„Moralisch äußerst zweifelhaft“: Die SPD-Fraktion übt heftige Kritik an Joachim Becker. Der Stadtbau-Geschäftsführer könnte für die Sozialdemokraten zur kalkulierten Sollbruchstelle der großen Koalition werden. Die politischen Vorgaben, mit denen Becker zu kämpfen hat, hat aber auch die SPD zu verantworten.
„Das Geld für Neubauten muss schließlich irgendwo herkommen“, sagt Stadtbau-Chef Joachim Becker. Von der Stadt bekommt er nichts. Foto: Archiv/ Mirwald
„Politische Äußerungen möchten wir derzeit nicht kommentieren.“ Zu den jüngsten Vorwürfen von SPD-Fraktionschef Norbert Hartl gibt sich die Geschäftsführung der Stadtbau GmbH wortkarg. Hartl hatte geplante Mieterhöhungen der städtischen Tochtergesellschaft öffentlich gemacht, die bei 19,5 Prozent liegen. Konkret geht es um ein Rentner-Ehepaar in der Humboldtstraße, dessen Kaltmiete auf rund 8,10 Euro pro Quadratmeter angehoben werden soll.
Erst im April hat der Stadtrat einstimmig einen Antrag auf den Weg gebracht, um vom Justizministerium die Möglichkeit zu erhalten, die Mietsteigerungen in Regensburg binnen drei Jahren auf 15 Prozent zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund spricht Hartl von einem „Unterlaufen der Stadtratsbeschlüsse“ durch die Stadtbaugeschäftsführung und bezeichnet deren Gebaren als „mindestens moralisch äußerst zweifelhaft“.
Schlegl: Hartl macht „Wahlkampfgetöse“
CSU-Fraktionschef Christian Schlegl zog am heutigen Freitag nach. Er spricht in Zusammenhang mit Hartls Presseerklärung zwar von „Wahlkampfgetöse“: „Damit ist dem Mieter garantiert nicht geholfen“, verlangt von Joachim Becker aber auch „Rechenschaft“ im nächsten Koalitionsausschuss – am 3. Juni. „Eigentlich war klar, dass die Stadtbau nach unserem Antrag keine solchen Erhöhungen mehr vornehmen sollte“, so Schlegl.
Es ist nicht das erste Mal, dass Kritik an Becker laut wird – vor allem aus der SPD. Und betrachtet man die Hintergründe, kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass Becker nun zum Sündenbock für falsche politische Weichenstellungen gemacht werden soll, möglicherweise sogar zur Sollbruchstelle der Koalition. Doch dazu später.
Vorgaben für die Stadtbau: Von der SPD abgelehnt
Bereits im März hätte die Koalition die Möglichkeit gehabt, der Stadtbau straffere Zügel anzulegen. Doch den Antrag des Mieterbundes, die Mieterhöhungen bei der städtischen Tochter binnen vier Jahren auf 15 Prozent zu begrenzen, lehnten die Sozialdemokraten gemeinsam mit der CSU ab.
Ebenso von der Koalition abgelehnt wurde die Begrenzung der Moderniesierungsumlage auf neun anstatt elf Prozent – das, obwohl es mehrere bekannte Fälle gab, in denen die Stadtbau diese elf Prozent voll ausschöpfte und dies – im spektakulärsten Fall – zu einer Mietsteigerung um 123 Prozent geführt hatte.
Jetzt an die Moral und das Fingerspitzengefühl einer Geschäftsführung zu appellieren, der man zuvor noch politisch alle Möglichkeiten gelassen hat, um Mieterhöhungen zur Gänze auszuschöpfen – das ist auf jeden Fall „äußerst zweifelhaft“, um bei Hartls Diktion zu bleiben.
Beckers Zwickmühle
Mehrfach hat Becker – auch öffentlich – die Zwickmühle beschrieben, in der er sich befindet: „Das Geld für Neubauten muss irgendwo herkommen.“
Einerseits soll die Stadtbau neue, öffentlich geförderte und damit mietgünstige Wohnungen bauen. Andererseits soll sie den alten Wohnbestand sanieren und bei den Mieten zumindest so günstig bleiben, dass die politischen Entscheidungsträger nicht mit all zu lauter Kritik behelligt werden. Schließlich ist gerade Wahlkampf und da will jeder sich als besonders sozial und kämpferisch für die Armen und Schwachen positionieren – siehe den – für die Mieter definitiv folgenlosen – Pressemitteilungs-Schaukampf zwischen den Landtagsabgeordneten Wild und Rieger.
Das alles soll die städtische Tochter allein finanzieren, denn – so lautet die bisherige Vorgabe – die Stadtspitze will zwar als Kämpfer für günstigen Wohnraum wahrgenommen werden, dafür aber kein Geld zur Verfügung stellen.
Um etwa die 47 öffentlich geförderten Wohnungen auf dem Gelände der Zuckerfabrik zu finanzieren – die nebenbei gesagt als Lärmschutzriegel für das dahinter liegende Bauland dienen, das dadurch erst richtig lukrativ wird – musste die Stadtbau teurere Wohnungen aus ihrem Bestand verkaufen. Es geht – offziellen Verlautbarungen zufolge – um eine Summe von acht Millionen Euro.
Grundstücke verschleudern, aber kein Geld für die Stadtbau
Unterdessen trugen SPD und CSU etwa den unter zweifelhaften Bedingungen zustande gekommenen Verkauf eines städtischen Grundstücks am Unteren Wöhrd zu Schleuderpreisen mit, auf denen nach aktuellen Angaben nun Luxuswohnungen und Villen mit Quadratmeterpreisen zwischen 5.000 und 7.000 Euro entstehen. Das Geld verdient nicht die Stadt oder die Stadtbau, sondern ein sondern das Immobilien Zentrum Regensburg, ein milliardenschwerer Bauträger, der in Regensburg recht häufig zum Zug kommt.
Oktober: Entscheidung über Personalie Becker
Im Oktober steht voraussichtlich die Entscheidung an, ob der Vertrag von Joachim Becker verlängert werden soll oder nicht. Während Christian Schlegl nur Kommunikationsdefizite der Geschäftsführung einräumt und hier Verbesserungsbedarf sieht, soll man in der SPD von einer Weiterbeschäftigung Beckers nicht eben begeistert sein.
Lässt man an der Personalie Becker die Koalition zerbrechen, wäre das eine schöne Gelegenheit, sich im Wahlkampf erneut als Kämpfer für bezahlbaren Wohnraum zu positionieren. Auch, wenn ein neuer Geschäftsführer an den politischen Vorgaben überhaupt nichts ändert. Das wäre Aufgabe des Stadtrats, der Koalition gewesen. Und die hat irgendwie mit der SPD zu tun…