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Archiv für 16. Juli 2013

Fragwürdige Beschlussvorlage

Irgendeine Fläche für irgendeinen Preis

Wie viele hunderttausend Euro verschenkt die Stadt Regensburg an den Klett-Konzern? Die Stadträte kennen die Summe nicht. Allerdings haben sie dem Wirtschaftsreferenten einen weitreichenden Freibrief erteilt, der in die Millionen gehen dürfte. Die Vollmacht für die Verwaltung: Vermietet irgendeine Fläche für irgendeinen Preis. Auch null Euro.
Der Grundstücksausschuss erteilte der Verwaltung in Sachen "Swiss International School" eine umfassende Vollmacht. Foto: Archiv

Der Grundstücksausschuss erteilte der Verwaltung in Sachen “Swiss International School” eine umfassende Vollmacht. Gegenstimmen gab es nur von ödp und Linken. Foto: Archiv

Regensburg Digital hat bereits mehrfach darüber berichtet (unsere Berichte vom 3. Juli und 8. Juli): Ist es notwendig, dass die Stadt Regensburg die – wenig überraschenden und durchaus legitimen – Gewinninteressen eines Konzerns auch noch großzügig unterstützt? Die „Swiss International School“ (SIS), eine dezidiert gewinnorientierte Privatschule unter dem Dach des Klett-Konzerns (Schulbücher), darf auf absehbare Zeit zum Nulltarif in städtischen Räumen unterrichten. Der Betrag, auf den die Stadt dabei verzichtet, dürfte in die Millionen gehen. Eltern, die ihre Kinder dort unterrichten lassen wollen, zahlen monatlich rund 600 Euro. Mittlerweile liegt unserer Redaktion die Sitzungsvorlage vor, der der Grundstücksausschuss in nichtöffentlicher Sitzung am 19. Juni mehrheitlich zugestimmt hat. Und es ist schon erstaunlich, auf Basis welcher Informationen da ein Beschluss gefasst wurde.

„Eckdaten der Verträge“: Keine Fläche, irgendein Preis

Unter stichpunktartig aufgelisteten „Eckdaten der Verträge“ findet sich zwar ein monatlicher Mietpreis von sieben Euro pro Quadratmeter. Wie groß die Fläche indessen ist, die an die SIS vermietet werden soll, steht nicht in der Sitzungsvorlage. Insgesamt stehen im alten Von-Müller-Gymnasium knapp 8.000 Quadratmeter zur Verfügung. Doch derzeit scheint es ohnehin gleichgültig zu sein, wie groß die Fläche ist. In der Sitzungsvorlage findet sich nämlich der der kurze Passus: „unter bestimmten Bedingungen Reduzierung der Miete für bestimmte Zeit“. Kurz gefasst bevollmächtigten die Stadträte also die Verwaltung, der SIS eine Fläche von bis zu 8.000 Quadratmetern zu irgendeinem Preis zur Verfügung zu stellen. Ein Freibrief, der auch genutzt wurde: Mittlerweile ist bekannt, dass die Miete vorerst auf Null reduziert wurde.

Stadt steht für schlechte Planung von Klett gerade

Die dafür ausschlaggebenden „bestimmten Bedingungen“: Die SIS hatte sich eigentlich bis 2019 vertraglich bei den Eckert Schulen in Regenstauf gebunden und wird nun mit dem Zuckerl „Mietfreiheit“ nach Regensburg gelockt. Regensburg verzichtet also auf Geld, weil die SIS leichtfertig einen langfristigen Vertrag in Regenstauf geschlossen hatte.

Die MZ-Mär von der „imaginären Miete“

Die Mittelbayerische Zeitung verbreitete nun kürzlich die Mär, dass dies für die Stadt keinerlei Verluste bedeute. Schließlich würde eine öffentliche Schule auch keine Miete bezahlen, insofern sei es eine „imaginäre Miete“, auf die man nun vorläufig verzichte. Also keine Kosten für die Stadt? Alles halb so wild, wie die MZ meint? Die Sitzungsvorlage straft diese Behauptung Lügen. Dort ist ausdrücklich festgehalten: Bei künftigen Schulsanierungsmaßnahmen fehlt der Stadt nach dem Umzug der SIS ins alte Von-Müller-Gymnasium Platz zum Ausweichen. Ausdrücklich wird der Oberbürgermeister deshalb beauftragt, „dem Stadtrat Vorschläge vorzulegen“, um den Wegfall des alten Von-Müller-Gymnasiums als Ausweichort zu kompensieren. Dies könne „durch Erwerb und/ oder bauliche Maßnahmen anderer Gebäude“ geschehen. Damit kommen also weitere Kosten auf die Stadt zu.

Sanierung: Sechs Millionen, Container: 400.000 – plus: neues Ausweichgebäude

Bereits die Sanierung des als Ausweichgebäude gedachten ersten Bauabschnitts des alten Von-Müller-Gymnasiums hatte knapp sechs Millionen Euro gekostet. Zusätzlich wurden Container für über 400.000 Euro angeschafft, um genügend Platz für die Grundschule Königswiesen zu haben, die dort und im alten VMG untergebracht werden sollen. Bei späteren Sanierungsmaßnahmen – und es stehen noch einige an – braucht es eine neue Lösung, die erneut Geld kostet. Da hätte ein bisschen „imaginäre Miete“ in die Stadtkasse nicht geschadet.

Hintergrund: Was sind SIS und RIS?

SISIm April verständigten sich die „Regensburg International School“ (RIS) und die „Swiss International School“ (SIS) in Regenstauf – zwei Privatschulen mit internationaler Ausrichtung – darauf, sich zusammenzuschließen. Der Grund: Beide Schulen – 2008 noch in Konkurrenz zueinander eröffnet – hatten nur jeweils 60 Schüler und wären – jede für sich – auf Dauer nicht überlebensfähig gewesen.

RIS: Ein Regensburger Projekt

Die „Regensburg International School“ war ein Regensburger Projekt, das mit Unterstützung der lokalen Wirtschaft – von etwa einer Million Euro ist die Rede – in Gang gesetzt wurde. Auch Hochschule und Universität unterstützten die Gründung mit symbolischen vierstelligen Beträgen.

SIS: Ableger von Klett

Die „Swiss International School“ ist Tochtergesellschaft eines Joint Ventures von Klett, größter Bildungskonzern in Deutschland, und der Schweizer Kalaidos-Gruppe. Bislang betrieb man Schulen in der Schweiz und Brasilien, seit kurzem auch in Deutschland. Regensburg ist hier der vierte SIS-Standort. Das erklärte Ziel von Klett als man mit Bildungsangeboten a la SIS in Deutschland an den Start ging: Binnen fünf Jahren will man so zehn bis 15 Prozent zum Gesamtumsatz der Klett-Gruppe beisteuern.

Ein cleveres Geschäftsmodell

Das Geschäftsmodell ist durchaus clever: Vor Ort werden gemeinnützige GmbHs mit entsprechenden Steuervorteilen als Trägergesellschaft der Schulen gegründet. Eltern bezahlen einen monatlichen Obolus von rund 600 Euro, um ihren Sprösslingen eine angemessene Bildung angedeihen zu lassen. Notwendige Dienstleistungen – Buchhaltung, Lehrplanerstellung, Personalmanagement etc. – und Schulmaterial werden von Unternehmen der Klett- bzw. Kalaidos-Gruppe zugekauft.

Beispiel: Die SIS Stuttgart

Wie das konkret aussehen kann, zeigt das Beispiel der SIS in Stuttgart. Die Bilanz der dort als Träger fungierenden gemeinnützigen GmbH weist seit ihrem Bestehen stetig ansteigende Verschuldung aus. Der Löwenanteil davon sind „Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen“. Diese stiegen von 1,4 Millionen Euro im Jahr 2009 auf 4,4 Millionen Euro im Jahr 2011. Nach einigen Jahren – in der Regel der Ablauf eines kompletten Grundschulzyklus – steht die staatliche Anerkennung an. Damit fließen auch entsprechende staatliche Zuschüsse – zwischen 60 und 80 Prozent der Betriebs- und Personalkosten. Und spätestens dann werden auch die „Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen“ in deren Kassen fließen.
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