Misstrauen gegen die Regensburger Stadtverwaltung? Unbedingt!
Die bisherige Kommunikation der Stadt Regensburg zum fatalen Grundstückskauf am Hollerweg zeigt: Es fehlt an Fehlerkultur, Problembewusstsein und Transparenz. So lange sich das nicht ändert, ist dieser Stadtverwaltung nicht zu trauen.

Bislang kein Wort von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer zu dem Grundstückskauf am Hollerweg. Dabei trägt sie am Ende die Verantwortung: politisch und als Chefin der Verwaltung. Foto: Archiv/om
„Woher kommt nur dieses abgrundtiefe Misstrauen gegen die Regensburger Stadtverwaltung?“ Der zeitliche Zusammenhang, in dem Bürgermeister Ludwig Artinger kürzlich diese Frage stellte, hat, wenn auch unfreiwillig, das Potential zur Komödie, einem schönen Bauernschwank.
Der konkrete Anlass dieses Misstrauens, die Planungen für eine „Festwiese“ im Stadtpark, erwies sich am Ende als harmlos. Was die Verwaltung dort vor hat, dürfte, auch wenn dies schlecht kommuniziert wurde, eine Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Situation sein: die Festwiese, die eigentlich keine Festwiese ist, dürfte ökologischer und weniger aufwändig wieder instand zu setzen nach Veranstaltungen als der bisherige Rasen.
Eine Frage, die gerade jetzt für Gelächter sorgen könnte
Doch wenn gerade zwei Wochen vor Artingers empörter Misstrauensfrage die Umstände bekannt geworden sind, unter denen die Stadt ein Grundstück am Hollerweg in Keilberg gekauft hat, könnte man in höhnisches Gelächter verfallen.
Zur Erinnerung: Nach allem, was bislang durchgesickert ist, gab die Stadt acht Millionen Euro für etwas mehr als zwei Hektar aus, um dort zu bauen. Nun stellt sich heraus, dass es sich um ein streng geschütztes Biotop – Sandmagerrasen – handelt. Dort ist so gut wie keine Bebauung möglich. Das Areal hätte, wenn es hoch kommt, vielleicht 250.000 Euro kosten dürfen.
Da könnte man misstrauisch werden.
Vor allem dann, wenn eine entsprechende Wortmeldung von Christian Janele im Stadtrat abgewürgt und dann klammheimlich aus der veröffentlichten Aufzeichnung gelöscht wird. Dann, wenn man anschließend der städtischen Pressestelle jede Information häppchenweise aus der Nase ziehen muss.
Kein Anhaltspunkt für böswilliges Handeln, aber…
Um es vorweg klarzustellen: Es gibt, jedenfalls bislang, keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass hier irgendwie gemauschelt oder mit böser Absicht gehandelt wurde. Auch geht es zunächst einmal nur um diesen konkreten Fall und nicht darum, der Verwaltung als Ganzes oder zum Großteil Unfähigkeit vorzuwerfen. Das wäre tatsächlich unfair.
Es ist aber nicht, wie die städtische Pressestelle zuletzt kundtat, „unfair“, die Stadt mit Fragen zu konfrontieren, die auf der Hand liegen. Und mit dem sich aufdrängenden Eindruck, dass hier mit einer beispiellosen Lässigkeit Millionen an Steuergeldern verschleudert wurden.
So sieht es bislang aus. Allen Nachfragen zum Trotz. Zu einer weitergehenden Klarstellung, die auch unter Einhaltung von Verschwiegenheitspflichten möglich wäre, sah sich bei der Stadt Regensburg bislang niemand veranlasst. Dabei hätte es dazu schon längst eine Pressekonferenz geben müssen. Es ist ja nicht das Geld der Verwaltung oder der Oberbürgermeisterin, um das es hier geht.
Es gab unübersehbare Warnhinweise
Es gab einige schlagkräftige Gründe, um die Fläche vor dem Ankauf im Sommer 2022 genauer in Augenschein zu nehmen. Unter anderem:
Der Stadt war bekannt, dass die Biotopkartierung veraltet war – sie stammte aus dem Jahr 2008.
Die Stadt wurde von Anwohnern darauf hingewiesen, dass Biotope in dem Gebiet sich vergrößert und verlagert haben könnte, ja möglicherweise nicht korrekt kartiert waren.
Ganz generell war bekannt, dass sich auf und rund um den Keilberg Magerrasenflächen befinden.
Die Stadt muss mitbekommen haben, dass das Grundstück öffentlich vermarktet wurde, dass sich aber kein Käufer fand. Ein Vorkaufsrecht musste nicht gezogen werden. Die Stadt war die einzige Bieterin.
Unumstritten: Fachleute hätten den Wert der Fläche erkannt
Wie eine Begehung mit Fachleuten des Bund Naturschutz ergab, hätte man binnen einer halben Stunde ausreichend Hinweise finden können, die auf den nun kartierten und streng geschützten Sandmagerrasen hinweisen. Sogar die Stadt selbst räumt mittlerweile ein: „Mit biologischer Fachkenntnis ist der Wert der Wiese grundsätzlich erkennbar.“ Auch schon 2022.
Doch all das wurde unterlassen. Folgt man den Antworten der Stadt Regensburg, dann war das Umweltamt, dort wo es Fachleute gäbe, nicht einmal involviert bei den Ortsterminen im Vorfeld des Ankaufs. Auf konkrete Nachfrage nach den beteiligten Ämtern wird dieses Amt ausdrücklich nicht genannt.
Dreiste Ausflüchte statt Einsicht
Die Stadt bezeichnet es als „unfair“, wenn man sie mit alledem konfrontiert. Man haben den Kauf zu „marktüblichen Gepflogenheiten“ vollzogen, heißt es. Fragen nach all den Stopp-Schildern, die es gab, würden auf dem sogenannten „Rückschaufehler“ beruhen, lautet die Sprachregelung.
Der „Rückschaufehler“ beschreibt eine Wahrnehmungsverzerrung, bei der die Vorhersehbarkeit eines Ereignisses überschätzt wird, nachdem es eingetreten ist. Flapsig ausgedrückt: Nachher weiß man es immer besser.
Am Rande einer Ausschusssitzung des Stadtrats ließ sich eine Amtsleiterin nach der Begehung der Fläche durch den Bund Naturschutz mit Journalisten gar zu der laut gemurmelten Bemerkung hinreißen, dass die vom Bund Naturschutz doch gleich bei der Stadt anfangen könnten, wenn sie alles so viel besser wüssten.
Das ist nicht nur dreist. Es zeigt auch, dass bei der Stadt Regensburg weder Problembewusstsein noch Fehlerkultur vorhanden zu sein scheinen und man tatsächlich glaubt, sich mit hanebüchenen Ausflüchten aus der Verantwortung stehlen zu können.
Eine Entschuldigung ist fällig
Es geht nicht darum, dass jetzt „Köpfe rollen“ müssen. Zumindest nicht in erster Linie. Es geht darum, so etwas künftig zu vermeiden.
Wenn das Vorgehen der Stadt tatsächlich den „marktüblichen Gepflogenheiten“ entsprochen haben sollte, dann ist es Zeit, diese Gepflogenheiten oder das, was man dafür hält, zu ändern.
Ebenso ist eine Entschuldigung fällig. Die kolportierten acht Millionen Euro, die man verschwendet hat, haben die Regensburgerinnen und Regensburger erwirtschaftet, die sich an anderer Stelle anhören müssen, dass für dieses oder jenes kein Geld da sei.
Gibt es keine Konsequenzen, verdient die Stadt kein Vertrauen
Wenn keine Konsequenzen folgen, die auch öffentlich kommuniziert werden, dann muss man befürchten, dass es früher oder später wieder zu solch einem fatalem Fehler kommt.
Man muss auch befürchten, dass man davon nicht einmal erfährt. Es verplappert sich ja nicht jedes Mal jemand in öffentlicher Sitzung und es könnte auch mal klappen, dass man etwas heimlich löscht.
Insofern ist Misstrauen gegenüber dem Handeln der Stadtverwaltung angebracht, das sähe die Gemeindeordnung für Stadträte ohnehin vor, und manchmal darf dieses Misstrauen – Stand heute – auch ein abgrundtiefes sein.
Trackback von deiner Website.
Dieter
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Die Mär von der “unfehlbare Verwaltung” wurde schon von Wolbergs vehement verteidigt.
Scheinbar hat man aus dieser Ära absolut nichts gelernt.
Wuzzi
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Cui bono? Solange die Frage nicht geklärt ist, wem der Verkauf genützt hat, wer da kassiert hat, wird es hoffentlich keine Ruhe geben.
Karli
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„ Die Mär“ wird von jeder Stadtregierung mehr oder weniger verteidigt und quasi als alternativlos angesehen.
Weichser
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Ich stimme diesem Kommentar zu, auch macht es Sinn zu betonen, keine pauschale Verwalsschelte zu betreiben und die „Mauscheleien“ Haben in anderen Bereichen stattgefunden, auch wenn hier das letzte Wort/Urteil noch nicht gesprochen ist.
Richtig bemerkt ist das Thema „Festwiese“ kein Skandal, sondern eher eine Posse und Imdiz für eine gewisse Hilflosigkeit in der Verwaltung, die Causa „Grundstücksverkauf“ hätte schon eher das Potental für einen großen Aufreger. Aber kann man sich ob der vielen Fälle – mir fallen spontan die Schuttberg-Posse, das Offizierskasino und sicher viele andere ein- überhaupt noch aufregen oder hat sich schon Hoffnungslosigkeit eingestellt? Dass sich hilflose Oberbürgermeister*innen schützend vor hilflose Verwaltungsbereiche stellen, weil sie keinen Plan haben, da aufzuräumen scheint logisch, dazu bräuchte es eine Eignung für dieses wichtige Amt, das war leider in der Vergangenheit nicht erkennbar und bei den sich bietenden Optionen in der Zukunft dürfen Zweifel angebracht sein.
Widersprechen möchte ich ausdrücklich der Frage, ob Köpfe rollen sollten… Ja wie lange will man denn noch tatenlos zuschauen ? Sicher gibt es in der Verwaltung auch engagierte und kompetente Mitarbeitende, auch diesen zuliebe sollte der Stall mal konsequent ausgemistet werden.
gerhard hecht
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Wenn man in der Politik Vertrauen verlangt gibt es guten Grund misstrauisch zu werden. Misstrauen ist die Grundlage der Gewaltenteilung – ein urdemokratisches Merkmal und eine große Errungenschaft. Vertrauen zu verlangen ist ein undemokratisches Ansinnen.
El
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“Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken”. Dieses geflügelte Wort kann vermutlich jedeR bestätigen, die_der den Führungsstil in Firmen beobachtet.
Dort, wo eine Führungskraft handelt, die klar und wertschätzend kommuniziert, Konflikte nicht scheut, sondern auf den Tisch legt und auch mal alteingesessene Beamte_Angestellte und deren Klüngeleien bzw. Allergien gg. Innovation klar benennt und begrenzt;
dort, wo Klarheit darüber besteht, dass Fehler geschehen können und zwar jedem und diese nicht zur Verteufelung dienen, sondern zur Weiterentwicklung (dazu müssen sie offen gelegt sein),
ist das Betriebsklima gut, Menschen arbeiten gerne und mit Freude miteinander und für die Kunden – in diesem Fall für die Regensburger BürgerInnen.
Dringend angesagt wäre mM nach, eine externe Beratung von jemanden, den keinerlei Eigeninteresse an Rgbg. Verhältnissen umtreibt. Dass dabei auch ganz schön ins Clo gegriffen werden kann, zeigen die Geschehnisse um die Goldberg-Klinik.
Gerald Hüther, der bekannte Hirnforscher wäre eine Option – er hat schon oft gute Wege für Teams initiiert.
Reiner
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Ein Blick in den Bayern Atlas oder im LfU hätte die Biotopkartierung aufgezeigt. Wo war übrigens die Umlegestelle, Umweltamt, Gutachterausschuss ? Wenn ein Gutachter die Qualität des Grundstückes nicht erkennt, wird er haftbar gemacht. Bei meiner Zeit im öffentlichen Dienst hatten alle MA eine Diensthaftpflichtversicherung. Zu den Kosten des Grundstückes möchte ich noch anmerken, dass mind. 10 % für die Erschließung benötigt werden. Dazu kommen noch die Ausbaubeträge, Kosten B-Plan, Zwischenfinanzierungs-kosten etc.. In Barbing lagen diese vor mehreren Jahren bereits bei 220 €/m². Heute dürften es mind. 250 €/m² sein, die zum Kaufpreis hinzu kommen. Grob geschätzt kostet dann das fertige Baugrundstück für die Hausbauer rd. 700 €/m². Bei 600 m² sind das dann über 400.000 € + Hauskosten und das am Keilberg. Wer kann sich das leisten?
Daniela
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Man kann das (mit einer Spur von Ironie) auch als ‘wertvollsten’ Ankauf eines ‘ steng geschützten Biotop- Sandmagerrasen’ der Stadt Regensburg zur Erhaltung schützenswerter Biotope verzeichnen.
Soviel städtischen Eifer und Einsatz von Steuergeldern zum Schutze von schützenswerter Biotope … vor Bebauung, alle Achtung!
Ich weiß nicht, ob man lachen oder weinen sollte über diesen Ankauf, aber für die ‘schlappen’ 8 Mio hätte man noch locker 9 Luxusklo bauen, oder diverse Brunnen in der Stadt ordentlich in Betrieb halten können, oder gar noch ein paar Euro für städtische Schule abzwacken können.
Sorry, Frau OB dafür gibt’s ein ‘Danke, setzen 6 im goldenen Buch der Steuerverschwendung.’
Und ich bin mir ziemlich sicher, dass der NABU gerne 1/2 Std. für die Stadtverwaltung aufgebracht hätte, vor dem Ankauf, um diese tatkräftig bei der Erkennung des streng zu schützenden Biotops – Sandmagerrasen zu unterstützen.
Spott ist noch das Geringste, was der Verwaltung entgegen schlägt, Vielmehr die berechtigten Vorhaltungen der Bürgerschaft, wie so etwas überhaupt passieren kann und wer da in der Verwaltung was versäumt hat und wie das dann geahndet wird.