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Stadtrats-Adventskalender 16: Der Öko-Onkel und der Konvertit

Beständigkeit – das kann ein Adventskalender vermitteln. Das tägliche Wiederholen des Rituals – Türchen auf, Schoki raus – hat etwas Beruhigendes, Verlässliches. Manchmal kann aber auch das permanent Unbeständige, der andauernde Wechsel für Verlässlichkeit stehen. Heute: Joachim Graf (ödp) und Stephan Junghans (Freie Wähler).

Joachim Graf – der nette Öko-Onkel

Joachim Graf (ödp). Foto: Archiv/ Staudinger

Joachim Graf (ödp). Foto: Archiv/ Staudinger

Immer wenn der „Autofrühling“ naht, wenn die Straßen und Plätze von Autohändlern mit ihren Boliden in Beschlag genommen werden und die Altstadt zum großen Autohaus mutiert, schlägt die Stunde von Joachim Graf. Fehlt seine kritische Presseerklärung zur Auto-Schau wird man in den Redaktionen nervös: Ist er krank oder gar gestorben? Doch stets trudelt sie dann doch noch pünktlich ein, Grafs Erklärung, und beklagt den „Tanz ums goldene Kalb Auto“, dem nun auch die Altstadt zum Opfer falle. Der pensionierte Lehrer gehört – was das Verschicken von Mitteilungen an die Medien betrifft – zu den verlässlichsten Aktivposten im Regensburger Stadtrat. Seine Pamphlete lesen sich mal witzig, mal sollen sie es vermutlich sein und hie und da finden sich darin auch politische Inhalte. Das König-Ludwig-Denkmal soll auf den Domplatz versetzt werden? Das ist der ödp zuerst eingefallen, vermeldet Graf. Und gleich daneben soll bitte noch ein Parkplatz für Papstbruder Georg Ratzinger hin. Markus Söder kündigt an, die CSU zur Ökopartei umzubauen? „Dann trete ich aus der ödp aus“, kündigt Graf an. Der Rapper Bushido kommt in die Donauarena? „Ein moralischer Missgriff“, wettert Graf. Neben der Kritik am Autofrühling gehören auch die Forderung nach einer Straße für den NS-Kulturwart Walter Boll oder nach mehr Transparenz in der Kommunalpolitik zu den immer wieder neu aufgelegten Themen des passionierten Fliegenträgers. Transparenz und Mitbestimmung – ein Leib- und Magenthema der ödp und damit auch von Graf. Hier hat er mit seinem beharrlichen Verschicken von Pressemitteilungen und konstantem Beharren (seit 1996 sitzt er mit im Rathaus) schon was erreicht: So gibt es zwischenzeitlich eine Informationsfreiheitssatzung, die Fraktionen erhalten nach langem Hin und Her auch Abschriften der Sitzungsprotokolle und auch manch lang unter Verschluss gehaltenes Gutachten musste die Stadt dank Druck und Beharrlichkeit unter anderem Grafs dann doch mal herausrücken. Manchmal sind aber Grafs Entscheidungen etwas undurchschaubar bei einem weiteren Steckenpferd – den Bäumen. Steht irgendwo in Regensburg eine Eiche, Kastanie oder Linde zur Abholzung an, ist Graf einer der ersten der nachfragt, sich sorgt und – natürlich – eine Pressemitteilung verschickt. Und als es einst Pläne gab für eine Hotelgarage in der fürstlichen Allee gleich Dutzende Bäume umzuhauen stand Graf an der Spitze des außerparlamentarischen Protests. Im Stadtrat selbst war das nicht der Fall: Dort stimmte er der Abholzung zu.

Stephan Junghans – der Konvertit

Stephan JunghansDas Singen hat es ihm angetan. Im Gospel-Chor „Deliverance“ (Erlösung) ist sein sonorer Bass ein Pfund. Und auch am Stadttheater sind Junghans’ Sangeskünste begehrt. „Immer schon wollt’ ich Apostel werden“, ist eine Textzeile, die er als Jünger beim Musical „Jesus Christ Superstar“ intonieren durfte. Wessen Apostel mithin Gesandter aber sein will, darüber scheint sich der Unternehmer nicht völlig im klaren zu sein. Folgte er einst sieben Jahre lang Hans Schaidinger nach, so viel Junghans im Zuge der Machtkämpfe 2008 vom Glauben ab und rief sich gar zum Gegenpapst aus, um selbst Jünger um sich zu scharen. An der Spitze der „Christlich Sozialen Bürger“ (CSB), jener Liste, unter deren Banner sich die Schaidinger-Kritiker in der Regensburger CSU versammelt hatten, zog er in den Wahlkampf: Gegen Korruption, für eine Stadthalle (nicht am Donaumarkt) und mehr Bürgernähe abseits Schaidingerscher Autokratie, stand auf seinem Banner. Gemeinsam mit Gero Kollmer schaffte Junghans denn auch den Sprung in den Stadtrat. Doch die traute CSB-Zweisamkeit währte nur kurz: Im Mai 2010 fiel Junghans – ohne nähere Angabe von Gründen – erneut vom Glauben ab und verschrieb sich sodann den Freien Wählern. Der dadurch vereinsamte Kollmer nahm’s gelassen, sah darin kein Problem, sondern vielmehr eine „Vertiefung der Kooperation zwischen CSB und Freien Wählern“. Und deren Fraktionschef Ludwig Artinger freute sich wiederum darüber, dass dank Junghans die Stimme der Freien Wähler im Stadtrat „noch deutlicher zu vernehmen sein“ werde. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. Junghans’ Stimme ist im Stadtrat kaum zu vernehmen. Seine Erlösung sucht er derzeit beim Verteilen von Wahlkampf-Nikoläusen.
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