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Bier in Gefahr?

„Massiver Schädlingsbefall“: Reismehlkäfer und Motten bringen Bio-Brauer vor Gericht

Einen Strafbefehl wegen Verstößen gegen das Lebensmittelgesetz wollte sich der Chef einer traditionsreichen Bio-Brauerei nicht gefallen lassen. Das Landgericht Regensburg sah zumindest das Reinheitsgebot als nicht verletzt an.

Bier spielte am Dienstag vor dem Landgericht Regensburg eine tragende Nebenrolle. Foto: Staudinger

Bauliche und hygienische Mängel, vor allem aber jede Menge Ungeziefer waren es, die den Chef einer Bio-Brauerei aus dem Altmühltal nun vor das Landgericht Regensburg geführt haben. Letzten April hatte das Amtsgericht Kelheim die Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz (§ 59 LFGB) in dem Brauhaus als so gravierend eingestuft, dass es den 43-Jährigen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 95 Euro verdonnert hatte. Das Bier sei unter Bedingungen hergestellt worden, die beim Verbraucher „Ekel oder Widerwillen“ hervorrufen würden, wenn er davon gewusst hätte, so das Gericht.

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Dieses Urteil wollte der Braumeister nicht auf sich sitzen lassen und ging in Berufung vors Landgericht Regensburg. Dort bezeichnet Richter Matthias Clausing, Vorsitzender der siebten Strafkammer, die 120 Tagessätze am Dienstag auch als „etwas happig“. Schließlich sei da der mögliche Rahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe schon zu einem Drittel ausgeschöpft worden. Doch völlig ungeschoren lässt man den Bio-Brauer auch hier nicht.

Lebensmittelkontrolleure finden Insekten in der Schrotmühle

Darum geht es. Bei einem planmäßigen Besuch der Lebensmittelüberwachung am 23. August 2022 hatten der zuständige Kontrolleur des Landratsamts Kelheim und der für Brauereien zuständige Fachkontrolleur des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – wieder einmal – diverse Mängel in der Brauerei festgestellt.

Das Urteil des Amtsgerichts Kelheim listet Spinnweben, dicke Staubschichten, Rost, Nässe und Schimmelflecken in verschiedenen Lager- und Produktionsräumen. Mängel, die sich beheben lassen und die so oder so ähnlich offenbar schon häufiger vorgekommen sind. Das Urteil listet diverse, teils mit Bußgeldern versehene Auflagenbescheide des Landratsamts aus den Jahren 2016, 2018, 2019 und 2020 auf.

Was am 23. August aber besonders auffiel und den Kontrolleuren ins Auge stach, war der massive Schädlingsbefall, den sie feststellten – im Sudhaus und im Hopfenkeller, vor allem in der Schrotmühle, wo das Braumalz zerkleinert wird.

Mitarbeiter fälschte Reinigungsprotokoll

Bereits von außen habe man die herumliegenden toten Insekten gesehen, berichtet der damals anwesende Lebensmittelkontrolleur im Zeugenstand. Als er und sein Kollege die Mühle geöffnet hätten, seien ihnen Motten und Reismehlkäfer entgegen gefallen und heraus gekrabbelt. Selbst im Probennehmer, über den das zerkleinerte Schrot kontrolliert wird, seien Käfer gewesen. „Es hat wirklich keine Stelle gegeben, wo wir keine gefunden haben.“

Er kenne alle elf Brauereien, die es im Landkreis Kelheim gebe, ziemlich gut, sagt der Zeuge auf Nachfrage. Doch so einen massiven Schädlingsbefall habe er allenfalls einmal in einer anderen Brauerei festgestellt.

Ein Mitarbeiter des Brauhauses, der die Mühle laut einem entsprechenden Protokoll erst wenige Tage zuvor gereinigt hatte, habe ihm gegenüber eingeräumt, dass er das nicht getan, sondern lediglich in der Liste abgezeichnet habe, erzählt der Kontrolleur.

Der Brauerei-Chef: Kooperativ, aber…

Man habe die Mühle sofort gesperrt und damit die Produktion gestoppt. Der Brauerei habe man noch die Möglichkeit gegeben, die Anlage zu reinigen, bis die knapp zweistündige Kontrolle abgeschlossen war, um dann nochmals zu prüfen. Doch das habe nicht geklappt. Man habe wieder noch Käfer in einem Rohr gefunden, wo man „nur mal den Staubsauger reinhalten“ hätte müssen. Die Produktion stand also weiter still. „Ich bin dann extra nachmittags noch einmal hingefahren, damit die Schrotmühle wieder freigegeben werden kann.“

Dieses Entgegenkommen beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit. Auch der Brauerei-Chef sei „wirklich kooperativ“ und alles andere als schwierig gewesen.

„Er hat gleich eingeräumt, dass da was schiefgelaufen ist“, so der Zeuge. Gerechtfertigt habe er das unter anderem damit, dass er zu wenig Mitarbeiter habe. „Aber da war es eben schon passiert.“ Und das sei nicht zum ersten Mal so gewesen. „Es geht nach jeder Routinekontrolle wieder von vorne los.“

Brauerei-Chef beteuert: Keine Käfer im Bier!

Nach der Kontrolle im August 2023 blieb es denn auch nicht allein bei einem bußgeldbewehrten Auflagenbescheid des Landratsamts, den der Brauerei-Chef akzeptierte und die Auflagen erfüllte, sondern es folgte ein nun gerichtsmassiger Strafbefehl.

Der 43-Jährige rechtfertigt einige Zustände in dem Brauhaus damit, dass es sich um ein historisches Gebäude handle, direkt am Felsen gebaut. Da träten schon mal bauliche Mängel auf. Kurz vor der Kontrolle habe es dann noch ein Starkregenereignis gegeben, verbunden mit Wassereinbrüchen. Ansonsten sei die Bio-Brauerei ein handwerklicher Betrieb, der regelmäßig gereinigt werde. „Anders als hygienisch würde es auch gar nicht gehen. Da würde uns das Bier umkippen.“

Käfer, Staub und Schmutz seien auch nicht in Berührung mit dem Produkt gekommen. Und den Käferbefall in der Schrotmühle habe man im Vorfeld der Kontrolle selbst nicht festgestellt. Warum das so gewesen sei, könne er nicht beurteilen.

Kontrolleur: „Dass die Schrotmühle ein Schwachpunkt ist, weiß eigentlich ein jeder Brauer.“

Der 43-Jährige kam 2015 als Junior-Chef ins Familienunternehmen und führt seit 2021 alleine die Geschäfte. Er ist zwar selbst ausgebildeter Brauer und Mälzer, hat Erfahrung als Braumeister im Ausland, in der heimischen Bio-Brauerei aber ist er im Wesentlichen als Geschäftsführer tätig.

Wie oft denn die anderen Brauereien ihre Schrotmühlen reinigen würden, will er am Dienstag von dem Lebensmittelkontrolleur im Zeugenstand wissen. Der stutzt ein wenig, sagt, dass man die Mühle eigentlich nach jedem Gebrauch reinige. „Dass die Schrotmühle ein Schwachpunkt ist, weiß eigentlich ein jeder Brauer. Da ist die Gefahr von Motten und Reismehlkäfern sehr groß.“

Ein „außergewöhnlich massiver Schädlingsbefall“, wie man ihn damals festgestellt habe, entstehe auch „nicht von heute auf morgen“. Das dauere schon länger. „Auch wenn man vielleicht zu wenig Mitarbeiter hat, muss man seinen Betrieb trotzdem sauber halten. Als verantwortliche Person muss ich halt auch mal selber durchgehen.“

Juristischer Grenzfall: Bewusste Fahrlässigkeit oder bedingter Vorsatz?

Nach der Vernehmung des Zeugen spricht Matthias Clausing Klartext. Die Kammer gehe mindestens von bewusster Fahrlässigkeit aus, möglicherweise handle es sich um bedingten Vorsatz – ein Grenzfall.

Der entscheidende Unterschied: Bei bewusster Fahrlässigkeit, dass also – etwas flapsig ausgedrückt – der Brauerei-Chef bei der Reinigung wissentlich schlampen ließ mit der Annahme, dass schon nichts passieren werde, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Bei bedingtem Vorsatz, also dass der Brauerei-Chef den Schädlingsbefall zumindest billigend in Kauf genommen hat, handelt es sich um eine Straftat.

Von einem vorsätzlichen Handeln ging auch der zunächst verhängte Strafbefehl über 120 Tagessätze aus, den das Amtsgericht Kelheim bestätigte.

Um aufwändigen Prozess zu vermeiden: Gericht regt Verständigung an

Um festzustellen, ob hier nun Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliege, müsse man den Prozess völlig anders, aufwändiger aufziehen, erläutert Richter Clausing. Da brauche es unter anderem Gutachten zu den hygienischen Zuständen, aber auch weitere Zeugenvernehmungen. „Das kostet Geld, Zeit und es ist unklar, ob es damit endet.“

Der Kammervorsitzende regt an, die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken – also auf die Anzahl der Tagessätze. Damit würde der Bio-Brauer die Vorwürfe, vor allem aber den den Vorsatz zwar einräumen, andererseits könnte man sich mit der Staatsanwaltschaft darauf verständigen eine Strafe von maximal 90 Tagessätze zu fordern – also eine Vorstrafe zu vermeiden.

Verteidiger Johann Semmelmayer hat zwar einige Einwände. Es sei die Frage, ob sein Mandant sich die Versäumnisse von Beschäftigten strafrechtlich zurechnen lassen müsse. Es sei schon „sehr, sehr streng“, das in die Geschäftsleitung zu tragen. „Das hätte auch mit einer Ordnungswidrigkeit erledigt werden können“, merkt der Rechtsanwalt an. Am Ende aber lassen sich alle Beteiligten auf die vorgeschlagene Verständigung ein.

„Reinheitsgebot stets eingehalten“: Gericht reduziert Strafe auf 60 Tagessätze

Nach kurzer Beratung verhängt die Kammer nun eine Geldstrafe von 60 Tagessätze zu 95 Euro und halbiert damit nicht nur die Strafe des Amtsgerichts Kelheim, sondern bleibt auch deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von 90 Tagessätzen.

„Wir habe ganz gewaltig zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Beschränkung seiner Berufung einem Geständnis gleichkommt, obwohl er sich selbst nur wenig Schuld bewusst ist“, sagt Matthias Clausing zur Begründung. Dadurch sei ein möglicher Mammut-Prozess vermieden worden.

Das Gericht rechnet dem Angeklagten ebenfalls strafmildernd an, dass die Hygieneprobleme rasch behoben wurden, er gegenüber den Kontrolleure stets kooperativ war und er sich wohl einfach nur „zu wenig gekümmert“ habe. „Außerdem gehen wir davon aus, dass das Reinheitsgebot stets eingehalten wurde.“

Die Gerichtskosten teilen sich Angeklagter und Staatskasse jeweils zur Hälfte.

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Kommentare (6)

  • Johann

    |

    Hauptsache Bio 😂🤦‍♂️ und die Leute geben dafür viel Geld aus!
    Beim Bier ist Bio eh ein Schmarrn, ( Schimmel auf Hopfen und Gerste ) lieber regional und gut ohne Erhitzung dafür mit vollem Geschmack wie die Brauereien im Laabertal ihr Bier brauen..
    Das es das Riedenburger Brauhaus ist dürfte allen klar sein. Mir hat’s noch nie geschmeckt😉

    Prosit 🍻

  • Hthik

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    @Johann 10. Januar 2024 um 17:13

    Gewöhnen Sie sich besser an den Geschmack. Bald sind Sie froh um die Proteine.

  • da_Moartl

    |

    Wer schon über Jahre hinweg ständig in die Kontrollen reinrasselt, dem kann man nun wirklich keine einfache Fahrlässigkeit mehr vorwerfen. Hätte ein x-beliebiger Gastro-Betrieb ähnliche Zustände in seiner Küche – dem wäre aber sofort der Laden geschlossen worden. So hat der junge Brauherr sich “kooperativ” gezeigt (man könnt auch sagen gescheit “hingeschleimt”), und schon kommt ein guter Vergleich dabei raus. Wetten wir, dass in spätestens zwei Jahren wieder der gleiche Saustall anzutreffen ist?

  • Dugout

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    @Da_Moartl:
    Da die Sache bald 2 Jahre zurück liegt, haben sie ihre Wette bald verloren.

  • Daniela

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    Das gute alte Reinheitsgebot von Anno dazumal 1516.

    Und nunmehr die strengen Regeln der Hygiene.

    ….besser geht es nicht!

  • Mr. T.

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    Ein Saubrauer sozusagen. Ohne die überbordende Bürokratie und die ständigen nervenden Kontrollen wäre das alles nicht passiert, also dass es aufgefallen ist, wie unhygienisch die Zustände in der Brauerei sind. Bin gespannt, wann die Brauer ihre Macht entdecken und mir ihren Bierlieferwagen auf die Straße gehen – oder gar die Kehlen austrocknen. Eigennützige Gründe hätten sie wie die Bauern sicher auch.

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drin