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„Dieser Tisch gefällt mir nicht“

Das „aran“ in der sanierten Häuserburg Schnupftabakfabrik muss seine bislang bewährte und gut angenommene Freisitzlösung überdenken und die schönen und teuren Eichenholz-Bänke weg räumen. Das Stadtplanungsamt duldet keine hölzernen Sitzbänke im Welterbe. Das Stadtplanungsamt hat sich durchgesetzt. Frau Ute Hick, die Leiterin des Stadtplanungsamts (vor der „quer“-Kamera des BR machte sie bereits letzte Woche den Fehler nicht zwischen Stadt und Verwaltung zu unterscheiden!) kann triumphieren.

Am selben Tag, einen Steinwurf vom „aran“ entfernt und zu abendlicher Stunde traf sich im Grafenreuther-Pavillon die „Interessensgemeinschaft Regensburger Altstadt e.V.“ zu einem Vortrag. Gastreferent war Ulrich Korb, der Sein Thema: Regensburg: Weltkulturerbe und Altstadt – Kneipenmeile. Der Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes des Bezirks Oberpfalz ist als Mann deutlicher Worte bekannt und erwartungsgemäß nahm er auch kein Blatt vor den Mund. Seine Themen: Das so genannte Gesundheitsschutzgesetz, das am 01.01.2008 in Kraft getreten ist, der aktuelle Stuhlstreit in Regensburg und am Rande auch die Auswirkungen des Titels Weltkulturerbe für die Gastroszene in Regensburg. Korb macht unumwunden klar, dass er als Lobbyist spreche und – man kann es ihm nachsehen – bei seinen Ausführungen speziell zum Gesundheitsschutzgesetz sparte er nicht mit deutlichen Worten in Richtung München. Ach, wissen Sie zufällig, wie der Bayerische Gesundheitsminister heißt? Offiziell heißt die Dienststelle „Ministerium für Mensch und Umwelt“ und wird geführt von Dr. Otmar Bernhard. Schon mal gehört? Macht nix. Keine Regel ohne Ausnahme. Raucherclubs schießen wie Pilze aus dem Boden und in der tat gingen momentan Stadtverwaltungen strikt gegen Verstöße vor. Der Wirrwarr sei komplett. Die Ordnungsämter wären seit ein paar Jahren extrem restriktiv, was die Einhaltung der so genannten „Stillen Tage“ (Osterwoche, Volkstrauertag etc.) anbelange. Da solle man zeitgemäßer agieren, warb Korb und erzählte aus seiner Lobbyarbeit. Solange Stoiber Ministerpräsident war, konnte man Beckstein, damals noch Innenminister, niht damit kommen, eine Lockerung und zeitgemäße Handhabung zu erwirken. Beckstein bedauerte stets, solange Stoiber Chef sei – nichts zu machen. Nun, da Beckstein Bayern-Boss sei heißt es: Um Himmels Willen, wenn ich als Protestant da was ändere, heißt es gleich, seht, der Lutherische, jetzt liberalisiert gleich alles. Zum jetzigen Innenminister schwieg Korb viel sagend. Generell sei unter Wiesheu alles besser gewesen, das Wirtschaftsministerium von heute bemühe sich stets…

Laut RTG (Tourismus GmbH) hätte Regensburg 2007 etwa 1,5 Mllionen Tagesbesucher beherbergt. Im Schnitt lässt jeder Tagestourist 16 Euro in der Stadt, etwa 25 Millionen Euro wären das gewesen. Für die Gastronomie fällt diese Besuchergruppe kaum ins Gewicht, außer einer Tasse Kaffee würde diese sonst kaum etwas konsumieren. Eine Stadthalle und/oder ein Kongresszentrum, das fehle. „Mittlereile ist völlig egal wo. Aber es passiert ja nichts!“ Der beste Standort (Donaumarkt) sein tot geredet worden, meinte ein Anwesender und der Damm, dem Referenten ins Wort zu fallen, war gebrochen.

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Turbulent geriet die Diskussion der wenigen Zuhörer, darunter nota bene kein Gastronom! Der mitdiskutierende Dr. Lutz Tittel wurde vom Betreiber eines Sanitätshauses attackiert: „Wo ich Sie höre, stänkern Sie!“ Stadtrat Günter Riepl steuerte einige Beiträge bei, die seine Sachkenntnis um die Altstadtsanierung seit den 70er Jahren dokumentierte, ansonsten sprach aus seinen Wortmeldungen Lob für die Effizienz der Stadtverwaltung, die – seiner Meinung nach – die Kneipenflut eingedämmt habe und mit der Stellplatzregelung die Verkneipung der Altstadt gestoppt habe. Das dem nicht so ist, sehen vielleicht nur Altbewohner. Mit der Ente des Tages, er habe eben im Radio gehört, Bayern wolle nunmehr jedem Wirt frei stellen, sein Unternehmen zum Raucher- oder Nichtraucherlokal zu betreiben, erntete er ungläubige Blicke. Seine These, im September sei Landtagswahl und die CSU müsse um Wählerstimmen kämpfen, dies sei wohl Beweis genug, dass das Nichtrauchergesetz erneut geändert werde, ließ an seine Worte denken, die Ludwig Artinger schon zum künftigen Oberbürgermeister von Regensburg machten.

Es war sehr turbulent, sehr aufschlussreich, sehr heiter und die Stimmung war seltsam gereizt. Ganz ohne Pfeifen-, Zigarren- und Zigarettenqualm fehlte nicht viel, und einige der etwa 15 Anwesenden wären auf die Straße gelaufen, um mit dem Ruf „G’rafft werd’!“ weitere Raufbolde ins Lokal zu holen.

Spaß beiseite, dass sich die Regensburger Gastroszene sehr wohl dem Welterbe verpflichtet fühle und Tugenden wie Höflichkeit, Service und Topqualität noch mehr hochhalten werde, sei in einem Leitbild verankert. Dass leider jeder und jede etwas anderes in den Titel interpretiere, dass konkrete Richtlinien und Empfehlungen vonseiten der Stadt nicht gegeben werden, sei bedauerlich und ein Problem, das dringend gelöst werden müsse. Die Diskussion zeigte klar, Welterbe wird gleichgesetzt mit historischer Substanz, die das „Geschäftemachen“ behindere. OB Schaidingers Worte, im Rahmen der 2010-Bewerbung sprichwörtlich geworden, „Welterbe sei ein Titel, von dem man höchstens einen gewissen touristischen Effekt habe“ und daher nicht vordringlich erstrebenswert, hallt immer noch nach.

Der Stuhlstreit. Nicht einsehbar, warum bestimmte Sessel und Tische nicht Welterbekompatibel sein sollen. Die Geschmäcker sind nun mal verschieden, bei einer Begehung äußerte eine Mitarbeiterin des Stadtplanungsamts tatsächlich: „Der Tisch gefällt mir nicht.“ Wenn der subjektive Geschmack von Stadtbeamten darüber befindet, welche Bestuhlung zulässig ist und welche nicht, dann darf muss man sich fragen, ob die Stadtverwaltung keine anderen Probleme habe. „Ja, das geht. Aber Tischdecken auf keinen Fall!“, dieser Satz ist tatsächlich gefallen. Mit der Leiterin des Amtes hatte Ulrich Korb ein Gespräch, als diese zugab, sie habe sich eben auf die Aussagen ihrer Mitarbeiter verlassen, ja dann… Wie dem auch sei, die Stadtverwaltung hat sich im Falle „aran“ durchgesetzt, die Stadtverwaltung, die immer gern von sich behauptet, sie sei die Stadt, denn die Stadt, das sind wir. (Der letzte Satz ist Interpretation des Schreibers, nicht von Ulrich Korb!) Nun ja, morgen, 24.04.08 um 20.15 Uhr „quer“ im BR gucken, da kommt noch mal was über den Stuhlstreit, der Regensburg mal wieder unrühmlich macht. Aber jeder blamiere sich, so gut er kann!

Weitere Punkte aus dem Munde des Geschäftsführers des Hotel- und Gaststättenverbandes. die unbedingt erwähnt werden müssen:

„Es fehlt in Regensburg kein Sternerestaurant.“

„Auf die Kneipendichte in Regensburg muss man nicht stolz sein, im Gegenteil.“

„Der Gastro-Mix in Regensburg stimmt. Von Gehoben bis Billig ist alles geboten.“

„Mitunter kommt man sich als Altstadtbewohner schon so vor, als störe man Touristengruppen.“

„Regensburg ist stolz auf sich und seine Gäste.“

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Kommentare (4)

  • Michael Thomiczny

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    Der “Stühlestreit” ist in seiner Dämlichkeit wirklich kaum noch zu überbieten, da verbietet sich ja fast jeder weitere Kommentar.
    Aber was genau ist die Intention des restlichen Textes? Eine etwas wirre Beschreibung des Abends im Gravenreuther, mehr kommt da leider nicht rüber…

  • Daniela Camin - Heckl

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    Ich bin am meisten belustigt darüber, dass ausgerechnet der “moderne Klassiker – der Stahlrohrstuhl” zu den Ausstattungsutensilien der Freisitze gehören soll. Er hat soviel “historischen Hintergrund”;-). Ich stelle mir gerade lebhaft vor, wie die alten Römer ihre Stahlrohrstühle auf und ab stappelten, wenn sie sich zu ihren Gelagen trafen:-). Nein, Holz- und Steintische und -bänke, sowie -tische vor historischer Kulisse wären wirklich nicht angebracht;-). Nein es muss die Touristenlösung à la “Lido de …” im neuitalienischen Stil her. Nein, die Bayern mochten die Preußen nicht immer, aber preußische Uniformität und Reglement hat schon etwas für sich, besonders im Stadtbild von Regensburg. Wundert es einen dann auch kaum, dass unsere Touris dann eher Cappucino bestellen, als eine Halbe. Wir sind halt in einer der “italienischsten Städte” im Norden. Ich hätte auch vollstes Verständnis für diese Lösung, wenn wir in Regensburg nur noch Pizzarias hätten, aber, wie bitte wird man mit Stahlrohrstühlen der bayrischen Urgemütlichkeit und dem Stammtischflair gerecht?

  • Barbara Junghans

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    Liebe Mitbürger,
    diese Schelte Richtung Stadt wegen der schönen und vom Material her so außerordentlich ins Stadtbild passenden Stahlrohrstühle ist wirklich ungerecht. Sie scheinen nicht erkannt zu haben, wie umsichtig die Stadtverwaltung mit den Wirten umgeht: Da das Geflecht den Rundungen des Gesäßes folgt, drückt sich der Stahlrohrrahmen in die Oberschenkel ein, erzeugt dort bald ein Gefühl von Blutstau und wird die Gäste daran hindern, das Sitzmöbel unnötig lange vor einem simplen Bier o.ä. zu belegen. Sie werden ihre Plätze innerhalb eines vernünftigen Zeitraums wieder freigeben, sodass neue Kunden dort ihr Geld lassen können.
    Die Stadt will nur unser Bestes! (Unser Geld!) Das sollten Sie bedenken, wenn Sie wieder mal meinen, Kritik üben zu müssen an den so emsig um unser Wohl bemühten städtischen Schaltstellen der Macht.

  • Jakob Spitzauer

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    Da könnte man dann doch gleich auch Stühle im sogenannten Fakir-Stil hinstellen.

    Wer weiß – vieleicht gefällt die Idee ja jemandem von der Stadt (-verwaltung) …

Kommentare sind deaktiviert

drin