21 Jun2012
Kriegsende in Regensburg: Teil III
Geschichtsklitterung im wissenschaftlichen Gewand

Wehrmacht-Kommandatur am fürstlichen Schloss in Regensburg. Foto: Günter Schießl, Veranstaltung vom April 1995 im ehemaligen Kreisleiterbunker Regensburgs
Bürgers Erstfassungen – „ein echtes Wunder“
Von Bürgers Veröffentlichung in den VHVO Band 123 existieren zwei Vorläufer: die sogenannte „Erstfassung“ vom Mai 1981 und eine korrigierte Version vom Dezember 1981. Schießl und Eiser berichten, dass Bürger die erste Variante u. a. dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg angeboten hat. Dort lehnte man sie allerdings wegen fehlender militärgeschichtlicher Relevanz und der subjektiven Befangenheit Bürgers ab. Daraufhin sprach er ein Jahr später beim Regensburger Bischöflichen Zentralarchiv (BZA) vor und übergab ihm einen ganzen Ordner mit Materialien. Dort war man seinerzeit, wie in allen katholischen Bistümern Deutschlands, mit der biographischen und statistischen Erhebung von geistlichen NS-Opfern beschäftigt. Dieses Projekt der deutschen Bischofskonferenz hieß „Priester unter Hitlers Terror“ und der Domprediger Johann Maier ragt in diesem Zusammenhang heraus, da er das einzige Todesopfer des NS-Terrors des Regensburger Bistums ist. Maier gilt schon lange als aussichtsreicher Kandidat für eine Seligsprechung und der bereits erwähnte Schlusssatz in Bürger (1983), wo von „Opfer der Märtyrer“ und Gebetsannahme um den 23.April die Rede ist, scheint genau dahingehend abgestimmt worden zu sein. Für den wahrscheinlichen Fall, dass ausreichend viele (Regensburger) Gläubige um ein Seligsprechungsverfahren für Johann Maier bitten werden, dürfte ein solches vom Diözesanbischof eröffnet werden. Jedenfalls scheint man im BZA die Erstfassung Bürgers (1981), in der die Rettung Regensburg als „ein echtes Wunder“ angesprochen wird, mit offenen Armen aufgenommen zu haben. Allerdings erfüllten all diese Vorarbeiten keinesfalls die üblichen wissenschaftlichen Standards. Liest man diese Vorläufer von 1981 heutzutage, sind bei Bürger reichlich Interesse an einer eitlen Selbstdarstellung und kaum wissenschaftlich-historische Ansätze zu erkennen. So stellt er etwa seinem Bericht eine soldatische Floskel voran: „Ehre wem Ehre gebührt“, womit er auf sich selbst anspielt. Robert Bürger, so lässt es sich klar erkennen, war schlichtweg nicht in der Lage, eine wissenschaftlich gehaltene historische Abhandlung zu verfassen. Zu viele militärische Fingerübungen, selbstreferenzielle Andeutungen und soldatische Gedanken über die Disziplin verunzieren die auf 1981 datierten Texte, die kaum strukturiert sind und oft nur aus Aufzählungen bestehen. Neben der Betonung vom Wunderglauben und dem Bemühen von Schutzengeln fällt Bürgers neidvolles Abwertungsinteresse an dem Ia-Offizier Othmar Matzke auf. Dieser sei entgegen der Befehlslage in der Stadt geblieben und habe undiszipliniert – mit offenem Mantelkragen! – kapituliert, weshalb er „wegen unerlaubtem Entfernen von der Truppe gemeldet“ worden sei. „Wir haben … (Matzke) gemeldet“, heißt es bei Bürger im Plural der soldatischen Pflichtbewussten, die erst am 8. Mai mit der bedingungslosen Kapitulation von ihrem Durchhaltezwang entbunden wurden. Zeigte Bürger auf Matzke, um davon abzulenken, dass er, wie erwähnt, seinem Marschbefehl von April 1945 nicht nachgekommen war?Bürgers Subjektivität im wissenschaftlichen Gewande
Beim direkten Vergleich der Erstfassung von Ende 1981 mit dem Aufsatz, der vorgeblich unter der Autorenschaft von Robert Bürgers in den VHVO (1983) erschienen ist, stellt sich die Frage, wer letztgenannten eigentlich verfasst hat. In dem o. g. Materialordner, den Bürger neben dem BZA auch der Staatlichen Bibliothek übergab, findet sich eine Erklärung, in der Bürger seinen Dank an Werner Chrobak für Korrektur, Ergänzung der Quellen und Vornahme eines Drucksatzes seiner Abhandlung ausspricht. Im Vorwort des publizierten Aufsatzes hingegen spricht Chrobak selbst davon, dass er ein Angebot über eine gemeinsame Abfassung einer Arbeit ablehnte, „da das ihm vorgelegte Manuskript bereits so gut ausgearbeitet“ war (S. 379). Eine Inaugenscheinnahme kommt zu einem anderen Ergebnis, da das von Bürger hinterlegte Manuskript mit den Erstfassungen von 1981 keinesfalls „gut ausgearbeitet“ war, wie oben kurz skizziert und ebenso vom Freiburger Militärgeschichtlichen Amt konstatiert wurde. Dass Robert Bürger den unter seinem Namen in den VHVO publizierten Aufsatz in dieser Form eigenständig geschrieben hat, halte ich angesichts der vorliegenden Quellenbasis für ausgeschlossen. Da die „Verhandlungen“ des Historischen Vereins als seriöser Verlag gelten und die Abhandlung „Regensburg in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945“ der äußeren Form nach im geforderten wissenschaftlichen Gewande erscheint, bestimmte sie fürderhin den lokalgeschichtlichen Kanon. Das heißt, bereits mit der Publikation in den VHVO Band 123 beginnt der oben erwähnte „Kometenschweif von Zitierenden“, die sich auf diesen Aufsatz beziehen, und nicht erst mit der Rezeption in militärgeschichtlichen Arbeiten, wie Eiser und Schießl meinen. Der Historiker Werner Chrobak hielt dem Oberst a. D. Robert Bürger den Steigbügel und ermöglichte ihm einen einmaligen Ausritt ins wissenschaftliche Gelände.Keine Quellenkritik und Ausblenden von störenden Quellen
Die erste wissenschaftliche Arbeit, die in Teilen auf Bürger (1983) fußt, stammt aus der Feder von Werner Chrobak. Sie erschien in den VHVO 125 (1985) und trägt den Titel „Domprediger Dr. Johann Maier – ein Blutzeuge für Regensburg. Zum 40. Todestag neue Forschungen und Studien“. Chrobak untersucht darin die militärische Situation und die Demonstration Ende April 1945 in Regenburg, die Festnahme und Hinrichtung von Domprediger Maier und schließt mit einer Würdigung und Bewertung von ihm als Blutzeugen und Märtyrer. Chrobak betont im Anschluss an Bürger: Die militärtaktische Entscheidung, die Kampfgruppen aus Regensburg abzuziehen, habe aber nichts mit Engagement von Johann Maier bzw. der Demonstration vom 23. April zu tun gehabt. Chrobaks Aufsatz von 1985, den Eiser und Schießl übrigens nicht in ihre Legendendemontage mit einbezogen, schließt zeitnah an den Vorgänger an und befördert Bürger sogar zur „rechten Hand“ des Regensburger Stadtkommandanten. In einer Fußnote wird Bürger dabei nochmals für „die weitere, konstruktive Zusammenarbeit“ (S. 455) bzw. die getätigten persönlichen Angaben herzlich bedankt, eine gewisse Interessenidentität wird deutlich. Chrobaks grundsätzlich verdienstvolle Arbeit, wird dadurch tendenziös, da er keinerlei Kritik an Bürger (1983) übt. Hier wiederholt sich aber im Grunde nur der Verzicht auf Quellenkritik.
Gefangene Soldaten und Flakhelferin. Foto: Günter Schießl, Veranstaltung vom April 1995 im ehemaligen Kreisleiterbunker Regensburgs