„Ein Scheißsignal“: Regensburgs OB laviert mit knapper Not Nachtragshaushalt herbei
Nur weil die Oberbürgermeisterin Forderungen der CSU nachgibt, bekommt sie doch noch eine Mehrheit für den Nachtragshaushalt. Das kommende Haushaltspaket wird der Stadtrat angesichts des Zustands der Stadtspitze in dieser Periode wohl nicht mehr hinbekommen.
Hat als Oberbürgermeisterin kein glückliches Händchen: Gertrud Maltz-Schwarzfischer. Foto: Staudinger
Beginnen wir mit dem Positiven, bevor wir die Sitzung des Finanzausschusses am Donnerstag beleuchten – ein exemplarisches Beispiel für den Zustand des Stadtrats unter einer führungsschwachen, scheidenden Oberbürgermeisterin. Zunächst die gute Nachricht: Trotz des „Kollapses“ der Kommunalfinanzen, der Städte und Gemeinden in ganz Deutschland trifft – allein in Bayern beträgt das Defizit der Kommunen im ersten Halbjahr 4,6 Milliarden Euro – steht Regensburg bundesweit gut da.
So beschreibt es zumindest Kämmerer Maximilian Mittermeier. Während andere Städte Einbrüche bei der Gewerbesteuer von „60 bis 90 Prozent“ verzeichnen, meldet Regensburg weiterhin „stabile Steigerungsraten“. In diesem Jahr sind es 235 Millionen Euro – ein Plus von 21 Prozent. Dank dieser Entwicklung kann Mittermeier verkünden, dass der Nachtragshaushalt, der am Donnerstag beschlossen werden soll, mit einem Plus von sieben Millionen Euro abschließt, statt wie befürchtet mit einem Minus von 26 Millionen.
Ablehnung der Grünen war seit Februar bekannt
Doch ob der Nachtragshaushalt eine Mehrheit findet, bleibt zu Beginn der Sitzung ungewiss.
Dass die Grünen aufgrund der eingestellten Mittel für die Sallerner Regenbrücke nicht zustimmen würden, ist schon länger klar. Deren Ja zum Haushalt im letzten Jahr gab es nur, weil die Mittel für das umstrittene Verkehrsprojekt zuvor gestrichen worden waren. Damit verärgerte die OB die CSU. Über nachträgliche Beschlüsse mit den Stimmen der CSU wiederum wurden im Februar die Gelder dann doch wieder auf den Weg gebracht – und die Grünen vergrätzt.
Deren Fraktionschef Daniel Gaittet kündigte schon damals an, dass es von ihnen unter diesen Bedingungen keine Zustimmung zum Haushalt geben werde. Maltz-Schwarzfischer sei nun der CSU „ausgeliefert“.
Dazu kommt es denn auch am Donnerstag.
CSU: Keine Mittel für Sea-Eye und Rolle rückwärts beim dritten Rathaus
Im Vorfeld der Sitzung teilt die CSU der Oberbürgermeisterin mit, dass sie dem Paket nur unter zwei Bedingungen zustimmen werde:
1. Die bereits beschlossenen Planungsmittel zur Sanierung des alten REWAG-Gebäudes zum dritten Rathaus werden gestrichen.
2. Die geplante Aufstockung von Spenden für die NGO Sea-Eye um maximal 30.000 Euro im Rahmen der städtischen Patenschaft fliegen aus dem Nachtragshaushalt.
Verzweifelter Appell der OB-Referentin
Es folgte, keine drei Stunden vor der Sitzung, eine Mail der persönlichen Referentin der Oberbürgermeisterin an die anderen Fraktionen. In dem verzweifelten Appell heißt es unter anderem:
„Eine Ablehnung des Nachtragshaushalts hat – wie bekannt – erhebliche Auswirkungen auf den Projektverlauf und Verwaltungsvollzug. Projekte können nicht fortgesetzt werden, Stellen laufen aus, Stellen können nicht(wieder)besetzt werden. Es wäre ein fatales Signal in der Öffentlichkeit und in die Verwaltung hinein, das die jeweiligen Fraktionen damit senden.“
So geht die Oberbürgermeisterin in die Sitzung – ohne zu wissen, ob der Haushalt eine Mehrheit bekommt.
Wolbergs: Verhalten der OB ist beispiellos
Dort findet ihr Vorgänger Joachim Wolbergs (Brücke) deutliche Worte. Zunächst in Richtung von Grünen und CSU. Es sei „Schwachsinn, beim Nachtragshaushalt ein politisches Süppchen zu kochen und damit die Handlungsfähigkeit der Verwaltung in Gefahr zu bringen“, so der Ex-OB.
Die CSU habe beim REWAG-Gebäude stets mitgestimmt und sei jetzt plötzlich dagegen. Er sei ja gespannt, ob Sozialbürgermeisterin Astrid Freudenstein nun auch gegen den Nachtragshaushalt ihres eigenen Referatsstimmen werde. „Aber die ist ja mittlerweile sowieso jenseits von Gut und Böse. Der ist alles egal. Sowas von Verantwortungslosigkeit habe ich noch nicht erlebt.“ Die CSU entscheide „auf Basis von Halbwissen“.
Harte Worte in Richtung OB und CSU: Joachim Wolbergs. Foto: Archiv
Fast noch schärfer fällt Wolbergs’ Kritik an der Oberbürgermeisterin aus. Es sei beispiellos, dass eine OB ohne Mehrheit in eine Sitzung gehe. „Das ist geschmacklos.“ Dennoch werde die Brücke dem Haushalt zustimmen. „Wir schlucken jede Kröte, um die Handlungsfähigkeit der Verwaltung zu sichern.“
OB lehnt Vertagung ab
Anschließend geht es hin und her. Die OB verteidigt sich. Sie habe erst so spät von der Ablehnung der CSU erfahren. SPD-Fraktionschef Thomas Burger springt in die Bresche. „Der Nachtragshaushalt eignet sich für politische Diskussionen.“ Eine „Blutgrätsche für die Verwaltung“ sei das. Es gehe doch nur darum, „das zu bezahlen, was man mit Beschlüssen bestellt hat“.
Sowohl Grüne wie auch CSU beantragen eine Vertagung, um sich nochmal zusammenzusetzen. Doch die OB lehnt ab. Dazwischen freut sich die AfD darüber, dass die Mittel für Sea-Eye nun auf der Kippe stehen.
Grüne: „Sallerner Regenbrücke war schon immer die rote Linie.“
Grünen-Fraktionschef Daniel Gaittet verweist darauf, dass man bereits im Februar erklärt habe, dass die Sallerner Regenbrücke „eine rote Linie“ für seine Fraktion sei. Insofern sei es „politischer Wahnsinn“ und „anmaßend“ von der OB, ohne Mehrheit hier in den Ausschuss zu gehen. „Da hätte man schon lange Gespräche führen können.“
Ein Ratsbegehren zur Regenbrücke hätte ein Kompromiss sein können, sagt Gaittet. Das sei nicht drin, erwidert die OB. Es gehe schließlich um die Verlässlichkeit von Verwaltungshandeln, dass man also das auch umsetze, was man seit Jahren plane. Ein Grundsatz, der bei der ebenfalls jahrelang geplanten Stadtbahn nicht galt. Hier gab es ein Ratsbegehren – mit bekanntem Ergebnis.
OB gibt in allen Punkten nach
Die Mittel für Sea-Eye könne man problemlos schieben, meint die OB. Es gebe ja dennoch den Beschluss. Das Geld könne nach Abschluss der Spendenaktion fließen – sofern die Regierung der Oberpfalz, bei der ein Bürger eine rechtliche Prüfung beantragt hat, zustimme. Auch in Sachen REWAG-Gebäude/drittes Rathaus gebe es Möglichkeiten.
Schließlich, nach eineinhalb Stunden Debatte, wird die Sitzung unterbrochen. Die OB verhandelt mit der CSU. Erfolgreich – sie gibt in allen Punkten nach.
Mittel für Sea-Eye gestrichen: Ein Problem oder nicht?
Der Teil der Mittel für die Sanierung des REWAG-Gebäudes, der noch nicht durch Verpflichtungen gebunden ist, wird aus dem Nachtragshaushalt gestrichen. Über den Rest der Gelder und damit die Zukunft des dritten Rathauses soll der nächste Stadtrat entscheiden. Aus dem Nachtragshaushalt gestrichen werden auch die Mittel für Sea-Eye. Kein Problem, meint die OB. Schließlich werde das Geld erst im nächsten Jahr benötigt – und es gebe ja einen gültigen Beschluss dafür.
Joachim Wolbergs spricht dennoch von einem „Scheißsignal“, das die Oberbürgermeisterin damit aussende. Theresa Eberlein (Grüne) zeigt sich „entsetzt“ über dieses Vorgehen. „Von der Symbolik ist das der Hammer.“ Die Stadt sei in ihrer Zusage „nicht verlässlich“.
Freudentag für die AfD
Erfreut ist AfD-Stadtrat Thomas Straub. Der hofft: „Beschlüsse kann man auch ändern“ Je nachdem, ob die Prüfung durch die Regierung der Oberpfalz eben bis nach der nächsten Kommunalwahl dauert und ein neuer Stadtrat die Sea-Eye- Unterstützung dann doch noch kippt.
Joachim Wolbergs prophezeit, dass der neue Haushalt, der demnächst zur Diskussion in den Ausschüssen und im Plenum ansteht, nicht mehr von diesem Stadtrat beschlossen werden wird. Das sei „eine Katastrophe“, für die Maltz-Schwarzfischer die Verantwortung trage.
„Die gesamte Schuld dafür weise ich von mir“, erwidert hingegen die OB. Es sei eben schwierig mit so einem Stadtrat im Vorfeld von Kommunalwahlen. Deshalb habe auch sie „große Zweifel, ob wir den Haushalt noch beschließen können“.
„Kommunalwahl, damit hier Leute Entscheidungen treffen, die auch das Zeug dazu haben.“
Fast zu einem Wutausbruch kommt es nach dieser Bemerkung bei Daniel Gaittet. „Wenn man mit wechselnden Mehrheit regieren will, braucht es eine klare Führung und klare Ansagen und keine Taschenspielertricks und Haltungslosigkeit.“ Diese Sitzung sei „das beste Beispiel dafür, was hier kolossal schiefläuft“, so der Grünen-Fraktionschef. „Es braucht diese Kommunalwahl, damit hier andere Leute Entscheidungen treffen und zwar solche, die auch das Zeug dazu haben.“ Die gestrichenen Mittel aus dem Nachtragshaushalt werden nun in andere Töpfe umgeschichtet.
Das geht offenbar problemlos, ob nun bestellt oder nicht.
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Dominik Müller
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Wozu ein Ratsbegehren, wenn die Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehren so schleppend läuft, dass es womöglich nicht zum Bürgerentscheid kommt und wenn doch, erwartbar die Brückengegner krachend scheitern? Die OB-Kandidatin wird wohl sieglos bleiben, wenn trotz Baurecht nach so einem langen Verfahren an der roten Linie festgehalten wird.
Wenigstens wird so schnell kein(e) OB es in Regensburg nochmal mit wechselnden Mehrheiten versuchen.
Guenther
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Die läppischen 30000 Euron vom Stadtsäckel können doch sicherlich von den Befürwortern von ihren z.B. Aufsichtsratsposten freiwillig gespendet werden. Zusätzlich können dann noch die Beträge von der Steuer abgesetzt werden. Alles halb so schlimm, der Stadthaushalt wird vielleicht entlastet und die Neinsager werden vielleicht blamiert.