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Kommentar

Service-GmbHs an Bayerns Unikliniken: Lohndumping und Tarifflucht im Auftrag des Freistaats

Ein Schreiben des Vorstands an die Beschäftigten am Uniklinikum Regensburg anlässlich des derzeit laufenden Streiks der KDL offenbart eine gehörige Portion Ignoranz gegenüber den Anliegen der streikenden Niedriglöhnerinnen. Die tatsächlich Verantwortlichen sitzen aber in der bayerischen Staatsregierung.

Knapp 300 Beschäftigte hat die KDL mbH am Uniklinikum Regensburg. Letzten Donnerstag demonstrierte mehr als die Hälfte von ihnen bis zum Alten Rathaus. Foto: as

„Das haben wir schon immer so gemacht.“
„Das haben wir noch nie so gemacht.“
„Da könnt ja jeder daher kommen.“

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In etwa mit dieser „Argumentation“, auch bekannt als „Beamten-Dreisatz“, reagiert der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) in einem internen Schreiben an das Personal auf den aktuell laufenden Erzwingungsstreik der KDL-Beschäftigten und ihrer Forderung nach einer Angleichung an den ansonsten am UKR geltenden Tarifvertrag der Länder (TV-L).

Inhaltsleerer Humbug

Eine solche Angleichung brauche es nicht, schreibt Kölbl. Schließlich gebe es diese Krankenhausdienstleistungsgesellschaft schon seit 2006. Das Geld sei auch ausreichend und kein Lohndumping, schließlich würden auch an anderen (längst nicht allen) Universitätskliniken Leute über Service-GmbHs beschäftigt und derart (schlecht) bezahlt. Das sei auch „gerechtfertigt“ und die Forderung nach einer Tarifangleichung „nicht nachvollziehbar“. Außerdem habe sich da bisher ja noch nie wer beschwert, zumindest niemand von der Gewerkschaft.

Flankiert werden diese inhaltsleeren Floskeln dann noch von der Behauptung, dass eine Angleichung der Löhne an den TV-L „unter Umständen“ dazu führen könne, dass einige KDL-Beschäftigte sogar weniger verdienen könnten, was realistisch betrachtet – mal ganz vorsichtig ausgedrückt – eine steile These ist.

„Spitze in der Medizin, menschlich in der Begegnung“

In Kölbls Schreiben werden die Niedriglöhnerinnen der KDL ausdrücklich nicht adressiert. Er spricht gegenüber „allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am UKR“ nicht mit ihnen, sondern über sie. Obwohl ein Betrieb der Klinik ohne diejenigen, die OP-Säle und Intensivstationen reinigen oder Patienten von einer Station zur anderen begleiten, nicht möglich ist und obwohl die KDL abgesehen von bedeutungslosen Alibi-Aufträgen ausschließlich am UKR tätig ist, werden sie selbst in dem Mitarbeiter-Brief als Beschäftigte zweiter Klasse behandelt – so als würden sie nicht dazu gehören.

Dass der Kopf des Schreibens noch den UKR-Leitspruch „Spitze in der Medizin. Menschlich in der Begegnung“ trägt, müssen sie als Verhöhnung empfinden.

Tarifflucht auf dem Rücken von Migranten und Frauen

Man darf es Professor Kölbl allerdings nicht übel nehmen, dass er ein solches Schreiben verbreiten lässt. Zum einen dürfte er sich in der Vergangenheit weder besonders tiefschürfend mit Tarifpolitik beschäftigt haben, noch mit den prekären Arbeitsbedingungen der Frauen und Männer, die hinter ihm den Dreck wegräumen. Zum anderen ist Kölbl am Ende auch nur Sprachrohr derjenigen, die diese Tarifflucht im öffentlichen Auftrag verantworten – das ist in diesem Fall der Freistaat Bayern und damit die bayerische Staatsregierung.

Unter deren Verantwortung wurden solche „Servicegesellschaften“, nicht nur in Regensburg, dereinst gegründet, um mit Lohndumping auf dem Rücken der Beschäftigten – mehrheitlich Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund – Geld zu sparen und den ansonsten bindenden Tarifvertrag zu umgehen. Unter deren Verantwortung werden diese Billiglohn-GmbHs auch weiter betrieben. Der Freistaat ist über das Uniklinikum Mehrheitseigentümer der KDL mbH.

Vor diesem Hintergrund mag es verständlich sein, dass hiesige Vertreterinnen von CSU und Freien Wählern sich zuletzt entschuldigen ließen, als die Beschäftigten vergangenen Donnerstag bis vors Alte Rathaus demonstrierten. Nicht dass man noch darauf angesprochen wird, was die Parteifreunde in München treiben und ob man da nicht intervenieren könnte.

Regierungsvertreter demonstrieren gegen Missstände in der Pflege – ein Hohn

Ein glatter Hohn ist es, wenn sich Vertreter der Staatsregierung als Redner bei Demonstrationen herumtreiben, bei denen die Situation von Mittelstand, Pflege und Krankenhäusern beklagt wird, während unter ihrer Mitverantwortung an Universitätskliniken Lohndumping betrieben wird. So zum Beispiel nächsten Samstag (10 bis 14 Uhr), wenn der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und CSU-Abgeordneter Jürgen Eberwein als Redner auf den Domplatz geladen sind – Motto: „Pflege formiert sich – Versprechungen reichen nicht!“

Ist kommenden Samstag mal wieder in Regensburg am Domplatz beim Demonstrieren: Hubert Aiwanger. Foto: Archiv/as

Es ist bizarr, wenn Regierungsvertreter damit durchkommen, sich so zu gebärden, als wären sie Angehörige einer Landwirte-, Mittelstands- oder Pflege-APO, während sie an skandalösen Zuständen, auf die sie Einfluss hätten, wie den Dumpinglohn-GmbHs unter freistaatlicher Verantwortung, nichts ändern.

Besonders frech ist es, wenn Regierungsvertreter wie Eberwein und Aiwanger sich kommenden Samstag in Regensburg als Verfechter guter Bedingungen in der Pflege gerieren wollen, während in derselben Stadt gerade ein Erzwingungsstreik am Uniklinkum läuft. Es sei denn, die beiden sind der Meinung, dass Zwei-Klassen-Gesellschaften an Unikliniken wie Regensburg, Würzburg und Erlangen, für die sie eine Mitverantwortung tragen, schon das Richtige sind und dass die Niedriglöhnerinnen zur Pflege nicht dazu gehören.

Da könnte schließlich jeder daher kommen.

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Kommentare (6)

  • Mr. T.

    |

    Also die letzten drei Absätze unter dem Bild von dem Typen, der früher mehr für seinen Führerfimmel aufgefallen ist, sind ein hervorragender Abschluss dieses guten Artikels.
    Der Artikel gehört sich in eine Zeitung vom Format der Süddeutschen gedruckt, diese dann zusammengerollt und jedes Mal wenn einer der bigotten Politiker seinen ehrlosen Bockmist erzählt, über den Kopf gezogen bis sie den Inhalt auch in diesem drin haben – zumindest im übertragenen Sinne. Leider wird das aber nichts bringen, da es sich hier um besonders schäm- und schmerzlose Gesellen handelt.
    Ich hoffe, die Streikenden haben noch genug Luft, um sich ihre Anerkennung noch zu erkämpfen.

  • Daniela

    |

    Nun ja, es trifft sich ja gut, wenn Aiwanger und Eberwein am Samstag Ihren politischen Starauftritt in Regensburg hinlegen wollen. Könnte ja sein, dass sich MA aus der Pflege und aus dem UKR, vielleicht flankiert von MA der KDL interessiert mit anderen interessierten Bürgern einfinden und ein Statement ihrer Meinung dazu mitteilen. Vielleicht gelangt dies dann auf schnelleren Wege ins Ministerium, als über die SZ?

    Wann endlich kapieren die Verantwortlichen, dass am UKR, Ärzte, Verwaltung, Pflege, Hygiene, Reinigung… Hol- und Bringdienst unvermeidlich mit einander verbunden sind.

  • Mr.C

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    Gute Arbeit für gutes Geld. Wir arbeiten im Hintergrund. Ohne uns läuft nichts da steht das Krankenhaus still. Wer bringt frische Betten auf Station, wer entsorgt den Müll auf Station das macht der Hol und Bringedienst. Wer bringt Patienten von A nach B das macht der Patientenbegleitdienst. Wer sorgt für gereinigte Zimmer gereinigte OP-Säle das macht die Reinigung. Dies sind nur einige Beispiele für das was im Hintergrund läuft. Ohne uns läuft die Versorgung der Patienten nicht reibungslos, können Patienten nicht effizient versorgt werden. Darum streiken wir für eine bessere Bezahlung. Gute Arbeit für gutes Geld.

  • Mr. B.

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    Zu Mr.C
    7. Mai 2024 um 06:02 | #

    Da kann man Ihnen nur beipflichten.

  • Manfred Anderl

    |

    Zu Corona-Zeiten wurden Stellen für Stationshilfen geschaffen, die den Krankenschwestern und -Pflegern nicht direkt medizinische Arbeit abnehmen: Essen verteilen, Geschirr abräumen, Schränke auf der Station auffüllen und vieles mehr.
    Diese Stellen werden jetzt gestrichen.
    Damals waren die Stationen wegen Corona voll, heute sind sie es u.a. wegen ukrainischer Kriegsverletzter.
    Alles, was der Staat damals zugesagt hat, wird klammheimlich wieder abgeschafft.
    Es ist (natürlich) angeblich zu teuer. Es ist kein Wunder, wenn niemand mehr in Pflegeberufe gehen will.
    Da drohen nur Stress, Burnout und ein rigoroses ausgenutzt werden durch den Arbeitgeber. dazu ein hohes Maß an Verantwortung: Sollte einem Patienten trotz aller Sorgfalt etwas passieren, steht der Staatsanwalt in der Tür.

  • tom lehner

    |

    Liebe Mitbürger:Innen,

    Ein großes, sehr weit entferntes Land, dessen alle Einwohner namentlich auf “ing” enden, führte in einem Labor Experimente mit biologischen Kampfstoffen an Fledermäusen durch. Weil die Reinigungskräfte dieses Labors weit unter Tarif bezahlt wurden kam eine von Ihnen, nicht wissend um der Konsequenzen, auf die Idee ein paar der Fledermäuse auf dem Wochenendmarkt zu verkaufen, einzig um etwas mehr zum Leben zu haben.
    Der Rest der Geschichte ist bekannt.
    Die Fledermäuschen war Träger eines schlimmen Virus. Einem Virus gegen das kein Kraut gewachsen war. Ein Virus das nicht vor Menschen halt machte und alles anfiel was bei drei nicht auf der Rikscha war.
    Ein Mitarbeiter der Firma Webasto brachte den Virus zu uns. Mitarbeiter anderer Firmen machten es genauso. Überall begann sich der Virus zu verbreiten. Und weil der Virus so gemein war starben ganz viele Menschen. Abertausende Menschen wurden eingeliefert. Die Tiefgaragen der Kliniken waren voll mit Patienten die an den Folgen des Virus litten.
    Krankenhäuser und Kliniken waren überfüllt. Das Pflegepersonal und die Ärzte arbeiteten rund um die Uhr. Bis zur Erschöpfung und darüber hinaus.
    Vieles was im Argen lag kam nun zum Vorschein. Die Pflege als Investment war ein fragwürdiges Mittel die Kosten zu senken. Man versprach sich um die Belange der Pflegenden besser zu bemühen. Kampagnen wurden gestartet um die Moral und die Motivation der Menschen hochzuhalten.
    Geradezu genial war das Klatschen von den Balkonen. Man zollte seinen Respekt. Zeigte Mitgefühl und Solidarität. Die Initiative diverser Hedgefonds Manager, der politischen Dreifaltigkeit und des restlichen Parteienspektrums war ein großer Wurf. Die Stimmung im Land wurde besser. Die Pflege sah sich “Ernstgenommen” und auf einem neuen Weg. Nicht noch einmal sollte sich derartiges ereignen. Darüber herrschte Konsens.
    Biontech mit seiner Adresse “An der Goldgrube”, diverse andere, an der Börse notierte Unternehmen und ein paar Maskenverkäufer der CSU machten einen riesen Reibach mit dem Virus das uns lange Zeit “Ausser Atem” brachte. Die Pflege erhielt Applaus vom Balkon.
    Lehren zog man aus den Vorfällen nicht. Wozu auch. Auch Fragwürdiges wurde nicht analysiert. Grenzüberschreitungen und Verletzungen von Grundrechten waren kein Thema mehr. Manch einer der CSU Maskenverkäufer hielt seinen Leumund sauber.

    Und die Moral von der Geschicht? Bezahle Deine Putzfrau nicht.
    Bleibt die Putzfrau unbezahlt, ist die Rendite wie gemalt.

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