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Beiträge mit Tag ‘Haritun Sarik’

"Ein Betroffener von Regensburgs Aufschwung"

Ein letzter Apfeltee bei Herrn Sarik

Nach fast 20 Jahren schließt Haritun Sarik seinen Feinkostladen im ehemaligen Café Rösch und zieht direkt gegenüber wieder ein. Ein Pachtunterschied von über 5.000 Euro pro Jahr gab den Ausschlag.

Schließung, aber: Haritun Sarik ist froh, dass er endlich aus dem teuren Pachtvertrag für seinen Laden heraus kommt. Fotos: as

Der Putz ist schon von den Wänden geschlagen. Der Kühlraum ist ausgebaut, einige lose Kabel hängen von der Decke und nur noch ein paar leere Holzkisten stehen in dem dunklen Raum mit seinen fleckigen Betonwänden, den Haritun Sarik mir zeigt. Er hat gerade Zeit.

Ein länger herbeigesehnter Neustart

Gerade muss er keinen Parmesan mahlen, für einen Kunden „die süßesten Orangen, die Sie haben“ aus der Auslage holen oder einen Becher mit „allen Sorten Oliven, die es gibt“ voll machen. Gerade muss er auch keine Hände von Stammkunden schütteln, die ihm alles Gute wünschen, die nachfragen, wann und wo es denn weitergehen wird und die mit ihm darüber reden, wie schlimm es geworden ist in Regensburg mit der Gentrifizierung, damit, dass alles teurer wird, dass manche Verpächter ja „nur noch Dollarzeichen in den Augen haben“ und dass „es bald nur noch Ketten, Donuts- und Burgerläden hier gibt“. Doch der rührige Geschäftsmann ist bester Dinge, während er bei Mokka und Apfeltee darüber plaudert, dass er morgen zum vorerst letzten Mal geöffnet haben wird.

Für Sarik ist das Ende seines Feinkostladens im ehemaligen Café Rösch, das er auf dem handgeschriebenen Schild, im Schaufenster ankündigt, fast liest es sich wie ein Abschiedsbrief, eigentlich ein Neustart, den er schon seit längerem herbeigesehnt hat. Noch vor Ostern soll es nämlich weitergehen – in ebenjenen, jetzt noch etwas kärglichen Räumen direkt gegenüber. Dort, wo vor 35 Jahren alles so richtig angefangen hat, nachdem er und sein Vater Kirkor nach vier Jahren Ostengasse ins Zentrum der Altstadt auf den Kassiansplatz gezogen sind und Sariks Feinkostladen eine feste Größe im Stadtbild geworden ist.

Mehr als 5.000 Euro Pachtunterschied

6.434 Euro Miete hat er hier zuletzt im Monat gezahlt – für mal 146 Quadratmetern, gemessen an der Außenmauer. „Ich musste mir schon von einem Richter erklären lassen, dass das in der Altstadt so gemacht wird und ich das Kleingedruckte im Pachtvertrag übersehen hatte.“ Wegen der Betriebskostenbrechungen traf er sich mit seinem Verpächter immer wieder vor Gericht, mal erfolgreich, mal nicht. Wirklich gut war das Verhältnis nie. Nun sollte Ladenmiete wieder erhöht werden. Von 6.800 Euro sei nun die Rede gewesen, erzählt Sarik. „Jetzt bin auch ich persönlich betroffen vom Aufschwung Regensburgs.“

Dass der Pachtvertrag ausgelaufen ist – „Zum Glück“ – hat der 59jährige nun genutzt. Gegenüber, dort wo bisher die Lagerräume waren und wo bis zum Jahr 2000 der Laden war, ist zwar alles ein wenig kleiner, die Fenster sind nicht ganz so groß, so dass Sarik das Obst- und Gemüseangebot etwas reduzieren und sich mehr auf Feinkost konzentrieren wird. Dafür zahlt er dann nur noch 1.100 Euro pro Monat.

Schließung wegen Stammkundin verschoben

„Recht hams“, lobt eine eine ältere Dame Sariks Entscheidung, nachdem sie ihn für einen Fehler, den sie auf dem Schild im Schaufenster ausgemacht zu haben glaubt, gerügt hat. „Diesen Wahnsinn braucht man wirklich nicht mehr mitzumachen.“ Der Verpächter könne dann mal schauen, „ob er wieder einen Blöden findet“. Das direkt angrenzende Lokal im selben Gebäude stehe ja auch schon seit einem Jahr leer.

Drei Monate Umbauarbeiten in den neuen alten Räumen stehen Sarik noch bevor.

Morgen, am Samstag, muss Sarik noch einige Platten herrichten. Eine Stammkundin feiert Geburtstag, extra wegen ihr hat er die Schließung um elf Tage auf den 26. Januar verschoben. Dann geht es weiter mit den Umbauarbeiten im neuen Laden. Als nächstes muss der Boden neu gemacht werden – schade eigentlich, denn wenn man den Staub etwas zur Seite wischt, sieht man an den abgetretenen Stellen noch, wo früher die Auslagen standen, wo die Kunden langgegangen und sich gedrängelt haben. „Wenn wir den Laden zu Ostern wieder aufmachen, dann wird das so etwas wie eine Wiederauferstehung.“

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