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"Marktübliche Gepflogenheiten"

Biotop statt Baugebiet: Stadt Regensburg prüfte Millionendeal offenbar nur vom Schreibtisch aus

Der millionenteure Ankauf eines Grundstücks, dass nicht für die beabsichtige Bebauung geeignet ist, zieht weitere Kreise. Grüne und CSU fordern Aufklärung, wie es dazu kommen konnte. Offenbar hatte sich niemand bei der Stadt Regensburg die Fläche im Vorfeld vor Ort angesehen.

Die Flächen beim Hollerweg: Was davon bebaut werden kann, ist derzeit völlig unklar. Foto: as

Es ist ein Millionenschaden, der der Stadt Regensburg durch den Erwerb eines Grundstücks für den Bebauungsplan am Hollerweg entstanden sein dürfte. Auf einer Fläche von mehr als sieben Hektar sollte, wie berichtet, ein großes Wohngebiet entstehen, das vor allem Menschen mit geringem Einkommen, Ehrenamtlichen und genossenschaftlichen Projekten zugutekommen sollte. Doch nun steht das ambitionierte Projekt auf der Kippe – zumindest in der bisher vorgesehenen Form.

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Der Grund: Zwischen 2022 und 2023 erwarb die Stadt eine zusätzliche Fläche von etwas mehr als zwei Hektar, um das Baugebiet zu erweitern. Dafür wurden dem Vernehmen nach mehr als sieben Millionen Euro – 350 Euro pro Quadratmeter – ausgegeben. Das Problem: Auf diesem Gelände kann voraussichtlich nichts gebaut werden. Es handelt sich bei weit über 90 Prozent der Fläche um ein ökologisch wertvolles, aber ökonomisch bedeutungsloses Biotop – Sandmagerrasen und artenreiches Extensivgrünland. Erschließung- nahezu unmöglich.

Ankauf auf Basis veralteter Aktenlage

Doch auf welcher Grundlage wurde diese Entscheidung getroffen? Wer trägt die Verantwortung? Wurde die Fläche im Vorfeld von qualifizierten Fachleuten vor Ort begutachtet? Die Stadt Regensburg weicht vor allem der letzten Frage aus.

„Die Grundstücke wurden vom Liegenschaftsamt im Vorfeld des Erwerbs geprüft“, heißt es lediglich. „Entsprechend den marktüblichen Gepflogenheiten“ habe man sich dabei auf die „zum Ankaufszeitpunkt vorliegenden bzw. öffentlich einsehbaren Informationen wie Biotop-, Denkmal- und Altlastenkartierung“ sowie das Grundbuch gestützt.

Anders ausgedrückt: Der Ankauf erfolgte rein nach Aktenlage, ohne dass sich Fachleute aus der Verwaltung das Grundstück vor Ort zumindest einmal angeschaut hätten. Dabei hätte man bei der Stadtverwaltung wissen müssen, dass die Kartierung und Bewertung der Flächen zum Zeitpunkt des Ankaufs nicht mehr dem aktuellen Stand entsprach.

Veraltete Biotopkartierung war seit 2021 bekannt

Das lässt sich im öffentlich einsehbaren Beschluss für einen ersten Bebauungsplan am Hollerweg nachlesen, den die Stadt bereits 2021 aufstellen wollte – damals noch ohne die 2022 zugekauften zwei Hektar. Ausdrücklich heißt es dort:

„Um die bestehenden Bäume und Biotope zu erhalten, muss im Zuge der Planung der Bestand untersucht und kartiert werden. Die zuständigen Ämter haben bereits rückgemeldet, dass die Kartierungen nicht mehr in Lage und Umfang mit dem Bestand übereinstimmen. Nach Vorliegen der Ergebnisse der Kartierung muss gemeinsam mit den Fachämtern eine Lösung zum Ausgleich oder Erhalt gefunden werden.“

Anders ausgedrückt: Die vorhandenen Biotope könnten sich vergrößert und verlagert haben. Es könnten auch neue hinzugekommen sein. Das alles wird gerade neu kartiert.

Doch beim Ankauf der zusätzlichen zwei Hektar, die der Stadt, wie sie selbst sagt, „unerwartet (…) angeboten“ wurden, hielt man es im Liegenschaftsamt offenbar nicht für notwendig, zumindest einen Blick auf die Fläche zu werfen, bevor man Millionen ausgab. Anschließend hat man sich dann offenbar auch nicht darum gekümmert, dass sich die Biotope weiter vergrößern könnten – zum Schaden der Stadt.

Preis um das Zigfache überhöht

Für eine Ackerfläche dieser Größe wäre, nimmt man Zahlen des Bayerischen Landesamts für Statistik, allenfalls ein niedriger sechsstelliger Betrag angemessen gewesen, für eine Biotopfläche, die wirtschaftlich gar nicht zu verwerten ist, noch deutlich weniger.

Erst durch die seit Mai dieses Jahres intern vorliegenden Ergebnisse der aktualisierten Biotopkartierung scheint den Verantwortlichen klargeworden zu sein, was hier angerichtet wurde. In nichtöffentlicher Sitzung wurden am 24. Juni die Mitglieder des Planungsausschusses darüber informiert, dass der Bebauungsplan Hollerweg so nicht umzusetzen sein wird, dass es sich bei größeren, zur Bebauung vorgesehenen Flächen um Biotope handelt, die dafür nicht in Frage kommen und auch kaum andernorts ausgeglichen werden können.

Öffentliche Diskussion sollte um jeden Preis vermieden werden

Auf Nachfragen von Stadträten zeigte sich die Verwaltung weitgehend ratlos. So schildern es Teilnehmer der Sitzung. Konsequenzen und Lösungsoptionen müssten nun „fundiert herausgearbeitet und in der Regel mit verschiedenen Fachstellen auf deren Umsetzbarkeit hin abgestimmt werden“, heißt es dazu auf Nachfrage bei der Pressestelle. Wann es klare Aussagen dazu geben wird – unklar. Eine Diskussion darüber, wer für den mutmaßlichen Millionenschaden verantwortlich ist, der mit dem Ankauf zulasten der Regensburger Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verursacht wurde, scheint man gar nicht erst aufkommen lassen zu wollen.

Als Stadtrat Christian Janele in der öffentlichen Sitzung des Stadtrats zwei Tage später nachfragen wollte und dabei die Worte Hollerweg, „schockierende Informationen“ und „Skandal“ in den Mund nahm, wurde er von der Oberbürgermeisterin rüde unterbrochen.

Intransparente Verschleierung

Janeles Wortmeldung enthielt zu diesem Zeitpunkt keinerlei „schutzwürdige“ Details über Dritte – zum Beispiel den Namen des Grundstücksverkäufers oder den Preis, also nichts, was nicht auch die Öffentlichkeit wissen dürfte. Auch ein Ordnungsgeld, das bei Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht fällig werden kann, steht nicht im Raum.

Dennoch wurde diese Passage aus der veröffentlichten Aufzeichnung der Sitzung herausgeschnitten. So geschickt, dass es nicht auffällt und ohne irgendeinen Hinweis, dass etwas fehlt. Solche Hinweise gibt es gelegentlich, wenn ein Stadtrat der Aufzeichnung seiner Wortmeldungen nicht zustimmt. Doch nicht in Janeles Fall.

Die städtische Pressestelle rechtfertigt diese Verschleierung damit, dass Janele sich auf eine Information bezogen habe, die ihm „in einem nichtöffentlichen Rahmen bekannt gemacht“ worden sei. Doch tatsächlich sieht die Gemeindeordnung eine Nichtöffentlichkeit von Sitzungen nur dann vor, „wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern“.

CSU-Chef kritisiert „schlicht unglaublichen Vorgang“

Doch welches öffentliche Wohl oder welche berechtigten Interessen Einzelner sind beeinträchtigt, wenn bekannt wird, dass ein städtisches Amt oder Verantwortliche der Stadt Regensburg unter Umständen einen Millionenschaden verursacht haben?

CSU-Chef Michael Lehner bezeichnet die Löschung von Janeles Wortmeldung ohne jeden Hinweis als „schlicht unglaublichen Vorgang“. „Da fragt man sich, wie oft das in der Vergangenheit schon geschehen ist. “ Außerdem erwarte die CSU noch vor der Sommerpause eine umfassende Berichterstattung zur Zukunft des Bebauungsplans am Hollerweg – in öffentlicher Sitzung. „Dies wurde uns auch zugesagt. “

Fragenkatalog der Grünen

Ganz ähnlich argumentieren die Grünen. Sie haben einen Fragenkatalog an Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer gerichtet. Tenor: Wie kam es zu dem Ankauf? Auf welcher Basis wurde der Preis festgelegt und welche Ämter haben was, wann und wie geprüft? Es gehe darum, solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, sagt Grünen-OB-Kandidatin Helene Sigloch.

Thomas Burger (SPD) spricht lediglich davon, dass er erwarte, dass die Verwaltung „bald entsprechende Vorlagen in den Ausschüssen“ vorlege und dass „mit den aufgetretenen Herausforderungen zielgerichtet und pragmatisch“ umgegangen werde. Aufklärung, wie es zu alledem kam, fordert Burger nicht.

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Kommentare (12)

  • Aigner Heinz

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    Na das ist ja wieder typisch. Keiner wills gewesen sein. Wenn Beamte der Stadt hier nicht vorweg geprüft haben, gehören sie suspendiert. Aber…. es zahlt ja eh der Steuerzahler alles und eine Haftung wird sicher nicht geprüft werden.
    Das nennt man dann öffentliche Verwaltung

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  • Burgweintinger

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    Herr Aigner, beim erstn Mal Suspendiert 4 Wochen ohn gehaltfortzahlung. beim zweitn Mal die Pension gekürzt auf 48% (das aber nur festgeschrieben bis 2031, danach vielleicht auch weniger ;) )…

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  • TT

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    Der nächste Eintrag im Schwarzbuch der Steuerzahler scheint gesichert

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  • tom lehner

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    “Wie war nochmal die Telefonnummer vom Zoll und der Finanzbehörden? Alte Binsenweisheit bei fragwürdigen Immobilien- und Grundstücksgeschäften..:
    Folge dem Geld.”
    Das habe ich aus einem Buch über Giovanni Falcone von Roberto Saviano.

    @ TT: “Schwarzbuch” finde ich in dem Zusammenhang eine schöne, sehr treffende Bezeichnung.

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  • Realist

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    Fehler können natürlich passieren. Was ich aber schlimm finde ist, dass man nicht zu den Fehlern steht und man diese Fehler verschleiern und sich aus der Verantwortung stehlen will.
    An RD: Leiten Sie den Artikel doch an Christoph Süß vom BR weiter. Ist für mich ein super Thema für die BR Sendung “Quer”. Den Sachverhalt sollte ein Millionenpublikum erfahren.

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  • steuerzahler

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    wenn diesselben fehler gehäuft von denselben personen vorkommen sind diese offensichtlich nicht geeignet!

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  • Rumpelstilzchen

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    Bei so einem Immobiliengeschäft sind mehre Dienststellen der Stadtverwaltung mit ihrer Expertise gefragt und eingebunden. Der Ablauf gestaltet sich üblicherweise so:
    Eine Fachdienststelle benötigt eine Immobilie und gibt einen entsprechenden Auftrag an das Liegenschaftsamt. Oder es geht ein Immobilienangebot bei der Stadt Regensburg ein. das vom Liegenschaftsamt bearbeitet wird. Im vorliegenden Fall scheint es so gewesen zu sein. Das Liegenschaftsamt gibt das Angebot in der Stadtverwaltung bekannt. In diesem Fall wohl zuerst an das Planungsreferat. Es werden Stellungnahmen der Unteren Naturschutzbehörde und des Umweltschutzes zur Qualität des Grundstücks eingeholt. Der Gutachterausschuss wird zum Grundstückswert befragt und die Kämmerei muss ggf. die Finanzmittel bereitstellen. Die Kaufentscheidung trifft schließlich der Grundstücksausschuss des Stadtrats. Es gibt also viele Verantwortliche.

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  • Brezensalzer

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    Zur Peinlichkeit seitens der Stadt ist alles gesagt. Was ich aber nicht verstehe: Man bekommt es in Bayern nicht hin, einen dritten Nationalpark, zB im Ammergebirge oder im Spessart, einzurichten, um die dort wirklich besondere Natur zu schützen, aber ein Stück Rasen (ohne menschlichen Eingriff nicht möglich, natürlicherweise stünde dort Wald) kann den Bau dringend benötigter Wohnungen ausbremsen. Irgendwie seltsam.

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  • Nesrin

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    @Brezensalzer: Der BN Bayreuth schreibt zu Mager- und Trockenrasen:

    “Mager- und Trockenrasen sind unverzichtbare Lebensräume für viele seltene und gefährdete Pflanzen- und Tierarten. Insgesamt 187 Pflanzen der roten Liste bedrohter Pflanzenarten, darunter nahezu die Hälfte der heimischen Orchideenarten, kommen in diesen Lebensräu­men vor. Sie beherbergen daneben eine besonders reichhaltige Tierwelt. Mager- und Tro­ckenrasen sind die artenreichsten Schmetterlingslebensräume in Mitteleuropa. Sie bieten ferner zahlreichen Reptilien und boden – und gebüschbrütenden Vogelarten ideale Lebens­bedingungen. Außerhalb der Alpen befinden sich in Bayern heute nur noch rd. 18.000 ha dieser Lebensräume, das ist ein Anteil von 0,27% an der Landesfläche.”

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  • tom lehner

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    @ Breznsoizer

    Das Ausweisen von besonders geschützten Lebensräumen ist keine Stärke der bayerischen Behörden. Eigentlich ist das Verhindern ebendieser deutlich ausgeprägter. Nur die Verhinderung von Windrädern und Stromkabeln findet noch mehr Aufmerksamkeit in den Verhinderungs- und Auflageämtern des Freistaats.

    Hier hat man aber ein Stück zu erwartendes Bauerwartungsland voreilig zum Bau- und Spekulationsland gemacht, ohne sich darüber im Klaren zu sein, was denn einige Jahre zuvor auf diesem Gebiet eigentlich ausgewiesen worden ist.

    Im Fußball nennt man das ganz übersichtlich und prägnant “Eigentor”. Was im Übrigen gut zum “Mager- und Trockenrasen” passt. Wer der Eigenthor ist, weiß jetzt natürlich keiner mehr. Das ist die allseits bekannte Bauerwartungslandvorinformationsamnesie.
    Vielleicht kann man der Bürokratie von damals einen Verfahrensfehler nachweisen. Das wäre ein gesichtswahrender, aber auch gewinnbringender Punkt für die Stadt Regensburg. Dann hätte man wieder ein paar Euro für die Möblierung der öffentlichen Toilettenvorplätze übrig.

    Im Übrigen: Wer so mit Kohle um sich schmeisst könnte auch eine Stadtbahn finanzieren oder fürs Rathaus neue Faxgeräte anschaffen.

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  • Rudi Ratlos

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    Wer das geprüft hat und das zu verantworten hat, dürfte
    doch in den Akten zum Ankauf und in der Vorlage zum Ankauf
    an den Stadtradt stehen. Diese Akten müsste der zuständige Ausschuss prüfen.

    Ich vermute, das die Verantwortung sehr weit oben angesiedelt
    ist, so stark wie hier vertuscht und gemauert wird.

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  • Paul

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    Kommentar gelöscht. Ich veröffentliche hier keinen Hinweis auf einen Text, der von uns abgeschrieben wurde.

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Kommentare sind deaktiviert

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