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Glosse

Die Tolerantel: Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einer Umleitung

Toleranz ist eine löbliche Eigenschaft, die den meisten Menschen aber erst mühsam eingeprügelt werden muss. Grade jetzt ist es überhaupt nicht einzusehen, weshalb sich alle so drüber aufregen, dass es so viele Baustellen in der Stadt gibt. Regensburg profitiert massiv davon, sage ich!

Ach Regensburg, du meine Stadt, die mir vertraut ist wie meine treue, alte Doppelripp-Unterhose, und die dennoch immer wieder so viel mehr Überraschungen birgt als meine treue, alte Doppelripp-Unterhose. Mein altes Vorurteil vom allzu reichen, pseudo-urbanen Bauerndorf wird immer wieder aufs Schärfste widerlegt, und freudig gestehe ich mein Irren ein.

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Mich als altem Wörterdrechsler hat mich ja immer schon die Wohnraumaufwertung per Pronomen fasziniert: DAS Dörnberg, DAS Candis, DAS Marina, das wirkt sich positiv auf Wohngefühl wie auch auf den Quadratmeterpreis aus. Sprache schafft Rendite, wie es so schön heißt. Aber das war nur der erste Schritt Richtung Metropole, wie sich jetzt zeigt.

Das Regensburger Grundproblem: die Größe

Kleinstädtigkeit ist vor allem eine Einstellungssache, das wird mir immer klarer. Der John Travolta wohnt auch in irgendeinem Saukaff in Florida, aber er parkt halt seine Boeing direkt vor dem Haus neben der Wertstofftonne, und das macht halt schon was her. Regensburg kontert bislang noch mit einer wohl von Lummerland inspirierten Touri-Lok, mittels der die Fußlahmen und Wissbegierigen durch die Stadt gekarrt werden, und die jetzt weniger den Hauch der Großstadt ausstrahlt als den Windelgeruch eines Märchenparks im Zonenrandgebiet.

Aber natürlich muss die Lok in Regensburg auch nicht weitere Kreise ziehen als im Lummerland der Augsburger Puppenkiste.

Das ist natürlich ein Grundproblem von Regensburg: die Größe. Beziehungsweise der Mangel selbiger. Rein geographisch, natürlich; intellektuell ist unsere Stadt jederzeit in der Lage, einen oder zwei Kandidaten ins Dschungelcamp zu schicken.

Und jetzt geht Regensburg, dieser Innovations-Hub unter den reichsfreien Städten, auch die räumliche Enge an, proaktiv, gewissermaßen. Kann ja nicht sein, dass eine so auf die Zukunft ausgerichtete Stadt ständig darunter zum leiden hat, dass die Römerstraßen nicht für den hier so typischen Stadt-SUV ausgelegt waren, und dass die Gassen der Altstadt heute wie vor 800 Jahren kaum zu mehr taugen, als darin abzukoten.

Der neue Trend zur innerstädtischen Dauerbaustelle

Wie lässt ich jetzt ein Mangel an Räumlichkeit kompensieren? Kann man Regensburg einen Zylinder aufsetzen und Plateauschuhe anziehen, damit es größer wirkt? Oder das Scheinriesenhafte abzulegen, um im Lummerland-Bild zu bleiben?

Mitnichten. Die Stadt handelt – und ich freue mich sehr, diese Vokabel endlich einmal wieder verwenden zu dürfen – ingeniös.

Man baustellt die Stadt derartig zu, dass die 80 Meter zum Bäcker nur noch von professionellen Parcours-Athleten halbwegs geradlinig absolviert werden können. Der Rest muss drumherum, und hier wird das Umdenken des Kleinbürgers Richtung Metropole provoziert.

Man muss sich ja vorstellen, dass es für einen New Yorker völlig normal ist, eine gute Stunde unterwegs zu sein vom Puff zur Kirche. Der Regensburger hingegen kennt meist die Stadtgebiete des jeweils anderen Donauufers nur vom Hörensagen, weil er sich trotz der vielen Trekkingläden für die weite Reise hin- oder herüber nur unzureichend gerüstet fühlt.

Der kürzeste Weg zum Ruhm ist immer ein Umweg

Der neue Trend zur innerstädtischen Dauerbaustelle nimmt sich dieses Problems vortrefflich an: der Bürger gewöhnt sich sukzessive an größere Distanzen, und so führen die physischen Barrieren im Straßenbild zu einem Abbau der Barrieren im Kopf.

Es ist ein bisschen wie früher auf dem Dorf: wenn man da etwas gelten wollte, dann hat man zumindest einen Kreisverkehr haben müssen. Regensburg aber war eigentlich nie viel mehr als ein Kreisverkehr mit Kaffeebegleitung, aber auch so ein Kreisverkehr lässt sich größer denken. Regensburg denkt seinen Kreisverkehr jetzt eben gleich als mittleren Ring, frei nach dem Motto: Der kürzeste Weg zum Ruhm ist immer ein Umweg.

Auch mich als Fußgänger bringt das nicht nur körperlich, sondern auch geistig auf Trab. Alleine der Umstand, dass jetzt in manchen Sträßchen der Bus zum ersten Mal seit überhaupt von einer anderen Seite als der gewohnten kommen könnte, sorgt meiner Ansicht nach mittelfristig für eine verkehrsdarwinistische Bereinigung der mental allzu Unflexiblen.

Da soll’s ja zwei oder drei hier geben, die das betreffen könnte. Und die anderen haben endlich mal Gelegenheit, ihre Rollatoren ordentlich auszufahren.

Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit der ersten Umleitung

Apropos ausfahren: wir haben ja jetzt auch Uber in der Stadt, in der bislang die Taxis kaum einmal über den zweiten Gang hinausschalten haben müssen. Immer nur Kurzstrecke, das ist nicht gut für den Motor, und fürs Taxameter schon zweimal nicht. Da kann jetzt endlich mal das Motoröl warm werden und sich gescheit im Aggregat verteilen.

Ich hab ja kein Auto, aber ich freu mich über jede Baustelle, weil sie mich dazu bringt, meine Stadt ganz neu zu entdecken, in einer Weise, die gar nicht möglich ist, wenn man immer nur stracks von A auch B geht. Jetzt merkt man auf einmal, dass es da auch noch ein C und ein D gibt, von dem man nie etwas geahnt hat! Und ich möchte betonen, dass ich sogar zu jenen Abenteuerlustigen zähle, die auch ohne Not immer mal wieder nach Stadtamhof hinüberschauen, wenn sie sich einen frischen Wind um die Nase wehen lassen wollen.

Der Weg ist das Ziel, das haben schon die alten Chinesen gewusst, und eine Reise von tausend Meilen beginnt mit der ersten Umleitung. Der Mensch an sich ist zu sehr in der Erde verwurzelt, um sich an der Luftlinie zu orientieren; das sei getrost den Schwalben überlassen.

Regensburg ist mehr als die kreisstädtische Umsetzung von einem Tiny House, und das sollen die Leute auch merken.

Die allgegenwärtige Durchfahrt-Verboten-Dekoration

Jetzt haben wir halt eine Straßenführung wie eine kommunalpolitische Koalitionsverhandlung; von hinten links über den Feldweg am Dixi-Klo vorbei zum taktischen Stillstand. Immerhin gibt’s überall Kaffee, und auch Prosecco-Tankstellen hat die Stadt mehr als Ladesäulen.

Ich glaube schon, dass sich die allgegenwärtige Durchfahrt-Verboten-Dekoration auch auf die örtliche Politik auswirken wird – aber wie halt.

Werden die Bürger die Gelegenheit zur regional-mentalen Fortbildung nutzen oder doch eher stinkig sein, weil sie auf dem Weg zum Kneitinger drei Kalorien zu viel verbrennen?

Was haben sich die Leute damals über den Christian Schlegl lustig gemacht, wo er im Fall seiner Wahl als Oberbürgermeister unterirdische Buslinien einführen wollte. Tjaha, da lacht jetzt aber keiner mehr; direkt visionär scheinen seine Pläne heute angesichts der vielen Straßensperren!

„Die Brücke“ zur SPD, „Der Tunnel“ zur CSU

Gewonnen hat ja damals, das wissen wir, der Joachim Wolbergs, dessen Umgehungsstraßen eher finanzieller Natur waren, und dessen politischer Untergang letztlich in der Gründung der „Brücke“ mündete, bei der wir die Verkehrspolitik ja auch schon im Namen drin hätten. Vielleicht gibt es jetzt dann ja auch, analog zur kommunalen Zweit-SPD, bald noch eine CSU-Alternative, in der sich die Partei endlich auch mal ganz offiziell nach außen hin spaltet.

Vorschlag: „Die Brücke“ zur SPD, „Der Tunnel“ zur CSU. Als Slogan bei den einen: „Wir gehen drüber, wir stehen drüber“, bei den anderen: „Ganz schnell mit uns unten durch.“

Die politische Botschaft profitiert stets von der Vermittlung einer Bewegung, meistens einer nach vorne gerichteten, Ich hab ja die Zeit nicht, aber an sich könnte ich mir schon vorstellen, das Parteienspektrum ein bisschen aufzumischen.

„Ich bin der Stein, der die Dinge ins Rollen bringt.“ Kawumms, das hat Bums, ich sehe mich schon mit der goldenen OB-Kette. Aber wie gesagt, ich hab Terminprobleme. Deshalb bleib ich auch politisch streng neutral, und damit die herrschende Stadtregierung nicht in die Baugrube fällt, die sie anderen gegraben hat, hier auch für sie mein Vorschlag einer positiv umgedeuteten Schaffensbilanz mit Zug nach vorne: „Immer noch schneller als die Kontinentaldrift.“„"

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Kommentare (2)

  • Mr. T.

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    Hätten die Abspalter der CSU damals einen Spin Doctor wie den Herrn Stein gehabt, wäre es ihnen sicher besser ergangen, als in der Bedeutung zu verschwinden wie eine Seifenblase im Hagelsturm. Der Tunnel als Analogie zur bruecke ist genial!

    Bei den Baustellen hoffe ich mal, dass man sieht, dass die Welt für mache nicht untergeht, wenn man keine Altstadtrunden mit dem Auto mehr fahren kann. Und wenn man den Bauarbeitern, das, was man sonst immer an Strafzetteln gezahlt hat, in die Hand drückt, heben sie einem vielleicht die G-Klasse mit dem Kran vor den Pustet wenn man im Palletti einen Prosecco schlürfen will.

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  • Informant

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    Da kann ich nur zustimmen, die Baustellen erweitern den Horizont und machen bisher unvorstellbares erfahrbar. Wie es wohl ist, wenn in der sogenannten Fußgängerzone tatsächlich keine Autos fahren, zum Beispiel. Mit glücklichem Timing kann man das aktuell in real, also nicht nur auf dem Holodeck, testen.

    Sind am Ende auch die Radfahrer rücksichtsvoller, weil sie nicht zuvor die ganze Gesandtenstraße hinter einem Auto her schleichen mussten und bis zum Neupfarrplatz dann komplett genervt sind?

    Nutzt die Zeit, solange es diesen Versuchsaufbau gibt!

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