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Nachruf

Reinhard Kellner ist tot – er war das soziale Gewissen von Regensburg

Er stand in Regensburg für soziale Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit wie kaum ein anderer. Beim Aufbauen für den 1. Mai ist Reinhard Kellner, Gründer und Sprecher der Sozialen Initiativen, zusammengebrochen und verstorben.

„Was ich tue, macht mich glücklich.“ Reinhard Kellner starb am Donnerstag. Foto: Herbert Baumgärtner

Die Nachricht ging am Donnerstag wie eine Schockwelle durch Regensburg. Reinhard Kellner ist tot. Am frühen Morgen hatte er beim Aufbauen für die Mai-Kundgebung am Haidplatz mitgeholfen, auch wenn er sich nicht ganz wohl gefühlt hatte. Doch der 1. Mai und die Verpflegung durch die Sozialen Initiativen waren sein Baby. Da wollte Kellner nicht fehlen.

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Irgendwann zwischen sieben und halbacht ist er dann einfach umgekippt. Vor Ort und im Krankenhaus wurde versucht, ihn wiederzubeleben. Dann folgte die traurige Gewissheit: der Reinhard ist gestorben. Er hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Kinder. Und eine Lücke in der Stadt, die niemand füllen kann.

Soziale Initiativen und KISS, Donaustrudl und Gassenfest

Man könnte Bücher füllen, mit dem was Reinhard Kellner für sozial bedürftige, benachteiligte und oft übersehene Menschen in Regensburg getan hat. Aber auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Allen voran natürlich die Sozialen Initiativen, die er 1974 maßgeblich mitbegründet hat und deren Vorsitzender der gebürtige Regensburger jahrzehntelang war. Ein Verein, unter dessen Dach sich seitdem Vereine, Verbände und Einzelpersonen zusammengetan haben, um den Interessen benachteiligter Menschen eine lautere Stimme zu geben. Fast 40 sind es mittlerweile.

Das Gassenfest hat Kellner 2005 erstmals angestoßen, er war 1987 Gründungsmitglied der Selbsthilfeorganisation KISS, seit bald 30 Jahren gibt es den Sozialpolitischen Aschermittwoch, der sich mit hochkarätigen Rednern wohltuend abhebt vom parteipolitischen Stammtischgetöse. 1998 gründete er als Redaktionsleiter die bis heute existierende soziale Straßenzeitung Donaustrudl. Dabei konnte Kellner auf seine Erfahrungen als (Mit)macher von Grünspan zurückgreifen, einem alternativen Magazin zu Hochzeiten des WAA-Widerstands.

Engagement gegen Obdachlosigkeit und für Dialog

Als sich noch niemand für die Menschen in der heruntergekommenen Notunterkunft in der Aussiger Straße interessierte, initiierte Kellner dort mit den SI über Jahre hinweg eine sozialpädagogische Anlaufstation, um Betroffene zu beraten. Seit zwölf Jahren gibt es, zwischenzeitlich in mehreren Stadtteilen das Frühstückstreff „Sofa“ (Sozial & offen für alle), ein Treffpunkt für Menschen, die, so brachte es Kellner einmal auf den Punkt, „alle gemeinsam haben, dass sie einsam sind“.

Erstmals beim Golfkrieg organisierte Kellner Friedensgespräche beim Karavan-Denkmal am Neupfarrplatz. So auch aktuell beim Ukrainekrieg. Jeder kommt dort zu Wort, auch mit abseitigen Ansichten. Kellner setzte so oft es ging auf Dialog. „Es ist wichtig, miteinander im Gespräch zu bleiben.“

Offizielle Würdigung kam spät

Bis 2021 hat es gedauert, ehe Reinhard Kellner für seine Engagement auch von offizieller Seite gewürdigt und mit dem Regensburger Stadtschlüssel geehrt wurde. Denn auf Ehrungen und Lob kam es ihm nicht an. Kellner ging auch auf kritische Tuchfühlung mit den Regierenden, wenn es darum ging sich bei Diskussionen einzubringen und Forderungen im entsprechenden Ton auf den Punkt zu bringen.

Dass es in Regensburg gegen den anfänglichen Widerstand der Stadtpolitik seit zehn Jahren einen Stadtpass gibt, ist zu einem guten Teil auch Kellners Engagement zu verdanken, der das Thema immer wieder aufs Tapet brachte, öffentliche Diskussionen anstieß und am Ende ein Bürgerbegehren mitinitiierte. Mehrfach hatte es in der Vergangenheit Versuche von politischer Seite gegeben, ihn als SI-Vorsitzenden zu beschädigen oder abzusägen. Erfolglos.

Parteipolitisch motiviert agierte Kellner dabei nie, obwohl er 1984 als erster Grüner für eine Periode im Regensburger Stadtrat saß. Bei der Diskussion um die Unterbringung von Obdachlosen sprang er auch einmal der CSU-Bürgermeisterin zur Seite, um sich mit ihr für eine dezentrale Lösung auszusprechen. Der Sache wegen. Bei den Grünen trat Kellner bald nach seinem Stadtrats-Intermezzo aus – er war als überzeugter Pazifist mit deren Haltung zum Jugoslawienkrieg nicht einverstanden.

Ein Anpacker und positiver Mensch

Abseits aller politischen und öffentlichkeitswirksamen Diskussionen gab es aber auch den Reinhard Kellner, der mit Auto und Anhänger vorbeikam und beim Umzug half oder wenn eine Wohnungsräumung nicht mehr abzuwenden war, der mitanpackte beim Auf- und Abbauen von Bierbänken und Technik, beim Ausschank oder beim Verkauf von Bratwurstsemmeln.

Den Reinhard Kellner, der auch mit Mitstreitern oft heftige Debatten führen und streiten konnte, bei dem es aber immer einen Weg zurück gab, um sich zu einigen und wieder zu vertragen. Den, der vor allem das Potential von Menschen sah und förderte und nicht deren Schwächen.

Bei den Sozialen Initiativen hatte er zuletzt seinen Rückzug vorbereitet. Eine Nachfolgerin gibt es mit Sabine Watzlawik zumindest bei der Festeorganisation schon. Doch ein Jahr wollte er dann doch noch dranhängen. Für den reibungslosen Übergang und weil ihn das, was er tut, „einfach glücklich macht“, hat er gesagt. Am 1. Mai ist Reinhard Kellner dabei gestorben. Er wurde 74 Jahre alt.

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Kommentare (20)

  • Mr. T.

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    Kommentar gelöscht. Unter einem Nachruf habe ich keinen Bock auf solche Diskussionen.

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  • Andrea

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    Wenigstens ist er bei etwas gegangen, das er geliebt hat.
    Er wird eine große Lücke hinterlassen, der Reinhard.
    Ich bin froh, dass ich ihn kennenlernen durfte. Ein Mann mit Charakter, Herz und Idealen ist jetzt nicht mehr da, aber seine Taten bleiben.

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  • Robert Fischer ÖDP

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    Ruhe in Frieden, Reinhard!
    Danke, dass du die Welt ein Stück besser gemacht hast!

    Danke für den tollen Nachruf, RD.

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  • thomas otto

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    adieu, reinhard!

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  • Rufus

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    Ich bin sicher, Du kannst in Frieden ruhen.
    Du warst so ein toller Mensch!

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  • Wiebke Richter

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    Was Regensburg dir alles verdankt – wir können es niemals vollständig aufzählen. Aber dich und dein riesengroßes Lebenswerk werden wir sicher nie vergessen. Danke, Reinhard. 🖤

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  • ASTRID SCHNELL

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    🖤 REINHARD KELLNER, EIN AUSNAHMETALENT, GING VON UNS.

    DEIN SOZIALES LEBENSWERK, WAS DU IN REGENSBURG HINTERLÄSST, IST BEISPIELLOS IM STADTGEBIET.

    ORIGINELLE IDEEN UND MUT, DINGE FÜR SOZIALE GERECHTIGKEIT ZU INITIIEREN, ZEICHNETEN DICH IN DEINER TÄGLICHEN ARBEIT AUS…..erinnere an die 50 blauen Sonnenschirme für SI mit weißer Friedenstaube drauf … wir können es niemals vollständig aufzählen, was Regensburg Dir verdankt. Denkmal in Arbeit?

    Regensburg wird dich sicher nie vergessen.
    🖤 Meine aufrichtige Anteilnahme an seine Ehefrau, seine Tochter und seinem Sohn.

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  • Will,Gisela,geb.Gruchot

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    Reinhard war schon ganz junger Mann immer hilfsbereit und sehr liebenswert.Ich habe mich auf das Wiedersehen gefreut,es sollte nicht sein.Ich bin sehr traurig.Wenn Gott will,sehen wir uns im Paradies.Seiner Familie wünsche ich viel Kraft.

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  • Mr. B.

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    Ich durfte Herrn Kellner im Rahmen eines Bürgerfestes vor vielen, vielen Jahren einmal kennenlernen.
    Ich dachte mir: Absolut Hut ab!!!!
    Ruhen Sie in Frieden.

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  • Volker Scheer

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    Reinhard war ein toller Kämpfer

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  • Lilo Meyer

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    Ach der Reini. Ja, seine Lebensgeschichte war geprägt von einem unermüdlichen, praxisnahen Engagement für die Gemeinschaft, das er mit großer Leidenschaft und Hingabe lebte. Der Reini war ein Mann, der nicht nur Worte, sondern vor allem Taten sprechen ließ – und zwar immer im Dienste der Menschen um ihn herum.
    Sein Engagement war stets von einem klaren Fokus auf das Wohl der benachteiligten Regensburger bestimmt. Er setzte sich stets für praktische Lösungen ein, die den Alltag dieser Menschen spürbar verbesserten. Dabei war ihm immer wichtig, dass jeder Einzelne gehört wurde und seine Anliegen ernst genommen wurden. Es war diese Fähigkeit, den Blick für das Wesentliche zu schärfen, die ihn zu einem wertvollen Wegbegleiter für viele machte.
    Der Reini hatte die Gabe, sich über politische Differenzen hinwegzusetzen und in einem pluralistischen Kontext Brücken zu bauen. Für ihn zählte der Mensch und nicht die politische Zugehörigkeit. Diese Haltung trug maßgeblich dazu bei, dass er in unterschiedlichsten Kreisen geschätzt und respektiert wurde. Er zeigte, dass soziale Verantwortung keine Ideologie kennt, sondern aus einer tiefen Überzeugung heraus geboren wird, dass wir alle für das Wohl der Gemeinschaft einstehen sollten.
    Reinhard war ein liebevoller und auch äußerst zielstrebiger Mensch. In seiner ruhigen, aber bestimmten Art führte er Projekte und Menschen gleichermaßen – immer darauf bedacht, das beste für die benachteiligten unserer Gesellschaft zu erzielen, ohne dabei den menschlichen Aspekt aus den Augen zu verlieren. In der Zusammenarbeit mit ihm erlebte ich ihn als einen Mann, der nicht nur forderte, sondern auch förderte – der stets den Dialog suchte und Konflikte mit Geduld und Verständnis zu lösen wusste.
    Sein Verlust hinterlässt eine Lücke, die für die Regensburger wohl schwer zu füllen sein wird. Doch die Werte, für die er stand, die vielen Projekte, die er angestoßen hat, und die unzähligen Menschen, die er mit seinem Engagement inspiriert hat, werden stets in Erinnerung bleiben.
    Der Reini sah in schwierigen Zeiten nicht weg, sondern versuchte immer mit Herz und Verstand was auf die Beine zu stellen.

    Reini! Ruhe in Frieden!

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  • Gerhard Kühnl

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    ihm gebührt die Ehrenbürgerschaft

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  • Nocheinüberlebender

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    Erst Klaus Maletz und jetzt Reinhard – die Trauer, die ich empfinde ist kaum auszuhalten!

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  • tom lehner

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    Ich schließ mich Gerhard Kühnl an. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen und Freunden.

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  • Anna

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    was für ein großer Verlust,nicht nur für die Familie. Auch Regensburg hat jetzt eine große Lücke zu verzeichnen.Es ist unglaublich was ein Mensch wie Reinhard alles ins Leben gerufen hat. Als wäre seine Arbeit nicht schwer genug gewesen,würde er so massiv von CSU angefeindet und boykottiert.Fûr mich war seine Haltung allen Menschen gegenûber immer sehr bewundernswert und sein Engagement und Einsatz beispiellos.RIP Reinhard! Danke für dieses großartige Lebenswerk, was wäre Regensburg ohne dich!

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  • Wolfgang Theine

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    Vor einiger Zeit hatten wir einmal gemeinsame Klienten, die wir jeder auf seine Weise betreuten. ich lernte damals Reinhard als engagierten und charismatischen sozialen Menschen kennen. Danach konnte meine Hochachtung und Wertschätzung für ihn und das was er für Regensburg und die Menschen auf der dunklen Seite der Gesellschaft getan hat, nur ständig weiter zunehmen. Wo immer Du jetzt bist, Reinhard, ruhe in Frieden und danke für alles.

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  • Andreas Schmal

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    Das macht mich wirklich sehr sehr traurig. Ich durfte Reinhard kennenlernen als wir den 1. Mai so umgestaltet haben, dass die Sozialen Initiativen das Maifest von uns übernommen haben. Auch bei Kein Platz für Nazis mit vielen erfolgreichen Aktionen in Regensburg, durfte ich mit ihm zusammenarbeiten. Vor zwei Wochen haben wir uns noch im Hofbräuhaus getroffen. Und jetzt werde ich ihn nicht mehr irgendwo in der Stadt treffen können. :-(

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  • R.G.

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    Auf den Kosten für sein Begräbnis sollte die Familie nicht sitzen
    bleiben. Seine Arbeit für andere hinderte ihn schließlich am Geldmachen.
    Entweder ein Ehrenbegräbnis oder ihm zu Ehren ein von den Bürgern bezahltes.
    Wer kann und mag die Spendensuche organisieren?

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  • Benedikt Suttner

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    Nach Peter Morsbach verliert unsere Stadt mit Reinhard Kellner binnen kürzester Zeit einen weiteren enorm wichtigen ehrenamtlichen Streiter für eine aktive Stadtgesellschaft und das soziale Miteinander. Ich persönlich kenne in Regensburg Niemanden, der so kontinuierlich für konkrete Projekte im sozialen Bereich gekämpft hat wie Reinhard Kellner. Dass er stets an allen Ecken mit angepackt hat ehrt ihn umso mehr. Er war ein sozialer “Macher”, dessen Tod eine riesige Lücke im Einsatz gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit im Kleinen und Großen reißt, so wie es vor einer Woche der Tod von Morsbach schon für den Regensburger Denkmalschutz tat. Reinhard und Peter, ruhet in Frieden!

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  • Barbara Stefan

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    Danke, RD, ein gebührender Nachruf! Er wird uns gewaltig fehlen, denn er hat so geräuschlos uneigennützig richtig viel bewegt. Soll ihm mal jemand nachmachen …
    Ebenso wie Peter Morsbach, der das hartnäckig für die Architektur hier und ihre Denkmäler gemacht hat. Ohne ihn wär schon einiges abgerissen worden.
    Diese beiden Lücken sind schwer zu füllen!

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