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Beiträge mit Tag ‘Gentrifizierung’

Modell der Regensburger Altstadt: Wer hat hier noch Zugriff auf Wohnungen? Foto: Staudinger
Ein Ziel hat der Mieterbund Regensburg mit seiner am Dienstag veröffentlichten Dokumentation „Tatort Altstadt“ erreicht: Die politische Debatte um „Gentrifizierung“, die Verdrängung einkommensschwacher Bewohner durch Besserverdiener im Zuge der Sanierung und „Aufwertung“ von Stadtteilen, scheint nun auch in Regensburg zu beginnen. Allerdings muss der Vorsitzende Kurt Schindler für seine Kritik an der Stadtbau GmbH auch jede Menge Prügel einstecken. Die kommt vor allem von der SPD, für die Schindler über 30 Jahre im Stadtrat saß und aus der er 2008 im Streit ausgetreten ist, aber auch von Stadtbau-Geschäftsführer Joachim Becker. Der wirft Schindler vor, seinem kommunalpolitischen Einfluss nachzutrauern und über den Mieterbund Politik machen zu wollen.Ein an sich verkraftbarer Vorwurf, wenn man bedenkt, dass der Mieterbund sich bundesweit als politische Interessensvertretung versteht.

Verdrängung unausweichlich?

Wie berichtet, kritisiert der Mieterbund insbesondere die städtische Wohnbaugesellschaft Stadtbau GmbH. Diese hat seit 1995 ihre Sanierungstätigkeit in der Altstadt mehr oder weniger eingestellt. Mehrere Altstadt-Gebäude, die eigentlich für langjährige Bewohner vorgesehen waren, wurden in den letzten Jahren verkauft. Aus günstigen Miet- wurden teure Eigentumswohnungen; in den letzten zehn Jahren sind die Mieten in der Altstadt um fast 35 Prozent gestiegen. Belastbare Daten zur Bewohnerschaft hat der Mieterbund bislang allerdings nicht präsentiert. Mit seiner Kritik an der Gentrifizierung der Regensburger Altstadt hat Schindler ungeachtet dessen eine Debatte aufgegriffen, die (nicht nur) der Mieterbund bundesweit immer mehr zum Thema macht. Ist es unausweichlich, dass durch Sanierung und Aufwertung von Wohnquartieren angestammte Bewohner dort keinen Platz mehr haben? Diese Frage wird nun auch in Regensburg etwas vernehmlicher als in der Vergangenheit gestellt.

SPD: „Schindler ist mit verantwortlich“

Will einige Dinge klar stellen: SPD-Fraktionschef Norbert Hartl. Foto: Archiv
„Die Kritik daran, dass Altstadtbewohner aus ihrem Quartier weg ziehen müssen, teile ich“, sagt nun SPD-Fraktionschef Norbert Hartl. Allerdings sei Kurt Schindler mit dafür verantwortlich, dass es so weit gekommen sei. „Er war lange im Aufsichtsrat der Stadtbau“, schimpft Hartl. „Dort hat er Verkäufe von Häusern in der Altstadt mitgetragen und war auch mit dafür verantwortlich, dass die Sanierungstätigkeit eingestellt wurde.“ Schindler hab einfach mit der CSU gestimmt und „die SPD im Stich gelassen“. Hartl selbst kündigt an, sich in den nächsten Tagen mit einer ausführlichen Pressemitteilung zu Wort zu melden, um „hier einige Dinge klar zu stellen“. Ob es dabei nur darum gehen wird, die Fehde zwischen Kurt Schindler und der SPD weiter zu pflegen oder ob auch die aktuelle Verdrängung weniger begüterter Mieter – und Lösungsvorschläge – ein Thema sein werden, bleibt abzuwarten. Mehr inhaltlich geäußert haben sich die Stadtratsgrünen. „Die Stadt muss die Sozialplanung in Sanierungsgebieten wieder stärker selbst in die Hand nehmen“, sagt deren Fraktionsvorsitzender Jürgen Mistol. Auch müsse man sich Gedanken über wirksame Instrumente machen, um dem – mit dem wirtschaftlichen Erfolg Regensburgs einhergehendem – Veränderungsdruck entgegenzuwirken.

Nicht nur Gebäude werden „aufgewertet“

Tatsächlich macht dieser Veränderungsdruck nicht vor den Toren der Regensburger Altstadt halt. Auch im Zuge der nach wie vor laufenden Sanierung der Ganghofersiedlung etwa, wird am Ende etwa die Hälfte der Bewohner ihre angestammten Häuschen verlassen haben – so zumindest kalkulierte in der Vergangenheit die Immobiliengesellschaft „Grüne Mitte“. Die Zusammensetzung der Bewohnerschaft wird sich angesichts steigender Mieten und der Umwandlung in Eigentumswohnungen entsprechend verändern – weg von Rentnern, Arbeitern und Geringverdienern. Was für die einen bitter ist, sehen andere dagegen als Hoffnung. Nicht umsonst wird bei den Planungen für die Bebauung des Zuckerfabrik-Areals stets von einer damit verbundenen Aufwertung der umliegenden Wohngebiete – etwa dem Hohen Kreuz – gesprochen. Dass dies nicht allein auf Gebäude und Geschäfte gemünzt ist, sondern auch in die Verdrängung gewisser Gesellschaftsteile münden wird, lässt sich etwa daran ablesen, dass hier in der Vergangenheit schon von Bewohnern die Rede war, die „keine wichtigen Mitglieder der Gesellschaft“ seien, „sondern solche, die das Viertel runter ziehen“. Die Debatte um Gentrifzierung hat in Regensburg eben erst begonnen.

Regensburg: Lebensraum oder Spekulationsobjekt?

Die Immobilienpreise steigen, die Mieten auch. Kritik daran bleibt aus, ist es doch Ausdruck des Erfolgs und der Prosperität der Regensburg AG. Die SPD in der Altstadt will das ändern und lädt für Montag zur Diskussion „Regensburg – Lebensraum oder Spekulationsobjekt?“. Der Stadt werfen die Genossen einen Ausverkauf zu Lasten der angestammten Bewohner vor.

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