Blamabler Prozess um möglichen Schlag gegen Polizisten wird neu aufgerollt
Neue Richterin, mehr Zeugen und vielleicht auf das zentrale Beweismittel, das im ersten Prozess nicht aufzufinden war: Es gibt einen neuen Termin, um die Frage zu klären, ob ein 30-Jähriger einem Polizeibeamten einen Schlag versetzt hat.
Am Rande einer Kundgebung musste die ÖPolizei eine Blockade räumen. Was dabei genau passiert ist, bleibt bislang unklar. Symbolfoto: Archiv
Es war keine Sternstunde der Justiz, was Richter Stephan Lohmann letzten November bei einem Prozess vor dem Amtsgericht Regensburg ablieferte. Im Verfahren um einen mutmaßlichen Schlag gegen einen Polizeibeamten am Rande einer Demonstration Anfang 2024 hatte Lohmann die Anklage zugelassen, ohne die Akte gründlich zu prüfen.
Erst kurz vor dem Termin bemerkte der Richter: Das zentrale Beweismittel, ein Video, das den Schlag zeigen sollte, fehlte. Der Datenträger in der Akte enthielt stattdessen ein Video von einer völlig anderen Veranstaltung. So stand Aussage gegen Aussage, da nur der möglicherweise geschädigte Polizeibeamte als Zeuge geladen war.
Erster Prozess platzte
Der Prozess platzte – obwohl Richter Lohmann den Angeklagten auf fragwürdige Weise zu einem Geständnis drängen wollte („So schlimm wird es dann schon nicht werden.“), was selbst die Staatsanwaltschaft zum Eingreifen veranlasste (hier ein Bericht von damals mit Kommentar).
Ein neuer Termin wurde mehrfach verschoben, da das Video weiterhin unauffindbar blieb. Nun soll das Verfahren Mitte August komplett neu aufgerollt werden – mit einer neuen Richterin, vier statt nur einem Polizeibeamten als Zeugen und möglicherweise auch dem bislang vermissten Video.
Das Video ist jetzt vielleicht da
Eine klare Aussage, ob dieses Video tatsächlich Teil des Prozesses sein wird, gibt es vom Sprecher des Amtsgerichts Regensburg nicht. „Es hat sich aber herausgestellt, dass zum Zeitpunkt des letzten Hauptverhandlungstermins nicht alle Dateien aufgerufen werden konnten, die sich auf den Datenträgern bei der Akte befanden“, heißt es lediglich.
Diese „technischen Schwierigkeiten“ scheinen nun behoben. Ob die Videodateien auf dem Datenträger als Beweismittel taugen oder nicht, werde die zuständige Richterin „in richterlicher Unabhängigkeit“ entscheiden.
Keine Konsequenzen für nachlässigen Richter
Diese richterliche Unabhängigkeit scheint auch Richter Stephan Lohmann vor Konsequenzen für seine nachlässige Prozessführung zu bewahren. Seine Aufgabe wäre es gewesen, die Akte auf Vollständigkeit zu prüfen, ehe er die Anklage letzten November zur Hauptverhandlung zuließ. Doch das hatte er mit Blick auf das mögliche Beweisvideo unterlassen.
Dieses Video ist von elementarer Bedeutung. Während der Polizeibeamte von einem gezielten Schlag gegen seinen Helm sprach, bestritt der Angeklagte, ein Promotionsstudent Anfang 30, jegliche Form von Gewalt ausgeübt zu haben.
Er könne sich allenfalls vorstellen, dass er in dem Gedränge und Geschiebe mit den Armen gerudert habe, um nicht hinzufallen, und dabei den Helm getroffen habe. Doch selbst das könne er sich kaum vorstellen. Daran würde er sich erinnern können.
Polizist sah nicht, woher der Schlag kam
Der Polizeibeamte selbst hätte, so sagte er vor Gericht, den Vorfall wohl nicht zur Anzeige gebracht – zumindest nicht gegen den Angeklagten. Er selbst habe nämlich keine Verletzungen davongetragen und auch nicht gesehen, woher der Schlag kam. Er sei vom Beweissicherungstrupp, von dem das Video stammen soll, darauf angesprochen worden.
Eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage hatte die Staatsanwaltschaft im ersten Prozess trotz der dünnen Beweislage abgelehnt. Der mögliche Hintergrund: eine Weisung bzw. ein Konzept des bayerischen Justizministeriums aus dem Jahr 2020, das eine effiziente und priorisierte Bearbeitung von Gewalttaten unter anderem gegen Polizeibeamte vorsieht. In einem anderen Zusammenhang gibt es auch eine Weisung des bayerischen Innenministeriums, derzufolge Einstellungen gegen Geldauflage (§153 StPO) „auf den Ausnahmefall beschränkt sind und einer sorgfältigen Prüfung und Begründung“ bedürfen.
Ob der Prozess gegen den 30-Jährigen in seiner Neuauflage nun zumindest sorgfältig geführt wird und die Anklage im Gegensatz zum ersten Verfahren von einer Richterin zugelassen wurde, die sich im Vorfeld auch damit befasst hat, wird sich Mitte August zeigen. Und ob dann das ominöse Video vorliegt.
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Paul
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Servus
Sehr interessant die Betrachtung des Autors Herr Aigner.
1. Gewalttaten gegen Polizeibeamte geht gar nicht.
2.”Keine Konsequenzen für nachlässigen Richter”?
Hinweis auf die Strafprozeßordnung (StPO)
§ 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Ob oder wie , welche Konsequenzen?
Das ist Aufgabe der Justiz.
das wird wohl nicht öffentlich gemacht werden.
3. Für 30 Jahre alten Mann geht es um viel. Er promoviert gerade in einem Fach oder hat bereits ? das ihn auch für den Staatsdienst qualifizieren würde.
bei der Blockade einer rechtsradikalen Demonstration , d.h. er hat vielleicht versucht andere an der Ausübung des Demonstationrecht oder ihren weiteren Grundrechten gehindert?
Solche Ambitionen sollen andere bewerten.
manchen ist es nicht bewusst, was es heisst in den Staatsdienst aufgenommen zu werden.
nebenbei
Aktuelle gibt es ja eine große Diskussion über die Besetzung mehrerer Richterstellen am Bundesverfassungsgericht hier ist aktuell ein heftiger Streit entbrannt.