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Marathon oder Volksmarsch?

Beim Regensburg Marathon ist längst nicht alles Gold was glänzt 7.344 waren bei der 18. Auflage des Regensburg Marathon unterwegs. 120 Starter weniger als bei der Premiere 1990.           						     Foto: gsrd                                                                                                                                                                                                                                             Mit einer Siegerzeit von 2:19:32 Stunden überquerte der Brasilianer Badista Filho Nivalda die Ziellinie des Regensburg Marathons. Ebenfalls von der Copacabana kam die schnellste Frau über die Marathondistanz: Solares Adao Arlete siegte in 2:44:10 Stunden. Der selektive 42,195 Kilometer lange Kurs zuerst die Pendelstrecke nach Etterzhausen, der Donau entlang bis Matting und zurück über Kleinprüfening forderte die 858 gestarteten Ausdauersportler. Ungefähr dreihundert Zuschauer sahen den Zieleinlauf auf dem Siemensparkplatz am Westbad. Die Bayerische Meisterschaft im Marathon fand unbemerkt von der Öffentlichkeit statt. Das war 1990. Seitdem hat sich beim Regensburg Marathon viel getan. Bei der 18. Auflage dieses Massensportspektakels waren insgesamt 7.344 Sportler unterwegs. Davon 738 über die klassische Marathondistanz. Das sind 120 Starter weniger als bei der Premiere 1990. Was eigentlich verwundert, denn eine Marathonteilnahme gehört zu den Statussymbolen, die der erfolgreiche Mittvierziger haben muss. Wer einen Porsche Chayenne sein Eigen nennen kann, muss sich auch sportlich beweisen. Dezent über dem Designersofa angebracht, zeugt die Marathonurkunde davon, was für ein toller Hecht man ist. Wer weitere zehn Euro investierte, bekam vom 18. Regensburg Marathon ein dezentes Funktions-T-Shirt. Dieses verschafft bei zukünftigen Trainingsrunden Respekt. Einen Maratoni überholt man nicht so einfach beim Joggen. Eine Melange aus Zuckerwatte, Bier und Bratwürstl Letztes Jahr kam es zu einem in den Medien ausgetragenen Zerwürfnis zwischen dem LG Cheftrainer Kurt Ring und dem LLC Marathon. Der Grund war das dürftige Leistungsniveau des Regensburg Marathons. Der anerkannte Laufexperte Kurt Ring fühlte sich sehr an die Volksmärsche der Siebziger Jahre erinnert. Nicht nur erzielten Zeiten der Hobbyläufer gaben 2007 ein dürftiges Bild ab. So torkelte der Drittplazierte des Marathons mit einer indiskutablen Zeit von 2:41:44 ins Ziel. Dieses Jahr sah es auch nicht besser aus. Von den 738 Marathonläufer, blieben lediglich 47 unter der magischen drei Stunden Marke. Was weniger für das sportliche Niveau des Regensburg Marathons spricht, ist die Tatsache, dass über 40 Prozent der Marathonteilnehmer über vier Stunden unterwegs waren. Auch die von Kurt Ring kritisierte Rummelplatzathmosphäre im Zielbereich wurde in diesem Jahr nicht besser. Auch beim 18. Regensburg Marathon wehte den Athleten beim Überqueren der Ziellinie eine Melange aus Zuckerwatte, Bier und Bratwürstl entgegen. Ein Duft, mit dem man eher die Regensburger Dult assoziiert. „Free-Tibet“-Shirts und Laufschuhe aus China In Frankreich darf bei Laufveranstaltungen nur an den Start, wer ein aktuelles ärztliches Gesundheitszeugnis vorlegt. Diese Regelung gilt für alle. Auch werden im Nachbarland vom Streckenarzt und Sanitätern Athleten aus dem Rennen genommen, für die ein Weiterlaufen gesundheitliche Schäden verursachen würde. Bei deutschen Marathons und Halbmarathons ist man in dieser Hinsicht zurückhaltender. Die Veranstalter benötigen viele Läufer im Ziel, damit man bei der bundesweiten Marathonrangliste möglichst weit vorne steht. Auch sind die Deutschen ein klagefreudiges Volk und schon mancher Läufer bemühte die Justiz. Mittlerweile bietet der Veranstalter, die Regensburg Marathon GmbH, ein ganzes Potpourri von Disziplinen an. Da wäre die Halbmarathondistanz. Seit zehn Jahren werden die 21 Kilometer angeboten und immer beliebter. Wer halbwegs trainiert ist, kann diese Distanz ohne größere Schäden durchlaufen. Weiter in der Angebotspalette des Marathonveranstalters in Regensburg ist Nordic Walking und Inlineskating. Schließlich muss den sportlichen Modetrends auch Rechnung getragen werden. Und so klappern die Gehstöcke und rasseln die Rollschuhe durch Regensburg. Auch wenn der größte Teil der Rennstrecke weniger pittoresk ist, jeder will dabei sein beim größten Sportereignis der Stadt. War es in den Anfangsjahren des Regensburg Marathons ein schnöder Startschuss, der das Rennen startete, so ging das Programm bereits am Samstagmorgen los. Der Frühstückslauf eröffnete die bunte Warendult auf dem Infineonparkplatz. Pardon, die Sport& VitalMesse. Hier gibt es alles was der sportlich Ambitionierte sucht: Laufschuhe, Bekleidung, Kraftnahrung, Leistungsdiagnostik und vieles mehr. Nach der Verköstigung der Massen mit Nudeln, vom Veranstalter als Nudelparty deklariert, stand der Marathonrock auf dem Programm. Was das alles Mit Sport zu tun hat? Nichts. Es geht ums Geld. Die Startgebühren des Regensburg Marathons widerlegen, dass Laufen ein preiswerter Sport ist. Wer sich bis zum 31 März für den Marathon anmeldete musste 31,50 Euro berappen. Bis zum 1.April erhöhte sich die Startgebühr auf 46,50 Euro. Spät entschlossene Läufer mussten ab dem 24. April 55 Euro für die Teilnahme am 18. Regensburg Marathon zahlen. Zum Vergleich: Die Startgebühr für den Berlin Marathon beträgt 65 Euro, die für den Marathon in der Landeshauptstadt Kiel 22 Euro und bei dem Marathon in Leipzig darf man für 45 Euro starten. Kleine Extras bringen der Regensburg Marathon GmbH noch weitere Taler in die Kasse: Die Zusendung der Urkunde mit dem bunten Ergebnisheftchen kostet 4 Euro. Das Funktions T-Shirt ist für 10 Euro zu haben und wer ganz sicher gehen will, schließt eine Startgeld Versicherung in Höhe von 4,90 Euro ab. Was mit den Einnahmen aus den Startgebühren passiert? Neben den anfallenden Kosten können damit auch die Antrittsgelder für die Stars bezahlt werden. Die Prämie, für einen neuen Streckenrekord beim Regensburg Marathon, in Höhe von 1.000 Euro nimmt sich eher bescheiden aus. Nur weil Regensburg UNESCO Weltkulturerbe ist, kam der diesjährige Marathonsieger Oleksandr Holovnytkyy aus der Urkaine sicher nicht in die Donaustadt. Zwischen den vermeintlichen Spitzenathleten und den Marathonveranstaltern besteht ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Die Topläufer, meist aus afrikanischen Entwicklungsländern oder dem ehemaligen Ostblock, verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit Antrittsgeldern und Prämien für Streckenrekorde. Die Ausrichter von Marathons benötigen hingegen möglichst gute Siegerzeiten. Diese verschaffen ihnen eine gute Position in den Marathonrankings. Je weiter oben ein Marathon in dieser Rangliste steht, um so mehr Läufer wollen dort mitlaufen. Nutznießer davon sind die Marathonveranstalter und die Manager der Spitzenläufer. Einen positiven Gegenentwurf zu dem Regensburger Marathon stellt der Arber Radmarathon dar. Zum 23.mal findet diese Radveranstaltung statt. Im Gegensatz zum Regensburg Marathon gibt es bei den Radlern kein Klassement und keine Zeitnahme. Durch die fehlende Rangliste, wird unter den Hobbysportlern kein falscher Ehrgeiz provoziert. Auch werden keine Spitzenfahrer für viel Geld an den Start gekauft. Auch die Zahl der Schwindler ist geringer als bei einem Laufmarathon. Mittlerweile werden bei großen Marathons, neben zusätzlichen Zeiterfassungsmatten, auch Detektive und Ordner eingesetzt. Diese überwachen beispielsweise die Eingänge zur U-Bahn und halten Ausschau nach Schwindlern in Laufklamotten. Auswüchse, die es in diesem Stil beim Arber Radmarathon nicht gibt. Marathon- und Halbmarathonläufer sind gute Menschen. So konnten beim Regensburg Marathon Mitglieder der joggenden Intelligenzia gesichtet werden, die sich Aufkleber mit der tibetischen Fahne auf die Startnummern geklebt hatten. Darunter der Slogan “Free Tibet!“. Sicher werden die chinesischen Machthaber von diesen Meinungsäußerungen weniger beeindruckt sein, doch das Gefühl etwas getan zu haben gehört einfach zu einem Gutmenschen. Dabei gerät leider in Vergessenheit, dass die 140 Euro Laufschuhe in China gefertigt wurden und die Näherin an diesem Paar satte 40 Cent verdient hat, was auch im Reich der Mitte kein Geld ist. Was bleibt übrig von dem 18. Regensburg Marathon? Den Namen des Siegers kennt in zwei Wochen in Regensburg kein Mensch mehr. In den Grünstreifen werden sich noch ein paar verlorene Pappbecherl und Schwämme finden. Die Straubinger Straße wird bis zum nächsten Marathon keinen Zuschauer anziehen. Viele Hoobyläufer werden sich den Vorsatz setzen, 2009 den Marathon in Regensburg zu laufen, egal wer als Spitzenläufer eingekauft wird.
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Kommentare (4)

  • Boris Achberger

    |

    Glänzender Artikel!
    Ich vermisse den Namen der/des Autorin/Autors.
    Massenspektakel wie der Regensburg-Marathon und auch das Bürgerfest haben längst nicht mehr das Placet der Altstadtbewohner. Warum man immer noch daran festhält? Der/die Autorin/Autor hat Recht, es geht nur ums Geld. Was der Titel
    “Welterbe” bedeutet, hat Regensburg und deine Regierung noch immer nicht verstanden.

    B.A.

  • Michael Thomiczny

    |

    Unglaublich: welche Veranstaltung auch immer, hier wird stets irgendein Haar in der Suppe gefunden. Kann sich der Autor nicht vorstellen, dass die über 7000 Teilnehmer aller Läufe nicht einfach nur Spaß an der Sache haben? Stellen Sie sich am Samstag nachmittag mal mit ihren Kindern an die Strecke und erleben mal mit, mit wie viel Enthusiasmus die Kleinen beim Mini-Marathon dabei sind. Soll das weniger sein als bei den Teilnehmern des Rad-Marathons? Ist nicht das das Ausschlaggebende? Und wenn die Läufer die Startgebühr bezahlen, ist das nicht ihre Sache? Wem es zuviel ist, läuft halt nicht mit. Punkt. Man kann doch Veranstaltern, die gerne Profis anlocken wollen, die nun mal Geld kosten, nicht ankreiden, dass sie auch Geld verdienen wollen. Da man scheinbar nicht so viel zahlen kann, gehen die Spitzenläufer eben an einem der ebenso an diesen Wochenenden europaweit stattfindenden Läufen an den Start. Was ist daran auszusetzen? Umso eher hat doch der Lauf dann einen “Volkscharakter” ähnlich dem Rad-Marathon. Möchte nicht wissen, wie groß hier das Geschrei wäre, wenn der Sieger statt 1000 gar 10000 Euro erhielte.
    Drum mein Fazit: Kein glänzender Artikel, nur reichlich Widersprüche in der Argumentation. Und den Altstadtbewohner, den die drei Stunden lang vorbeischwitzenden Läufer in seinem innigen Erleben des Weltkulturerbes stören, der kann einem nur leid tun.
    In diesem Sinne, eine schöne Woche an alle notorischen Nörgler
    MT

  • Daniela Camin - Heckl

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    Mir gefällt der Artikel auch gut. Für mich hat ein Marathon, der Spitzenläufer einkauft und mit Gewinnerprämien anlockt keinen “Volkscharakter” mehr. Es ist ein Geschäft mit dem, was darum aufgebaut wird und wer es sich nicht leisten kann (z. Bsp. Startgebühr) der bleibt aussen vor. Schade für die, die auch laufen wollten, es sich aber nicht leisten können.
    MfG

  • Robert Lang

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    Schade, einer Ihrer wenigen schwächeren und schlecht recherierten Beiträge.
    Mit Ihrem Artikel zum Marathon schießen Sie wohl etwas über das Ziel hinaus. Es mag sicher Ansatzpunkte für Kritik und Verbesserungen geben. Aber sich einerseits über Prämien und Antrittsgelder für die Schnellsten zu beklagen und andererseits auf die schwache sportliche Leistung der Masse (40 % über 4 Stunden) zu verweisen, ist nicht ok.
    Ich bin übrigens einer derjenigen, die deutlich über 4 Stunden brauchten und ich muß mich dafür nicht schämen.
    Es waren übrigens nicht 738 Marathonläufer, sondern knapp 1000, welche das Rennen antraten.
    738 davon kamen ins Ziel bzw. in die Wertung.

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drin