Bescherte die Dauerbaustelle der Stadt Regensburg dem Leeren Beutel das Aus?
Nach 37 Jahren macht das Restaurant Leerer Beutel Ende Juni dicht. Die Brauerei hat den Vertrag gekündigt und spricht von „aufgelaufenen Außenständen“. Zu denen dürfte das Gerüst seinen Teil beigetragen haben. Es steht seit bald einem Jahr – und bleibt noch länger.
Seit August steht am Leeren Beutel ein Gerüst.
Vor 45 Jahren, im Jahr 1980, öffnete die Stadt Regensburg nach einer umfassenden Sanierung die Tore ihrer Galerie im spätmittelalterlichen Getreidespeicher Leerer Beutel. Fast ebenso lange, nämlich seit 37 Jahren, prägt die Gaststätte im Erdgeschoss das kulturelle Leben der Stadt. 1988 übernahmen Winnie und Traudl Freisleben die Regie und machten das Lokal zu einer Institution, einem Kultort, an dem unzählige Jazzkonzerte, Partys und der Sozialpolitische Aschermittwoch der Sozialen Initiativen stattfanden.
Doch am 1. Juli endet diese Ära. Wie Freisleben auf Nachfrage bestätigte, wurde sein Pachtvertrag zum 30. Juni gekündigt – nicht von der Stadt Regensburg, sondern von der Brauerei Paulaner, an die die Stadt die Gastronomie unterverpachtet hat.
Gesprächstermin zwischen OB und Brauerei kommt zu spät
„Wir bedanken uns von Herzen bei allen Gästen, Kolleg:innen, Veranstalter:innen, Künstler:innen, Musiker:innen – und bei allen, die die letzten 37 Jahre zu etwas Besonderem gemacht haben. Wir hatten eine großartige Zeit und würden uns freuen, wenn ihr im Juni noch einmal vorbeischaut, um Servus zu sagen. Reservierungen nehmen wir noch bis zum 27.06. entgegen.“ So lautet das knapp gehaltene Statement, das der Gastronom auf seiner Homepage veröffentlicht hat.
Auch wenn Freisleben sich bislang nicht zu den Gründen der Kündigung äußern möchte, klingt durch, dass er darüber nicht glücklich ist. Ebenso wenig die Stadt Regensburg. Wie die Pressestelle bestätigt, wurde ein Gesprächstermin zwischen der Oberbürgermeisterin und der Brauerei vereinbart. Doch das Aus für das Lokal dürfte damit nicht mehr abzuwenden sein.
Paulaner: „Es konnte leider keine Einigung erzielt werden.“
Die Brauerei betont gegenüber unserer Redaktion, dass man sich die Entscheidung „keinesfalls leicht gemacht“ habe. „Jedoch mussten wir sie aufgrund der aufgelaufenen Außenstände treffen.“ Zuvor habe es „wiederholte Versuche“ gegeben, „gemeinsam wirtschaftlich tragfähige Lösungen für die Zukunft des Betriebs zu finden“, auch „konkrete Vorschläge von unserer Seite“. Doch es „konnte leider keine Einigung erzielt werden“.
Fest steht, dass die Baustelle am Leeren Beutel zu massiven wirtschaftlichen Einbußen in dem Restaurant geführt hat. Im August hatten sich Ziegel vom Dach gelöst. Rasch wurde ein Gerüst aufgestellt. Während der Arbeiten mussten Galerie und Lokal schließen. Es stellte sich heraus: Die Dachziegel auf einer Fläche von 2.000 Quadratmetern müssen ausgetauscht werden. Es wurde weiter untersucht.
Im Februar 2025, das Gerüst stand da schon ein halbes Jahr, kam durch eine Nachfrage der Brücke im Planungsausschuss heraus: auch der Dachstuhl ist marode. Feuchteschäden. Es müssen Holzteile getauscht werden. Im März hieß es, dass erneute Untersuchungen notwendig seien.
Beginn der Arbeiten mehrfach verschoben
Freisleben erklärte damals gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung, er versuche, mit der Stadt Regensburg ein Konzept zu erstellen, um das Überleben des Leeren Beutels zu sichern. Die Stadt Regensburg ließ wissen, dass man versuche, die Parteien im Haus im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen. Das hat für das Restaurant offensichtlich nicht funktioniert.
Der Termin zum Beginn und Abschluss der Arbeiten wurde mehrfach nach hinten verschoben. Aktuell heißt es, das Dach werde im kommenden Jahr erneuert.
Hochzeiten und Feiern abgesagt
Während all dieser Zeit – die zweite Biergartensaison in Folge, eine dritte in Aussicht – muss der Leere Beutel auf einen Teil seines Freisitzes verzichten. Was davon übrig ist, unterhalb von Gerüst und grünem Fangnetz, ist nicht sonderlich einladend. Mehrere Hochzeiten und Feiern, ein wichtiges Standbein des Lokals, wurden in der Folge abgesagt. Es scheint nicht verwunderlich, dass Freisleben, folgt man den Aussagen der Brauerei, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet.
Jetzt war wohl das Ende der Fahnenstange erreicht. Der nun anberaumte Gesprächstermin zwischen der Oberbürgermeisterin und der Brauerei kommt zu spät.
Trackback von deiner Website.
Jakob Friedl
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Stadtverwaltung hier: Untätigkeit! Unverbindlichkeit! Niemand übernimmt Verantwortung, nichts wird geregelt. Stadt und Brauerei ducken sich weg. Die Ausfallversicherung für das Lokal fällt dann z.B. aus. Es verlieren ja nur andere ihr Geld und ihre Arbeit. Das Lokal mit seiner langjährigen Expertise konnte entsprechend der miesen Perspektiven nicht übergeben werden und wird jetzt wohl erst einmal jahrelang leerstehen. Nicht nur ein kultureller Verlust für die Stadt, sondern auch ein finanzieller.
Die Konsequenzen müssen die Wirtsleute und die Stadtgesellschaft tragen – die Verantwortlichen in der Verwaltung sind sich vermutlich nach wie vor noch immer nicht einmal bewusst irgendetwas falsch gemacht oder unterlassen zu haben.
Wuzzi
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Eine Institution geht verloren. Am Dilemma ist Stadtpolitik und -verwaltung nicht ganz unschuldig, weil die Stadt nur an Großpächter verpachtet, die dann die Unterpächter schurigeln.
Wer gehen sollte, ist die Brauerei aus München. Der Leere Beutel mit Herrn Freisleben macht seit fast 40 Jahren einen hervorragenden Job und erhält dann keine Unterstützung der Stadt Regensburg? Eine Schande!
Blauerose
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Eine Regensburger Institution weniger…
Also ich frage mich:
1. warum wurden Schäden am Dachboden nicht früher bzw. beim Dach erst entdeckt, als die Ziegel runtergefallen sind bzw. die Brücke das prüfen ließ?
2. warum finden jetzt immer noch erstmal (anscheinend monatelange) Untersuchungen statt?
3. warum dauert das bis jetzt bereits 1 Jahr?
4. warum wird nicht zügig renoviert?
5. warum hat die Stadt seit Jahren einen “Zwischenpächter” wie die Paulanerbrauerei, statt an den Pächter des Leeren Beutel direkt zu verpachten?
5. wenn mein Vermieter mein Haus so verkommen lässt, kann doch nicht ich als Mieter die negativen Konsequenzen tragen müssen? den Vermieter würde ich belangen
6. diesmal keine Frage: wieder ein jahrelanger Leerstand
7. doch noch eine Frage: welches Amt ist eigentlich zuständig für die vorausschauende Planung und Sicherstellung von Gebäuden?
Keine Weitsicht, keine Verantwortung, kein Gespür für die Regensburger…
Mr. T.
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Das Problem ging hier schon an, als die Stadt das Lokal an eine Brauerei, respektive an einen Getränkekonzern verpachtet hat. Diese bindet dann einen Unterpächter mit einem Knebelvertrag an sich, der dem Pächter nur Luft zum Atmen lässt, so lange alles gut läuft. Dabei muss er der Brauerei das Bier, das er sonst nie abnehmen würde, in großen Mindestmengen zu einem überhöhten Preis abnehmen. Wenn er aus einem Grund wie dem vorliegenden nicht mehr so viel verkaufen kann, muss er der Brauerei das Bier trotzdem zahlen. In diesem System profitieren nur zwei, die Stadt, die sich um nix scheren muss und ihre Pacht von der Brauerei kriegt, und die Brauerei, die sonst ihre Plörre im freien Wettbewerb nicht absetzen könnte, und ihm schlimmsten Fall auf die Einnahmen von ein paar Monaten verzichten muss, dann aber den Vertrag kündigen kann. Der Pächter schaut auch nach noch so vielen treuen Jahren mit dem Ofenrohr ins Gebirge. Im idealen Fall verpachtet die Stadt selbst und kommt dem Pächter, der sein Bier dort kaufen kann, wo er will, in so einem für den Pächter unverschuldeten Fall bei der Pacht entgegen, bis sie den Missstand behoben hat. Mit einem Riesenkonzern wie Paulaner dazwischen funktioniert das natürlich nicht. Deren Controller interessiert ein persönliches Schicksal eines langjährigen, aber für sie unbedeutenden Geschäftspartners nicht.
Alexander Irmisch
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Die Schließung des Restaurants im Leerer Beutel ist ein großer Verlust für Regensburg und für Winnie und Traudl, die viele Jahrzehnte als Wirtsleute den Leeren Beutel zu dem gemacht haben, was er war, absolut tragisch.
Und obwohl ich die Kritik an dem Konstrukt des Pachtvertrages nachvollziehen kann, möchte ich dennoch die Aussagen meines Stadtratskollegen Jakob Friedl nicht ganz unwidersprochen stehen lassen, auch wenn sie viele Likes bekommen haben. Die Vorwürfe der Untätigkeit gegen die Stadtverwaltung, des Wegduckens und des Abstreitens von Verantwortung sind nach meinem Kenntnisstand nicht zutreffend und ich habe selber, seitdem ich die Info am 31. Mai bekam, zahlreiche Gespräche und Telefonate dazu geführt. Darum erschließt sich mir nicht, wie Jakob zu der Behauptung kommt, dass erforderliche Unterlagen zum Einreichen für die Ausfallversicherung aufgrund der Baumaßnahmen durch die Stadt nicht vorgelegen hätten. Auch zahlreiche Gespräche zu der Situation zwischen Stadt und dem Wirtspaar in den vergangenen Jahren werden komplett ignoriert. Und auch die stetigen Nachfragen zum Stand der Baumaßnahmen und Prüfung / Genehmigung von Alternativen für nichtnutzbare Freisitzflächen durch verschiedenste Mitglieder des Stadtrates bleiben unerwähnt.
Ich weiß, dass es heutzutage für alles immer eine*n Schuldigen geben muss, aber so einfach ist es dann oft doch nicht, und allein mit einem Blick von draußen, sollte manchmal mit einem Urteil gewartet werden, bis alle Fakten bekannt sind. Und all diejenigen, die jetzt so groß die Schließung des Restaurants beklagen, sollten sich mal ehrlich machen und sich fragen, wann und wie oft sie denn in den letzten zwei Jahren dort zum essen waren?
Jakob Friedl
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@Alexander Irmisch
Die oberflächlichen Bemühungen rund um Freisitz und Gerüst haben es im Nachhinein nicht rausgerissen. Es war wohl zu kompliziert, die Pacht zu mindern oder zu erlassen… oder Renovierungsarbeiten so zu planen, dass diese nicht vollkommen überraschend passieren. Versicherungen zahlen nur, wenn Stadt und die verpachtende Brauerei sich ehrlich machen….
Charlotte
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Es ist ein Trauerspiel. 20 % zu viel Personal in der Stadtverwaltung und dann funktioniert es nicht, dass Projekte schnell und kostengünstig abgearbeitet werden. Frau Oberbürgermeisterin, sie sind die Chefin und haben ihre Verwaltung offensichtlich nicht im Griff. Sie wollen nicht mehr OB werden, also los, jetzt können sie durchregieren und die Personalkosten senken! Auch dafür wurden sie gewählt.
Daniela
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@ Blauerose
10. Juni 2025 um 19:17 | #
Treffende Fragen.
Zudem scheinbar komplizierte Vertragskonstellationen, mit Unterpachtvertrag usw.
Der Eigentümer sorgte über längere Zeit nicht für das Gebäude, ließ es herunterkommen. Ein Dachstuhl fault nicht von heute auf morgen durch, dass die Dachziegel gefallen kommen. Eine ganze Zeit lang passiert nichts, Das Gebäude wird nur grob gesichert mit der Auswirkung, dass dem Betreiber die Freisitze reduziert werden müssen.
Im Grunde genommen, wurde dem Betreiber die vollständige Nutzung und im Ergebnis ein Teil seiner Geschäftserträge entzogen. Man würde annehmen, dass der Unterpächter reagiert und die Verhandlungen in beide Richtungen aufnimmt, zum einen mit dem Eigentümer wegen Reduzierung der Pacht und zum anderen mit seinen Verträgen in Richtung Betreiber. Vielleicht liefen auch Verhandlungen über das Vertragskonstrukt und die Konditionen, genaues war noch nicht zu erfahren. Auch, ob Ausfallversicherungen wie greifen.
Aber im Ergebnis bleibt der Betreiber auf dem Dilemma sitzen und schreibt “rote Zahlen ‘. Die letzten 37 Jahre harte Arbeit und Fleiß der Betreiber enden im finanziellen Desaster. Wegen Beginn der Bauarbeiten, Sicherung des Gebäudes und es dauert…
Den Betreibern alles erdenklich Gute für die Zukunft.
Und schade, dass der Leere Beutel wohl auch eine lange Zeit ab dem 1. Juli leer bleibt.
Dominik Müller
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Alexander Irmisch, danke für Ihren Beitrag und den indirekten Aufruf, das Aus nüchtern zu betrachten. Alle Fakten werden wir nicht erfahren, so zum Beispiel die Bedingungen des Unterpachtvertrags, also des Pachtvertrages zwischen Brauerei und Wirtsleuten, der möglicherweise gar nicht so ein Knebelvertrag ist, wie von Mr.T.dargestellt.
Bei der Wahl der Biermarke sind selbst Eigentümer oft genug nicht frei, dank weit verbreiteter Grunddienstbarkeiten, das ideologische Eindreschen auf Getränkekonzerne ist da unangebracht.
Günther Herzig
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Dass die Stadt an Paulaner verpachtete, hat doch allein damit zu tun, dass die Brauerei sich finanziell mit einem Darlehen engagiert hat, zum Beispiel zur Finanzierung der Einrichtung oder baulichen Anpassungen im Inneren und dafür das Recht erhalten hat Bier zu liefern unter Ausschluss anderer Brauereien, an deren Bier die gastronomischen Betreiber ein Interesse haben könnten. Die Tilgung des Darlehens geschieht regelmäßig durch Gutschriften, wenn vorher definierte Bierabnahmekontingente erreicht werden. Das nennt man seit vielen Jahrzehnten die Vereinbarung eines Bierpfennigs. Kann das Lokal nicht optimal betrieben werden, z. B. weil Strassen- und Kanalbaumaßnahmen die Erreichbarkeit beeinträchtigen, laufen nicht erfolgte Darlehenstilgungen in Form der unterbliebenen Abnahmemengen auf. Dass die “Unterpächter” diese Lasten nicht tragen können, ist häufig die Folge. Die Frage wird lauten, ob die Tilgung eines Restdarlehens den Unterpächtern jetzt überbürdet werden kann, obwohl es sicher bei Vertragsbeginn kaum geplant gewesen sein kann, dass die Gastronomen damit etwas zu tun haben sollten. Läuft es jetzt darauf hinaus, dass die Stadt das Restdarlehen bedienen muss, wird wohl versucht werden einen Nachfolgegastronomen über die Höhe der monatlichen Pacht damit zu belasten, was es erschwert geeignete Nachfolger zu finden. Gelingt das, wird es auf der Speisen- und Getränkekarte zu erkennen sein. Den “Schwarzen Peter” haben damit die Bürger. Der Besuch des Restaurants wird aus finanziellen Gründen nicht mehr für Jedermann möglich sein. Das bedeutet eine voraussehbar trübe Zukunft für den “Leeren Beutel”.
Jonas Wiehr
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Stadtrat Irmisch fragt: “…wann und wie oft [wir] denn in den letzten zwei Jahren dort zum essen waren?
In den letzten zwei Jahren gar nicht mehr, weil Küche, Servie und Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr dem entsprachen, was man von einer guten Gastronomie erwarten darf. Die merkwürdigen und dem Anschein nach willkürlich gewählten Offnungszeiten sorgten ebenfalls für Kopfschütteln. Wenn Gästen der Gang zur Restauranttoilette verwehrt wird und man aufgefordert wird, doch gefälligst das WC des Kinos im ersten Obergeschoß zu benutzen, braucht ein Restaurant im Leeren Beutel tatsächlich niemand. Der faulende Dachstuhl des Leeren Beutels ist ein wunderbares Symbol für den Zustand des Regensburger Stadtverwaltung.