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Rohrwerk Maxhütte wird 60 Jahre alt

Sulzbach-Rosenberg. Das Rohrwerk Maxhütte wird nächstes Jahr 60, soeben haben Arbeitnehmer und Geschäftsleitung eine Tarifeinigung gefunden und im Kaltrohr-Bereich, wo die feinen Kugellager für die Automobilindustrie entstehen, da brummt´s in 21 Schichten. Rechte Feierstimmung kommt dennoch nicht auf. Rohrwerker schildern ihren ArbeitsalltagGründe sind die schwierige Lage im Warmrohr-Bereich durch Billig-Konkurrenz aus dem Osten, Investitionsstau und das noch nicht gelöste Problem der Überalterung in der Belegschaft. Am Mittwoch besuchte der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der SPD, MdB Klaus Barthel, den Betrieb zusammen mit Spitzenpolitikern seiner Partei aus der Region. Mit dabei auch die Bundestagskandidaten Brigitte Bachmann und Uli Grötsch (Weiden). Bürgermeister Michael Göth war nur einer derjenigen, die Stolz auf die seit dem Mittelalter bestehende Tradition Sulzbach-Rosenbergs als Eisen-Standort zum Ausdruck brachten. Nach dem finalen Maxhütte-Konkurs habe die Stadt mithilfe von Krediten und dank vorausschauender Politik aber einen Strukturwechsel hin zu Neuansiedlungen und Branchenvielfalt gemeistert. Von den 8500 Arbeitsplätzen zu Maxhütten-Spitzenzeiten gebe es heute wieder 7800, Tendenz steigend. Die Bevölkerungsentwicklung sei stabil, die nach dem Crash 18 %ige Arbeitslosigkeit auf 3 Prozent gefallen. Barthel lobte das Sulzbach-Rosenberger Modell. Antizyklisch investieren – das sei genau der richtige Weg, um Krisen zu meistern. „Merkel und die Troika machen in Griechenland und anderswo gerade das genau Gegenteil, die sparen alles kaputt.“ Betriebsratsvorsitzender Karl-Heinz König hatte den politischen Tag rund ums Rohrwerk organisiert, er ist auch Vorsitzender des AfA-Unterbezirks Amberg-Sulzbach-Neumarkt. Er drückte seinen Stolz darauf aus, dass es der IG Metall in den schwierigen Zeiten zu Beginn des Jahrtausends gelungen sei, das Rohrwerk an den Metall-Tarifvertrag von NRW zu koppeln – zunächst mit einem Sanierungs-, jetzt mit einem Anerkennungs-Haustarif-Modell. Die Arbeitgeber wollten dieses System vor wenigen Wochen verschlechtern. Die Entschlossenheit von Gewerkschaft und Belegschaft zwang sie zum Einlenken. „Damit ist die dringend benötigte Ruhe eingekehrt“, so König. Siegfried Gierl von der Geschäftsleitung begrüßte die Gäste ebenfalls und erklärte die Probleme im Warmrohrbereich, die das Rohrwerk dort zu Kurzarbeit zwingen. „In Staaten wie Weißrußland sind solche Werke staatlich und müssen nicht gewinnorientiert arbeiten, da werden schnell einmal 700.000 Tonnen Rohr fürs Lager produziert und dann weit unter dem marktüblichen Preis auf einmal auf den Markt geworfen“, klagt er. Die Max-Aicher-Gruppe habe deshalb dem Rohrwerk eine „Tochter“ in Kroatien verordnet, die im Osten konkurrenzfähiger produzieren solle. An die Politik richtete er die Bitte, die Regeln zur Kurzarbeit wieder so zu flexibilisieren, wie das 2008 und 2009 der Fall war – die Zwölf-Monats-Beschränkung, die derzeit gelte, zwinge ein Unternehmen bereits nach einem Jahr, die Stammbelegschaft zu entlassen, „wir wollen diese hoch qualifizierten Leute aber parken können“, stellte er klar. Barthel erwiderte, dass die SPD die Flexibilisierung der Kurzarbeit im Bundestag, analog zum System der SPD-Minister in der großen Koalition, schon vor einem Jahr gefordert habe. Schwarz-gelb streite aber ab, dass es dafür Bedarf gebe. Nicht so einig wie bei der Kurzarbeit zeigten sich Betriebsratsvorsitzender und Geschäftsführer beim Thema Leiharbeit. König empfindet es als unerträglich, dass von den 80 ausgeliehenen Kollegen (Stamm: 452, davon 18 Azubis) manche schon seit drei Jahren hier arbeiten, ohne Rohrwerker zu sein. „Sie sollten das Know-how dieser Kollegen binden“, empfahl er dem Geschäftsführer und beklagte mangelnde Gesetze, die dazu führten, dass Leiharbeit längst nicht mehr der Abdeckung von Auftragsspitzen diene, sondern oft genug eingesetzt werde, um Stammpersonal auszutauschen. Sowohl König als auch Gierl sehen es als notwendig an, dass das Rohrwerk eine neue Verladehalle baut. Bisher läuft die Verladung im zwei Kilometer entfernten Maxhüttengelände in einer alten Halle, was zu hohem Mehraufwand, sprich Kosten führt. „Aber der Neubau kostet 5 oder 6 Millionen, und die haben wir momentan nicht“, sagte Gierl. Beim Rundgang durch den Betrieb zeigten sich Bezirksrat Richard Gassner und AfA-Bezirksvorsitzender Peter Sturm überzeugt, dass an den körperlich intensiven Arbeitsplätzen im Rohrwerk – viele Anlagen stehen dort seit der Gründung – niemand bis 67 arbeiten könne. Gespräche mit den Mitarbeitern unterstrichen diese Ansicht. König wies neben der hohen körperlichen Belastung durch Hitze, Lärm und Kraftaufwand auch auf das hohe Maß an Konzentration hin, die die Aufgaben von den Arbeitern verlangen. „Einmal nicht aufpassen in der Nachtschicht könnte schlimme Unfälle zur Folge haben“, sagt er. Die Altersstruktur der Belegschaft weise eine hohe Tendenz Richtung „60plus“ auf. „Da müssen wir ansetzen“, ist seine Überzeugung. Bei der öffentlichen Abendveranstaltung im Gasthaus Mutzbauer zeigte sich der örtliche SPD-Chef Achim Bender stolz auf seinen „linken Ortsverein“. In den Referaten von Bachmann, Sturm und Barthel kam der deutliche Wille zum Ausdruck, das System Merkel mit der Umverteilung des Vermögens von unten nach oben im Herbst abzulösen. Aber auch die Absicht, die Fehler aus der Schröder-Agenda auszumerzen. Die Herzkammer der SPD – also die AfA – habe sich in den letzten Monaten mit ihrer Programmatik durchgesetzt. Statt Rente mit 67 soll es abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren geben, der Missbrauch von Leiharbeit solle beseitigt, die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen abgeschafft werden. Riester genieße bei Altverträgen Bestandsschutz. Statt mit neuen Verträgen „aber die Versicherungswirtschaft zu füttern“, solle das Geld lieber in die Rentenkasse kommen. „Wir haben es geschafft, in Deutschland einen 25 %igen Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt zu halten. Das haben wir den betriebsräten, den Gewerkschaften und der Kommunalpolitik zu verdanken“, sagte Barthel. England unter Thatcher und die USA unter Reagan hätten erst die Gewerkschaften zerschlagen und dann festgestellt, dass auf diese Weise die Industrie kaputt gegangen sei – Obama müsse nun mühselig wieder re-industrialisieren. Der Abgeordnete betonte, dass die „Medienkampagne gegen SPD und Steinbrück“ und die „sogenannten Prognosen“ der Wahlforscher („die liegen so gut wie immer daneben“) die Genossen nicht irre machen sollten – „wir kämpfen für die sozialen Themen, für die Fragen, die unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger wirklich interessieren, für Gerechtigkeit. Wir müssen das den Menschen nur sagen“, so der AfA-Bundesvorsitzende.
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Kommentare (1)

  • erik

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    die Maxhütte, meiner Meinung nur noch ein Schatten seiner selbst. Wurde die nicht geschlossen, weil man nicht weitere Investitionen tätigen wollte? Was hätte man alles mit der Knete, die bei der BayernLB aus dem Fenster geworfen wurde, in dieser Region alles machen könnten! vieles und selbst die Maxhütte hätte weiter wie bisher existieren können und wäre nicht was es ist, nämliche eine abgestürzte Region. Was die tollen Arbeitsmarktzahlen betreffen würde in dem Leser empfehlen die Zahlen kritisch zu hinterfragen und nachzufragen wie die Zahlen zusammenkommen. Denn merke Statistiken werden heutzutage nur gebraucht um unfähigen Politikern ein gutes Zeugnis auszustellen um deren Wiederwahl zu sichern. Mit der Agenda 2010 wurden ihnen einen Mittel geben, eine Statistik nach eigenen Vorstellungen zu erstellen, eine Statisik die sich nach politischen Vorgaben selbst bereinigt!

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drin