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Landgericht Regensburg

„Wutrausch“ in Regensburger Wohnblock: Versuchter Mord auf Crystal, Crack und Heroin

Es klingt wie ein Horrorfilm, was einem 19-Jährigen im vergangenen Dezember angetan wurde. Seit Mittwoch steht der Täter vor dem Landgericht Regensburg.

Weil zunächst nicht klar war, ob sich der Täter noch im Haus aufhält, war die Polizei am 7. Dezember mit einem Großaufgebot vor Ort. Foto: pc

Es ist mucksmäuschenstill im Sitzungssaal 104 des Landgerichts Regensburg. Man hört nur die Stimme des 20-Jährigen, der mit einer fast schon schmerzhaften Klarheit schildert, was ihm sein Nachbar am 7. Dezember letzten Jahres in einem, so nennt es der Betroffene, „Wutrausch“ angetan hat, wie er versucht hat, dieses fast halbstündige Martyrium irgendwie zu überleben und wie es ihm heute geht. „Da ist nicht nur Wut, sondern auch das Gefühl, dass ich nichts wert bin. Er hat mich wie einen Müllsack liegen lassen. Dabei lässt man so keinen Hund sterben.“

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An jenem Tag hielt sich der junge Mann in der Wohnung seines Lebensgefährten in einem Wohnblock in der Frankenstraße auf. Als er um kurz vor zehn Uhr etwas an der Tür hörte, habe er arglos geöffnet, dachte, sein Freund käme zurück. Doch dort stand der 25-jährige Nachbar, bewaffnet mit einem Messer und einem Maurerhammer. Er hatte sein Opfer wohl völlig willkürlich ausgewählt.

Über 30 Verletzungen, vier „akut lebensgefährlich“

Trotz Türkette verschaffte der unter Drogen stehende Mann sich Zugang zur Wohnung, trat die Türe auf, und stach seinem Opfer sofort in den Bauch. Immer wieder habe er Geld gefordert. „10.000 Euro oder 30.000 Euro. Ich weiß es nicht mehr“, so der Zeuge. Das brauche er für seine Familie. Währenddessen traktierte er sein Opfer mit Messer und Hammer.

Stiche ins Gesicht, Schnitte in den Hals, Schläge gegen Kniescheibe und Kopf. „An das Geräusch kann ich mich bis heute erinnern“, so der schwer traumatisierte Zeuge. Auf anderthalb Seiten zählt die Staatsanwaltschaft über 30 Verletzungen auf, die der damals 19-Jährigen erlitten hat – mindestens vier davon „akut lebensgefährlich“.

Der Kammervorsitzende, Richter Michael Hammer, zeigt viel Einfühlungsvermögen. Untrer anderem hat er dem jungen Mann gestattet, bei seiner Vernehmung Sonnenbrille und FFP2-Maske zu tragen. Er möchte nicht erkannt werden. Seine Mutter sitzt während der Vernehmung neben ihm, hält die Hand ihres Sohnes. Auch seine Therapeutin ist anwesend. „Der Überlebenswille, den Sie da gezeigt haben, ist unglaublich“, sagt Hammer später.

Beschuldigter muss Sitzungssaal verlassen

Der Beschuldigte, der über seinen Verteidiger Helmut Mörtl erklären ließ, dass er die Tat, an die er sich nicht erinnern könne, aufrichtig bereue, musste den Gerichtssaal zuvor verlassen. Er verfolgt die Vernehmung per Video in einem anderen Raum. Seinem Opfer hat er einen Brief geschrieben, den er an dessen Rechtsanwalt Ulrich Weber übergeben lässt.

Er habe versucht, durch die Tür zu flüchten, schildert der Zeuge. Er wollte aus dem dritten Stock aus dem Fenster springen. „Aber er hat mich nicht gelassen. Er war einfach zu schnell für mich.“ Über das Handy seines Opfers rief der 25-Jährige mehrfach dessen Freund an, um von ihm das Geld zu fordern. Doch der war nicht erreichbar. Dann habe er Schränke und Kästen in der Wohnung durchwühlt, schildert der Zeuge. „Immer wieder hat er mich beschimpft und verflucht.“ Und ihn weiter verletzt.

Opfer leidet unter Angstzuständen

Als der Schwerverletzte glaubte, sein Angreifer habe die Wohnung verlassen, habe er mehrfach versucht aufzustehen, um aus der Wohnung zu kommen. „Aber er war nicht weg“, sagt der Zeuge unter Tränen. Irgendwie habe er es zur Tür geschafft, wo der 25-Jährige gerade versuchte, einen Nachbarn anzugreifen, der sich aber noch in die Wohnung retten konnte. Dann floh der Mann.

Sein Opfer brach auf dem Gang zusammen, war aber – das geht aus seinen eindrücklichen Schilderungen hervor – die ganze Zeit bei Bewusstsein. Er erzählt von den Schmerzen, die er gespürt und wie er immer wieder an seine Mutter gedacht habe. Heute leide er unter Angstzuständen. Nach Regensburg traut er sich nur noch in Begleitung.

Laute Geräusche triggern ihn, ebenso bestimmte deutsche Worte, wie zum Beispiel „und“. Denn sein Peiniger habe auf den Hinweis, dass er sterben könne oder die Bitte, dass er seine Familie noch einmal sehen wolle, mehrfach mit einem „Na und“ reagiert.

„Ich muss mein Leben so leben, wie ich es nicht leben möchte…“

Das Leben retteten dem 20-Jährigen mehrere Nachbarn und die Putzfrau, die unabhängig voneinander die Polizei riefen. Die Putzfrau sei bis zu deren Eintreffen die ganze Zeit bei ihm geblieben und habe ihm auch gesagt, dass der Rettungswagen komme. Das sei wichtig für ihn gewesen, erzählt er. Da habe er gewusst, dass es doch nicht allen egal sei, was mit ihm passiere.

Ein damals eingesetzter Beamter berichtet davon, dass der junge Mann „aufgeschnitten“ und „von oben bis unten voller Blut“ gewesen sei. Seinen Traumberuf als zahnmedizinischer Fachangestellter kann er aufgrund bleibender Schäden im rechten Arm nicht mehr ausüben können. „Ich muss mein Leben so leben, wie ich es nicht leben möchte – wegen ihm.“

Versuchter Mord im Zustand der Schuldunfähigkeit

Der 25-Jährige stellte sich noch am selben Tag mit seinem Anwalt der Polizei. In seinem Blut wird ein Drogenmix – unter anderem aus Crystal, Crack und Heroin – festgestellt. Die Staatsanwaltschaft hält deshalb eine „substanzmittelbasierte Psychose“ für naheliegend.

Unter anderem wegen versuchten Mordes im Zustand der Schuldunfähigkeit hat man deshalb die Unterbringung des Mannes in der Psychiatrie beantragt. Es bestehe die Gefahr, dass er weitere erheblich rechtswidrige Taten begehen werde. Derzeit befindet sich der 25-Jährige im Bezirksklinikum Regensburg. Vorerst sind mindestens sieben weitere Verhandlungstage angesetzt.

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Kommentare (9)

  • Mr. B.

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    Einfach der Wahnsinn.
    Mehr kann man dazu fast nicht sagen.
    Dieser Irre darf nie mehr auf die Bevölkerung losgelassen werden, denn Geld wird er immer brauchen, auch für seine “harmlosen” Drogen.

  • Meier mit "ei"

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    Hoffentlich mutet man dem Täter nicht allzu viel zu in der Verhandlung! Das arme Hascherl!

  • Anwohner

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    Ja genau, Meier mit oder ohne “Ei”. Das sind so die Sprüche … für was eigentlich?
    Der Typ wurde aus dem Saal entfernt, damit dem Opfer zumindest dieser Anblick erspart bleibt.
    *kopfschüttel*

  • Meier mit „ei“

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    @Anwohner
    Hatte schon befürchtet, dass man meine Ironie nicht versteht!

  • Daniela

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    Meine Güte und so etwas in unserer Mitte…. Dem Opfer die besten Wünsche für die Zukunft und die seelische Gesundung.
    Dem Täter wünsche ich die Kraft einen Drogenentzug zu schaffen, um dann dem Opfer mit dem nötigen Respekt zumindest finanzielle Wiedergutmachung zu leisten.

  • Ehemals Student

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    … frage mich ja schon, wie viele derjenigen, die hier über das unentschuldbare Verhalten eines in der Drogenpsychose zum Berserker Gewordenen geifern einer Cannabisfreigabe begrüßend gegenüberstehen. Doppelmoral ließe bei den Betreffenden grüßen.

  • onki

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    @ehemals Student
    der Vergleich zu Cannabis kann sinnfreier nicht sein. Cannabis spielt in diesem Fall keine Rolle und hat mit der stark halluzinogenen Wirkung dieser synthetischen Drogen wenig gemein. Aber das dürfte dem echten Wutbürgertum egal sein, denn Hauptsache er hat seine tägliche Ration die-Grunen-sind-an-allem-schuld öffentlichkeitswirksam und plakativ ausgespuckt. Es ist gerade wieder Volksfestzeit… bleiben wir doch gleich bei sinnfreien Populismus und nehmen den Alkoholkonsum ins Visier. Über 60.000 Tote und abhängige Kosten im zweistelligen Milliardenbereich sprechen eine deutliche Sprache…
    auf geht’s: fordern wir lautstark den Verbot von Radler, MonCherry und Eierlikörtorte!

  • Meier mit „ei“

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    @Ehemals Student
    Würde ich ihre Gedankengänge übernehmen, könnte ich ihnen genauso auf Grund ihres selbst ausgewählten Namens „Ehemals Student“ ein äußerst gelebtes Studentenleben unterstellen!

  • Mr. T.

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    War Alkohol, die Droge, die mit weitem Abstand für die meisten Gewaltexzesse sorgt, auch im Spiel?

Kommentare sind deaktiviert

drin