Fataler Millionendeal am Hollerweg: Stadt Regensburg hält Kritik für „unfair“
Ein Baugebiet gekauft und ein Biotop erhalten. Womöglich acht Millionen Euro in den Sand gesetzt. Hinweise ignoriert und eine nachlässige Prüfung. Wir haben die Stadt Regensburg zu mehreren Kritikpunkten in Zusammenhang mit dem fragwürdigen Grundstückskauf am Hollerweg konfrontiert und stellen hier die Fragen und Antworten (sprachlich leicht geglättet und zum besseren Verständnis gestrafft und ergänzt) zur Diskussion.
Blick auf die 2022 angekaufte Fläche am Hollerweg. Kolportierter Preis: etwa acht Millionen Euro. Ein Großteil davon ist streng geschützter Sandmagerrasen und kann nicht bebaut werden. Foto: as
Die Stadt Regensburg hat die 2,2 Hektar am Hollerweg im Sommer 2022 angekauft. Ihre letzte Auskunft war, dass die Fläche zuvor mehrfach unter Beteiligung verschiedener Ämter in Augenschein genommen wurde. Durch welche Ämter konkret?
Ja, es gab Ortstermine sowohl vor als auch nach dem Erwerb. Daran beteiligt waren insbesondere das Liegenschaftsamt, Bauordnungsamt (Umlegungsstelle) und das Stadtplanungsamt.
Zuletzt haben Sie mir – kurz gefasst – mitgeteilt, dass der nun festgestellte Sandmagerrasen schwer zu erkennen sei und das Biotop deshalb vor dem Ankauf nicht bemerkt wurde. Wir haben die Fläche nun mit einem Vertreter des Bund Naturschutz und einem Biologen und Botaniker besucht.
Bei gemähter Wiese wurden neun Pflanzenarten bestimmt, die auf Sandmagerrasen hindeuten, darunter die Heidenelke (Rote Liste, besonders geschützt nach Bundesartenschutzgesetz). Gespräche mit Anwohnern ergaben, dass dort unter anderem eine Schlingnatter sowie der Weiße Waldportier gesehen wurden.
Der Besuch auf der Fläche und die Bestimmung der Arten dauerte keine Stunde. Zentrale Aussage des Experten: All das seien zwingende Hinweise darauf, dass es sich um Sandmagerrasen handelt dürfte. Es hätte eine weitere fachliche Begutachtung der Fläche zur geben müssen. Die Aussagen der Stadt Regensburg (dass Sandmagerasen schwer zu erkennen sei) sei „ein Schmarrn“.
Was erwidert die Stadt Regensburg darauf?
Die Fragestellung ist in dieser Form unfair bzw. beruht auf dem sog. Rückschaufehler. Sandmagerrasen sind auf den ersten Blick sehr unscheinbar, es handelt sich bei den wertgebenden Arten in der Regel um eher unauffällige, kleine Pflanzen.
Unsere Recherchen zum Hollerweg
„Skandal“ am Keilberg, 3. Juli
Millionendeal vom Schreibtisch aus?, 9. Juli
Fläche besichtigt, aber Biotop nicht erkannt, 11. Juli
Wie nachlässig prüfte die Stadt?, 18. Juli
Kartiert wird in der Regel während der Wachstumsperiode von Mitte April bis Mitte Oktober, wobei die Blütezeit der wertgebenden Arten bzw. eine Kartierung vor der Mahd zu bevorzugen ist. Der Kartierzeitraum im Mai (so beauftragt durch das Stadtplanungsamt im Zusammenhang mit der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 287 Keilberg – Hollerweg) war sehr geeignet.
Beispiel: Die Art Platterbsen-Wicke (Vicia lathyroides) konnte nach Aussage des Gutachterbüros am 6.5.2025 sehr gut kartiert werden, war aber am 21.5.2025 kaum noch sichtbar. Eine Kartierung dieser Art im Juni/Juli ist eine deutlich größere Herausforderung.
Mit biologischer Fachkenntnis ist der Wert der Wiese grundsätzlich erkennbar, für die Kartierung werden in der Regel Experten (Botaniker) herangezogen, denn hier ist eine sehr sichere Artenkenntnis beispielsweise von sich sehr ähnlichen Unterarten notwendig.
Zudem spielt neben der Inaugenscheinnahme des Grundstücks auch das Prüfen von Kataster und Kartierungen eine wichtige Rolle. Diese lieferten aber eben keine entsprechenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Biotops.
Skizze des Bebauungsplans 287: Die aktuell diskutierten Flächen mit den Flurnummern 1446/1 und 1466/2 wurden im Juli 2022 von der Stadt angekauft. Die Flurnummern 1446 und 1446/3 kaufte die Stadt im Jahr 2020. Die Flurnummern 1444/10, 1444/11 und 1443 gehören der Stadt Regensburg seit Ende der 1930-er Jahre. 1436, 1437 und 1438 gehören einem Privatinvestor.
Ist es üblich, dass eine Fläche zum Ziel der Bebauung angekauft wird und diese zuvor nur – so mein derzeitiger Eindruck – oberflächlich betrachtet wird?
Grundstücke werden im Vorfeld des Erwerbs geprüft. Die Prüfung beinhaltet unter anderem zum Ankaufszeitpunkt vorliegende bzw. öffentlich einsehbare Informationen wie Biotop-, Denkmal- und Altlastenkartierung und umfasst darüber hinaus die Prüfung des Grundbuchs auf etwaige Belastungen und Hinweise sowie die Prüfung der rechtlichen Gegebenheiten wie Miet-/Pachtverträge. Zur Prüfung gehören daneben auch Ortstermine.
Trifft es zu, dass die Stadt Regensburg (und mindestens eine Stadtratsfraktion, die Grünen) bereits Ende 2021 von Anwohnern insbesondere auf zwei Punkte hingewiesen wurde: Die Kartierung der Biotope im damaligen Bebauungsplan Hollerweg ist nicht mehr aktuell. Es ist von einer deutlich größeren Biotopfläche auszugehen. Zudem gab es Kritik daran, dass die Stadt Regensburg die damals bereits bekannten Biotop durch Fäll- und Mäharbeiten massiv schädigen würde.
Am 02.02.2022 wurde eine ursprünglich anonyme Mitteilung über den Bund Naturschutz an das Stadtplanungsamt weitergeleitet. Die darin enthaltenen Informationen zu Natur- und Artenschutz betreffen die bereits bekannten Biotopflächen im ursprünglichen, kleineren Geltungsbereich des Aufstellungsbeschlusses (östlicher Bereich). Die Informationen wurden in das Bebauungsplanverfahren eingeführt.
Eine umfassende Kartierung erfolgte (siehe nächster Punkt). Eine Bewertung erfolgt im Rahmen der Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB im laufenden Bebauungsplanverfahren. Der Bund Naturschutz hat eine schriftliche Rückmeldung des Stadtplanungsamtes mit Datum vom 09.02.2022 erhalten.
Zudem hat sich ein Bürger mit E-Mail vom 03.12.2021 in Bezug auf die Biotope im ursprünglichen Geltungsbereich an das Umweltamt gewandt. Auch diese Informationen wurden innerhalb der Verwaltung weitergeleitet. Hierüber wurde der Bürger vom Umweltamt informiert.
Wann wird die aktualisierte Biotopkartierung der Öffentlichkeit vorgestellt?
Die Kartierung wird voraussichtlich nach der Sommerpause vorgestellt.
Auszug aus der bislang nicht veröffentlichten aktualisierten Biotopkartierung. Sie zeigt die 2022 angekaufte Fläche.
Wie wir ebenfalls durch Gespräche mit Anwohnern erfahren haben, zog die im September 2021 gestartete Vermarktung der am Ende von der Stadt angekauften Fläche reges Interesse auf sich. Es seien potentielle Käufer mit Autonummern „von Starnberg bis Sylt“ auf der Fläche gesichtet worden. Hat die Stadt den Ankauf getätigt, weil sie am Ende die einzig verbliebene Interessentin war oder wurde von einem eventuellen Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht?
Von Verhandlungen mit auswärtigen Interessenten ist der Stadt Regensburg nichts bekannt. Einem Eigentümer steht es allerdings frei, mit unterschiedlichen Interessenten zu verhandeln. Von einem Vorkaufsrecht wurde nicht Gebrauch gemacht. Die Stadt Regensburg hat den Erwerb getätigt, weil damit der städtische Grundbesitz wesentlich arrondiert und im Anschluss der Umgriff des bereits laufenden Bauleitplanverfahrens beinahe verdoppelt werden konnte.
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Rumpelstilzchen
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Stellungnahme der Stadt völlig unverständlich. Es gibt geballte Expertise im Umweltamt, mehrere Biologen, und im Stadtgartenamt, Biologen und Landschaftsarchitekten. Es scheint wieder einmal ein Führungsproblem zu sein. Unter einem OB Schaidinger wäre das nicht passiert.
Küchentischbotanikerin
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„Mit biologischer Fachkenntnis ist der Wert der Wiese grundsätzlich erkennbar, für die Kartierung werden in der Regel Experten (Botaniker) herangezogen, denn hier ist eine sehr sichere Artenkenntnis beispielsweise von sich sehr ähnlichen Unterarten notwendig.”
Man lese diesen Satz und lasse sich ihn auf der Zunge zergehen. Und wälze sich im Idealfall anschliessend am besten lachend auf dem Boden. Das ist gesünder als sich aufzuregen über 8 Millionen, die da zum Fenster rausgeschossen werden von unsrem Steuergeld :-)))) Wer hat die 8 Millionen jetzt eigentlich eingesackt? Sei ihm gegönnt bei dem Diletantismus hier! Aber machen Sie bitte was Vernünftiges draus!
Küchentischbotanikerin
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Zum Beispiel, die 8 Millionen in Biotopschutz investieren :-)) Oder nur 6 und 2 behalten. Wär auch ok.
Küchentischbotanikerin
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Korrektur nach Lachend-auf-dem-Boden-wälzen: Es muss natürlich heissen 2 Millionen behalten und 6 Millionen im Sinne des Gemeinwohls investieren.
Meinetwegen auch 3. Aber mehr ist nicht drin, weil man mehr vermutlich nicht dringend braucht.
Aber egal, interessanter natürlich, warum die Stadt unser Geld grad so investiert. Danke RD für die Recherche!
Heribert
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“…der Umgriff des bereits laufenden Bauleitplanverfahrens beinahe verdoppelt werden konnte.“
Liest sich so als hätte man dabei was gespart?
Daniel
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Blöd gelaufen, wenn die Stadt einfach gleich zugegeben hätte “ok haben wir falsch gemacht wir lernen für Zukunft daraus” würde schon niemand mehr danach krähen.
Aber mit immer weiteren schön reden wird das wohl noch lange ein öffentliches Thema bleiben.
d.w.
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Unglaublich, was die Laienspielertruppe im Rathaus an Geld verbrennt; Ein Klohäuschen für 900000 Euro, Millionen für ein Parkhaus, das niemand braucht, und jetzt weitere Millionen fur eine wertlose Wiese.
Kann man diese Dilettanten nicht zwingen, Ausgaben, die die Kosten für eine Schachtel Büroklammern übersteigen, erst einmal vom Rechnungshof prüfen zu lassen?
Charlotte
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Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verderben den Brei: eine alte Weisheit, nur im Regensburger öffentlichen Dienst arbeitet viel zu viel Personal und schießt dann einen Bock nach dem anderen. Wann werden endlich die 25 % zuviel Personal in der Verwaltung abgebaut? Seit Jahren sind diese Fakten bekannt und weder OB noch Stadtrat fordern das ein und beseitigen diese Steuergelderverschwendung. Einfach mal machen: engagieren sie eine externe Unterstützung, die nicht mit dem Personal und der Stadt verbunden ist und lassen sie das umsetzen. Dann wird vermutlich wieder priorisiert und konsequent gearbeitet. Das was ich selbst von Mitarbeitern der Stadt höre ist ja hanebüchen: Leistungsbereitschaft bei Kollegen wird im Keim unterbunden, damit die anderen den faulen Lenz weitermachen können, die Krankheitsfälle exorbitant, Amtsleiter und Mitarbeiter sind seit Jahren im Home Office verschwunden, nicht erreichbar für Arbeitsmeetings und keiner kümmert sich. Unvorstellbar in der privaten Wirtschaft, die ihr Geld verdienen muss.
Paul
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Servus
Charlotte
20. Juli 2025 um 14:28 | #
sind sie ein INSIDER?
Bzw auf welcher Grundlage entsteht ihre Kritik?
“Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verderben den Brei: eine alte Weisheit, ”
gut vermischt aber durchaus im Kontext zu gebrauchen.
Ein ähnlicher Ausdruck ist “Viele Köche verderben den Brei”, der die gleiche Bedeutung hat.
Beide Sprichwörter sind eine Warnung davor, zu viele Köche (oder Mitarbeiter) an einer Aufgabe zu beteiligen, da dies die Qualität des Endprodukts beeinträchtigen kann.
Also was macht jetzt die Verwaltung.
Ob ein Minus oder Plus.. ist verblieben?
zeigt sich dann zum Schluss.
Solaris
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@Charlotte hat Recht, wir haben viel zu viel Personal in der Stadtverwaltung, nur, was noch viel schlimmer ist, sie arbeiten nicht zusammen, sondern teilweise gegen einander aus Eitelkeit. Wieviele Immobilien der Stadt stehen leer? Kann man nur schätzen, sagt n.n. aus dem Stadtplanungsamt. Wer wüßte das? Das Liegenschaftsamt, die rücken aber nichts raus. D.h., lieber Stefan, wenn Du noch mehr Lust auf “Geldverschwendung aufdecken” hast, versuch es mal raus zu finden. Weiter gehts bei den einzelnen Behörden. Relativ einfach dürfte es sein, heraus zu finden, wieviel die neu gegründete Kreativbehörde mit 12 Personen bis hierhin Konkretes geleistet hat für welches Geld. Ich behaupte frech, dass deutlich mehr als das im gleichen Zeitraum von Ehrenamtlichen in diversen Vereinen für diese Stadt geleistet wurde. Man denke nur an die Transition Bewegung, die bereits vor mehr als 10 Jahren begonnen hat, Gemüsebeete für Jedermann zu pflanzen und einen wirklich heimeligen Ort in der Obermünsterstrasse gebaut hatte. und ja, die Arbeit wird Dir hier nicht ausgehen :-) Vielen Dank für Deine großartige und wichtige Arbeit für diese schöne Stadt!
Wuzzi
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@ Daniel 20. Juli 2025 um 09:35
Was heißt hier blöd gelaufen?
Ist doch wohl von der Stadtverwaltung blöd gemacht worden. Aber da ist wahrscheinlich wieder keiner Schuld.
Im übrigen: Cui bono, wer sind die Nutznießer?