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„Ein totaler Schmarrn.“ Wie nachlässig war die Stadt Regensburg beim Grundstückskauf am Hollerweg – und wie hoch ist der Schaden?

Als Baugebiet gekauft, ein Biotop erhalten. Die Stadt Regensburg hat ein Riesenproblem am Hollerweg und womöglich einen Schaden in Millionenhöhe verursacht. Eines scheint bereits jetzt klar: Fundierte Hinweise im Vorfeld wurden ignoriert und eine fachliche Prüfung der Fläche unterlassen. Ein Fachmann sagt: „Die Hinweise, dass es sich um Sandmagerrasen handeln könnte, erkennt ein halbwegs bewanderter Botaniker.“

Keine halbe Stunde brauchen Raimund Schoberer und der Biologe Dr. Albrecht Muscholl-Silberhorn, um auf der Fläche mehrere geschützte Arten zu entdecken, die deutliche Hinweise darauf geben, dass es sich um Sandmagerrasen handelt. Die Stadt Regensburg erkannte das nicht – oder es wurde ignoriert. Foto: as

Der Platzregen hat Albrecht Muscholl-Silberhorn voll erwischt. Mit nassen Haaren und durchnässter Kleidung erreicht er, etwas erschöpft, den Hollerweg in Keilberg auf seinem Fahrrad. Der Biologe und langjährige Vorsitzende des Bund Naturschutz in Nittendorf ist bekannt für seine ruhige und besonnene Art. Selbst bei kritischen Diskussionen bleibt er stets sachlich und argumentiert fundiert.

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Doch als er hört, wie die Stadt Regensburg den überteuerten Ankauf des Zwei-Hektar-Grundstücks rechtfertigen will, kann er seine Empörung nicht zurückhalten. In einer Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion heißt es, man habe trotz Ortsterminen im Vorfeld nicht erkannt, dass es sich um ein nicht zur Bebauung geeignetes Biotop – Sandmagerrasen – handelt, da solche Flächen „nicht immer und auf den ersten Blick als solche erkennbar“ seien. Da platzt es aus ihm heraus: „Das ist ja mal ein totaler Schmarrn.“

Kurze Begehung zeigt zahlreiche Hinweise auf Sandmagerrasen

Wir müssen Muscholl-Silberhorn ein wenig überreden, damit wir ihn mit diesem Zitat veröffentlichen dürfen. Es ist eben nicht seine Art. Doch während der knappen Stunde, die wir mit ihm und dem BN-Vorsitzenden Raimund Schoberer auf der frisch gemähten Fläche verbringen, entdeckt er neun Pflanzenarten, die zumindest einen Hinweis darauf geben, dass es sich hier um eine Magerfläche handelt. Darunter die Heidenelke, eine gesetzlich besonders geschützte Art, die in Bayern auf der Roten Liste steht.

Einige Anwohner gesellen sich zu uns. Sie berichten, hier bereits eine Schlingnatter und den stark gefährdeten Schmetterling Weißen Waldportier, ebenfalls auf der Roten Liste, gesehen zu haben. Beide Arten sind Indikatoren für Magerflächen.

„Allein das reicht natürlich nicht aus, um mit Sicherheit sagen zu können, dass es sich mit hundertprozentiger Sicherheit um Sandmagerrasen handelt“, betont Muscholl-Silberhorn. Wer aber halbwegs in Botanik bewandert sei, erkenne die vielen Hinweise. „Von der Stadt Regensburg würde ich erwarten, dass sie so etwas genau prüft, bevor sie einen Millionenbetrag ausgibt.“ Dort gäbe es ja auch die entsprechenden Fachleute dafür. Doch eine fundierte Prüfung wurde unterlassen. Das steht nach den bisherigen Aussagen der Stadt Regensburg fest.

350 Euro pro Quadratmeter statt fünf?

Es dürfte ziemlich sicher sein, dass die Stadt Regensburg acht Millionen Euro für die 2,2 Hektar ausgeben hat. Dieser Preis wurde aus nichtöffentlichen Informationen kolportiert, und auch die Anwohner bestätigen, dass diese Zahl hier oben am Keilberg schon länger kursiert.350 Euro pro Quadratmeter – das wäre noch vergleichsweise günstig für Rohbauland, aber nicht zu rechtfertigen für ein Biotop. Wenn der Bund Naturschutz eine Biotopfläche ankauft, dann seien bereits fünf oder zehn Euro Euro pro Quadratmeter „ein stolzer Preis“, sagt Raimund Schoberer.

Skizze des Bebauungsplans 287: Die Biotopfläche 1466/1 wurde von der Stadt 2022 angekauft, die anderen Flurstücke größtenteils 2020. Die Flächen 1436, 1437 und 1438 gehören einem Privatinvestor, der dort Fertighäuser errichten will. Plan: Stadt Regensburg

Hinzu kommt, dass die Stadt Regensburg zum Zeitpunkt des Ankaufs wusste, dass die Biotopkartierung veraltet war – sie stammt aus dem Jahr 2008. Im ersten Versuch für einen Bebauungsplan am Hollerweg 2021 weisen mehrere Fachämter auch ausdrücklich darauf hin.

Anwohner warnten bereits 2021

Im selben Jahr gab es zudem Hinweise von Anwohnern an die Stadt Regensburg, die das anmahnten – offenbar ohne Resonanz. Zumindest die Grünen im Regensburger Stadtrat scheinen entsprechende Schreiben an die Stadtverwaltung ebenfalls erhalten zu haben. In den Niederschriften der öffentlichen Sitzung 2023 sind entsprechende, wenn auch vorsichtige Nachfragen dokumentiert. Es ist davon auszugehen, dass es abseits dessen mehr un deutlichere Fragen gab, auch vor dem Ankauf.

All das scheint bei den zuständigen Fachämtern nicht dazu geführt zu haben, eine genauere Begutachtung vorzunehmen. Man verließ sich darauf, die Fläche mehrfach gesehen zu haben und auf eine veraltete Biotopkartierung. Anders kann man die bisherigen Antworten der Stadt Regensburg nicht interpretieren.

Zog die Stadt das Vorkaufsrecht – oder sprangen alle anderen Interessenten ab?

Offen bleibt auch, unter welchen Bedingungen die Stadt Regensburg die 2,2 Hektar im Sommer 2022 ankaufte. Im Bebauungsplan für den Hollerweg von 2023 ist die Rede davon, dass der Stadt das Grundstück „unerwartet (…) zum Verkauf angeboten“ worden sei.

Tatsächlich hatte der Eigentümer das Areal nach bisherigen Recherchen ab etwa September 2021 auf entsprechenden Portalen zum Kauf angeboten. Anwohner erzählen, dass reges Interesse geherrscht habe. Leute aus Österreich und „von Sylt bis Starnberg“ seien damals mit ihren Autos in den ansonsten beschaulichen Hollerweg gekommen, um sich das Ganze mal anzusehen. Am Ende aber kaufte die Stadt Regensburg die Fläche.

Die Biotope auf der angekauften Fläche am Hollerweg. Die grünen Punkte wären theoretisch bebaubar. Die gelben vielleicht irgendwoanders auszugleichen. Mit dem Rest wird es schwierig. (Auszug aus der bislang noch nicht veröffentlichten aktualisierten Biotopkartierung)

Offen bleibt, ob das am Ende dafür verantwortliche Liegenschaftsamt dabei ein Vorkaufsrecht zog und damit andere Investoren ausstach. Eine andere Möglichkeit wäre nämlich, dass die privaten Interessenten am Ende abwinkten – womöglich, weil diese die Biotop-Problematik erkannten – und es dann „unerwartet“ der Stadt angeboten wurde, wie im Bebauungsplan erwähnt.

Stadt schafft es in zwei Tagen nicht, zu antworten

Eine entsprechende Anfrage von Mittwoch blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet, so wie einige andere. Die Zeit dafür sei zu knapp, hieß es zuletzt.

Stadtratsfraktionen, die ebenfalls mit entsprechenden Fragen an die Stadt Regensburg herangetreten sind, erhielten heute ein knappes Schreiben der Oberbürgermeisterin. Sie werde am 29. Juli in öffentlicher Sitzung „umfassend über den Sachstand (…) informieren“.

Gelöschte Frage brachte Recherche ins Rollen

Bislang hieß es, dass die Biotop-Problematik der Stadt im Mai bekannt geworden sei. Damals habe man das Ergebnis der aktualisierten Biotopkartierung erhalten. Man habe daraufhin die Stadträte im Juni Planungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung darüber informiert. Eine Nachfrage von Christian Janele zwei Tage später in öffentlicher Sitzung und eine Löschung dieser Frage aus der öffentlichen Sitzung brachte schließlich unsere Recherche ins Rollen.

Mittlerweile liegen unserer Redaktion gesicherte Hinweise vor, dass bei den städtischen Planern wohl bereits Ende 2024 bekannt war, dass der Bebauungsplan so nicht umgesetzt werden können wird und dass es ein Problem mit Biotopen gibt, die definitv nicht bebaut werden können. Dass dieses Problem nicht vor dem Ankauf der Fläche erkannt wurde, trotz zahlreicher Hinweise, hat nicht nur jede Menge Arbeit der städtischen Planer sinnlos gemacht bzw. sorgt für zusätzlichen Aufwand, sondern dürfte nach allem, was bislang vorliegt, einen Schaden in Millionenhöhe verursacht haben. Problembewusstsein bei der Stadt – bislang nicht erkennbar.

Es gibt also Einiges zu klären am 29. Juli.

Die Stadt hat eine Stellungnahme in Aussicht gestellt. Wir werden darüber berichten.

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