Morgen, Regensburg! Zwischen Kaufhof-Gekoffer und blankem Entsetzen

Eine Korrektur vorneweg
In mehreren Artikeln, die zuletzt in Zusammenhang mit Gloria von Thurn und Taxis erschienen sind, ist mir ein bedauerlicher Fehler unterlaufen. Mehrfach habe ich ihr Alter mit 63 Jahren angegeben. Tatsächlich ist sie am 23. Februar 1960 geboren, wird also nächstes Jahr 66. Ich bedanke mich für den Hinweis und bedauere diesen Fehler zutiefst.
1. Eine fragwürdige Sendung
Ich könnte jetzt anfangen wie Julia Ruhs. „Was jetzt kommt, wird nicht jedem gefallen.“ Aber diese Aussage ist so leer wie immer wahr. Nichts gefällt jedem. Das ist doch KLAR. So hat es auch nicht jedem gefallen, dass wir letzten Sonntag Joachim Wolbergs zu unserer Regensburg Analog-Sendung bei Ghost Town Radio eingeladen haben.
Wir sprachen ausdrücklich nicht über Korruptionsaffäre und Verfahren, sondern über Regensburg und über dies und das. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten und heftigen Kontroversen in der Vergangenheit haben wir uns gut unterhalten.
Das bleibt keine Eintagsfliege. Für nächsten und übernächsten Sonntag haben wir die Fraktionschefs Daniel Gaittet (Grüne) und Michael Lehner (CSU) eingeladen zu einem lockeren Gespräch. Beide haben zugesagt. Nächstes Jahr wagen wir uns an die OB-Kandidat/innen. Was es ansonsten zu sagen gibt, kann man in der Aufzeichnung der Live-Sendung nachhören.
2. Ein Koffer voller Ideen
Es ist ein bisschen schade, dass die Stadt Regensburg ein Jubiläum unter den Tisch fallen lässt, das sie heuer begehen könnte. Vor genau 20 Jahren ist die Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ gescheitert. Aber was war das für eine wilde Zeit.
OB Hans Schaidinger verbannte Kulturreferent Klemens Unger auf die Ersatzbank und engagierte eine „Fünferbande“, um Regensburg zur „kulturellen Bundesreife“ zu verhelfen. Es gab proppevolle Diskussionen im Deggingerhaus inklusive Freibier, Kippenberger-Frosch am Kreuz und bistumsweiter Empörung („Die Würde des Göttlichen sollte bewahrt bleiben.“). Mitbewerberstädte wie Dresden wurden mit Knackersemmelbausätzen bombardiert – just am Jahrestag des großen Bombenangriffs. Und am Ende der furiose Höhepunkt: das Schlingensief-Stück „Keine Chance Regensburg“ an der Berliner Volksbühne.

Sorgte für Ärger: der Frosch am Kreuz. Foto: Archiv/as
Lokalpolitiker und hohe Geistlichkeit reisten damals an – nur um die Aufführung entweder unter Protest zu verlassen oder am Ende kreidebleich und schweigend den grandiosen Verriss zu verdauen.
Einen „Koffer voller Ideen“ hatte Regensburg damals gesammelt, um Jury und Minister von seinen Qualitäten zu überzeugen – leider, vielleicht auch gottseidank erfolglos. Man kann es vielleicht als Reminiszenz an jene Zeit verstehen, dass aktuell jede Menge Ideen zum ehemaligen Kaufhof in die Öffentlichkeit gekoffert werden.
Ich habe mich hier vor kurzem schon über CSU-OB-Kandidatin Astrid Freudenstein echauffiert. Die hatte in einem Insta-Video erklärt, dass man das Gebäude abreißen müsste, wenn es nach ihr ginge, um dann „was wirklich Gutes für unsere Stadtmitte“ zu tun.
Dass man erst einmal Gebäude haben muss, um es abreißen zu können und die etwas vage Idee von „was wirklich Gutem“ zu verwirklichen, kam in dem Video nicht zur Sprache. Angesichts der vielen Fehlinformationen, die zum Thema Kaufhof nach wie vor kursieren, halte ich es für fahrlässig, irgendwelche Erwartungen zu wecken, ohne einen Plan zu haben, wie man die erfüllen will.
Jedenfalls wenn man sich um das Amt des Stadtoberhaupts bewirbt – so wie Freudenstein. Oder wie Thomas Burger, Oberbürgermeisterkandidat der SPD.
Der hat in seinem brandneuen Format „Papa, was machst du eigentlich, wenn du Oberbürgermeister von Regensburg bist“ jede Menge Ideen zum Kaufhof-Gebäude formuliert – so ziemlich alles, was sich gut anhört. Nachdem, was Burger da erzählt, hat er den Großteil seines Lebens im Kaufhof verbracht.
Immerhin formuliert Burger, dass er das Gebäude gerne kaufen würde – und so wissen wir nun, dass er den Kaufhof stehen lassen und Astrid Freudenstein ihn abreißen würde. So hat man zumindest irgendein Unterscheidungsmerkmal im Wahlkampf, wenn man anscheinend bislang sonst nichts Relevantes zu bieten hat.
Dass, wie man aus der Stadtverwaltung hört, die Gespräche mit der dubiosen Kaufhof Regensburg GmbH nicht vorankommen – dort hat man immer noch Preisvorstellungen jenseits von Gut und Böse – und auch das Thema Erbpacht nicht geklärt ist – 20 Prozent der Immobilie gehören einer Erbengemeinschaft – fällt unter den Tisch.
Gute Ideen, was man aus dem Kaufhof-Gebäude machen könnte, gibt es aus der Bürgerschaft genug. Zum Beispiel bei der Initiative Stadtraum Neupfarrplatz. Ein OB-Kandidat oder eine Kandidatin sollte einen Plan haben wie man an das Gebäude kommt, oder darüber aufklären, welche Probleme es gibt anstatt, mit Verlaub, nur rumzukoffern.
3. Entsetzen bei Fötenfanatikern
Apropos bistumsweite Empörung. Diese Woche herrschte laut einem MZ-Bericht „Entsetzen in Regensburg“ darüber, dass Jan Böhmermann die Chefärztin der Klinik St. Hedwig „an den Pranger gestellt“ hat. Im ZDF Magazin Royale bezeichnete Böhmermann die Gynäkologin Angela Köninger unter anderem als „Fötenfanatikerin“. Empört darüber war vor allem das Diözesankomitee des Bistums Regensburg. „Fötenfanatikerin“! In einer Satire-Sendung! Ach herrjemineh…
Wir haben bereits im Juni über Angela Köninger berichtet. Sie ist nicht nur Chefärztin an der Geburtsklinik der Barmherzigen Brüder und Vizepräsidentin bei der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie (DGGG) und Geburtshilfe, sondern auch organisierte Abtreibungsgegnerin mit Kontakten zur rechtsklerikalen Piusbruderschaft. Eine fragwürdige Doppelrolle, die den Barmherzigen ebenso gleichgültig ist wie der DGGG und dem Diözesankomitee.
Ich will hier keine große Diskussion über Schwangerschaftsabbrüche aufmachen. Das mag privat jede(r) individuell sehen, wie er/sie will. Zunächst einmal ist das aber eine höchstpersönliche Entscheidung der betroffenen Frau und nicht irgendwelcher hypermoralisierender Vereine und Initiativen – oft genug männerdominiert. An der Frau bleibt im Zweifel aber alles hängen. Deshalb entscheidet die. So interpretiere ich unser Grundgesetz und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
Um den Abbruch durchführen zu können, muss die medizinische Infrastruktur und das Know How vorhanden sein. Dass all das immer stärker zurückgedrängt wird, ist ein Punkt, über den man sich empören oder entsetzt sein könnte.
Gerade in unserer Region, wo mit der Übernahme des Krankenhauses Kelheim durch die Caritas die letzte Möglichkeit weggefallen ist, einen Abbruch durchführen lassen zu können, ohne sich von irgendwelchen betenden Aktivisten bei der letzten vorhandenen Praxis in Regensburg belästigen lassen zu müssen.
Es sollte uns kümmern, gerade in Regensburg, wo es an der Universität Gruppierungen gibt, die dagegen agitieren, dass Schwangerschaftsabbrüche gelehrt werden. In Regensburg, wo das Universitätsklinikum als Maximalversorger auftritt, aber die Gynäkologie der katholischen Kirche überlässt.
Selbstgerechten „Lebensschützern“, die vor Abtreibungspraxen Frau behelligen oder dem Diözesankomitee, das sich über eine Satiresendung empört, aber nicht darüber, dass beim Katholikentag in Regensburg Personen wie der Holocaustrelativierer Klaus Günter Annen ungehindert über den „Babycaust“ schwadronieren durften, empfehle ich einen Besuch im Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien.
Dort hat der Gründer einen großen Schaukasten aufgestellt mit den Gegenständen, die er aus Frauen herausgeholt hat, die selbst einen Schwangerschaftsabbruch herbeiführen wollten, weil ihnen keine andere Möglichkeit zur Verfügung stand. Oft genug mit tödlichen Folgen.
Ich möchte in keinem Land leben, wo so etwas passiert. Ich halte es für fragwürdig, dass eine Spitzenfunktionärin des maßgeblichen Verbands und Chefärztin sich mit sogenannten „Lebensschützern“ bis hin zu den Piusbrüdern einlässt und entsprechende Lobbyarbeit betreibt. Ich kann ein Diözesankomitee nicht ernst nehmen, dem das egal ist, das aber angesichts einer Satiresendung eine offizielle Stellungnahme für nötig befindet.
4. Regensburg olé, olé
Man soll Musik und diejenigen, die sie darbieten nicht lächerlich machen. Vor elf Jahren musste ich das leidvoll erfahren, als ich mich über einen damals erfolgreichen Hit von Musikproduzent Günther Berle – unter anderem bekannt durch Patrona Bavariae – lustig gemacht habe.
Während zumindest ein Teil der von mir Bekrittelten das ebenso lustig fand wie ich (Grüße an Marv), musste ich mich von Lesern, na ja dann wohl Ex-Lesern, des Haudrauf-Journalismus, der Intoleranz und des Meinungsfaschismus zeihen lassen.
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Insofern will es keineswegs als musikalische Abwertung des aktuellen Wahlkampfkrachers der Regensburger CSU („Regensburg kann mehr – olé, ole´“) verstanden wissen, wenn ich mich mit einer darin enthaltenen Textzeile beschäftige und eine Umformulierung empfehlen möchte.
„Vieles hat die Stadt verpennt,
doch jetzt braucht’s frischen Wind,
weil’s brennt.“
Dieser Satz weckt bei mir unangenehme Assoziationen. Wenn es nämlich brennt, ist frischer Wind so ziemlich das Schlimmste was passieren kann. Gerade bei uns in der Altstadt. Dann brennt nämlich binnen kürzester Zeit alles lichterloh.
Wenn man schon den Slogan „Regensburg kann mehr“ als Wahlkampfmotto und Songtitel gewählt hat und bei der Brandmetapher bleiben will, würde sich zum Beispiel folgender Vers anbieten:
„Vieles hat die Stadt verpennt,
so dass’ an allen Ecken brennt,
aber Regensburg kann mehr,
mit Astrid und der Feuerwehr.“
Die Feuerwehr ist zwar nicht schwarz, sondern rot – aber man braucht ja nach der Wahl noch einen Koalitionspartner. Ich seh’ schon – aus mir wird kein Günther Berle mehr.
Entspannte Restwoche!
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