre und Milliardäre im Nahen Osten mit Organbedarf könnten so die Taschen der Armen wieder füllen. Ein Nierchen, ein Paar Eizellen oder ein Lungenflügel gehen immer auch die Leber kann man teilen. Es könnte aber noch mehr Knete rausspringen, der Staat braucht Geld, wenn kümmert es in dieser kalten Ellenbogengesellschaft wenn ein Obdachloser verschwinden würde, ein Arbeitsloser das Amt nicht mehr verlassen würde oder ein Kursteilnehmer nach der Weiterbildung sich in Luft auflösen würde, wahrscheinlich niemanden! Ein Herz, eine Leber, zwei Lungenflügel, zwei Nieren, Haut, Kochenmark usw. das reinste Schlaraffenland für Organbedürftige mit dickem Geldbeutel. Als Nebeneffekt könnte die Vollbeschäftigung so auch wirklich erreicht werden und wäre nicht länger nur heiße Luft! Dem Staat und seinen selbsternannten Möchtegern-Eliten traue ich nach den Hartz-Reformen inzwischen alles zu! Die Deutschen (aus der Unterschicht und abgestiegenen Mittelschicht) sind es ja gewohnt für andere kürzer zu treten und lautet nicht ein Sprichwort:”Am deutschen Wesen soll die Welt genesen”.
Mehr halbgöttliche Selbstkontrolle! | Regensburg Digital
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Werbung und Manipulation | Regensburg Digital
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