Streit um 30.000 Euro für Sea-Eye Regensburg: Rechtsaufsicht entscheidet, nicht zu entscheiden
Die Regierung der Oberpfalz erklärt den Regensburger Spendenbeschluss für Sea-Eye zwar für rechtswidrig – hebt ihn aber nicht auf. Damit liefert man Kritikern einerseits Munition, lässt andererseits die Möglichkeit zur Auszahlung der 30.000 Euro offen und verhindert eine gerichtliche Klärung der Streitfrage.

Nächtliche Rettung auf dem Mittelmeer. Seit 2015 gibt es die in Regensburg ansässige Organisation Sea-Eye. Foto: Archiv
Mehr als drei Monate hat die Regierung der Oberpfalz gebraucht, um zu überprüfen, ob die Unterstützung des Vereins Sea-Eye durch die Stadt Regensburg rechtens ist. Nun hat die Bezirksregierung entschieden, nichts zu entscheiden.
Zur Erinnerung: Laut einem Beschluss, den der Stadtrat Ende Juli gegen die Stimmen von CSU und AfD fasste, soll eine Spendenaktion der Seenotretter um maximal 30.000 Euro aufgestockt werden. Unabhängig von der später eingereichten Beschwerde einer Einzelperson startete die Bezirksregierung bereits im August eine rechtsaufsichtliche Prüfung. Ein eher seltener Vorgang.
Rechtsaufsicht übt Kritik, handelt aber nicht
Nun liegt deren Ergebnis vor, doch die Stadt Regensburg hält es noch unter Verschluss. Zunächst soll der Stadtrat informiert werden. Dem Vernehmen nach aber lässt die Antwort der Regierung die Verantwortlichen bei der Stadtverwaltung teils verärgert, teils fassungslos zurück.
Demnach moniert die Rechtsaufsicht den Beschluss zwar als nicht rechtens, verzichtet aber darauf, Maßnahmen zu ergreifen, sprich: den Beschluss aufzuheben. Angesichts dieser Entscheidung, den Beschluss einerseits zu kritisieren, aber andererseits nicht zu handeln, bieten sich zwei Lesarten an.
Wahlkampfhilfe für die CSU und Verhindern einer gerichtlichen Klärung
Zum einen parteipolitische Motive. Als ausführendes Organ der CSU-geführten bayerischen Staatsregierung in der Oberpfalz liefert die Bezirksregierung damit der Regensburger CSU, aber auch der AfD Wahlkampfmunition, sollte die Spende ausgezahlt werden. Diese Auszahlung ist möglich, eigentlich zwingend. Denn der entsprechende Beschluss bleibt durch das Nichtentscheiden weiter in Kraft und gültig.
Zum anderen schneidet dieses Vorgehen – kritisieren, aber nichts unternehmen – der Stadt Regensburg die Möglichkeit ab, rechtlich dagegen vorzugehen. Hätte die Regierung der Oberpfalz den Beschluss aufgehoben, könnte die Stadt dagegen vor dem Verwaltungsgericht Regensburg und im Zweifel bis zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof klagen.
Rechtliche Klärung dringend nötig
Eine obergerichtliche Entscheidung wäre auch über Regensburg hinaus von Bedeutung. Es gibt in Bayern auch andere Kommunen, die Seenotretter finanziell unterstützt haben (zum Beispiel München) oder aktuell unterstützen (Altdorf bei Nürnberg). Dagegen gibt es zwar Kritik und rechtliche Bedenken – vor allem von CSU und AfD. Vereinzelt wurden Beschlüsse wegen solcher Bedenken auch schon zurückgezogen.
Eine juristische Entscheidung darüber, ob eine Kommune nun die Seenotrettung im Mittelmeer unterstützen darf, gibt es bislang nicht. Eine Gerichtsentscheidung wäre mehr als wünschenswert angesichts der rechtlichen Unklarheiten und vor dem Hintergrund Debatte, die die geplante Spende einerseits und die Kritik daran andererseits ausgelöst haben.
Ums Geld geht es nur vordergründig
Bei dieser Kritik geht es nur vordergründig um die im Raum stehende Summe. 30.000 Euro sind gerade einmal 0,2 Prozent der freiwilligen Leistungen von 14,5 Millionen Euro, die Regensburg im aktuellen Haushalt beschlossen hat. Es geht um gerade einmal 28 Cent pro Wahlberechtigten. Und es ist ein Betrag, der angesichts eines Gesamthaushalts von 1,2 Milliarden Euro schlicht bedeutungslos ist.
Andere Beträge wären eher einer Diskussion wert – beispielsweise sechs Millionen Euro für ein Biotop am Keilberg, fast eine Million Euro für ein Klohäuschen, 150.000 Euro für einen Spielbrunnen am Neupfarrplatz oder 125.000 Euro, um fünf Jahre lang ein Gebäude leerstehen zu lassen.
Bei der Debatte um 30.000 Euro für Sea-Eye geht es ums Grundsätzliche: Dazu wie man zu Migration und Fluchtbewegungen insgesamt steht, zu dem tausendfachen Sterben im Mittelmeer und zu den ehrenamtlichen Seenotrettern von Sea-Eye, die sich oft genug als „Schlepper“ diffamieren lassen müssen. Diese Debatte lässt die Bezirksregierung durch ihr Nichthandeln weiterlaufen und liefert CSU und AfD gleichzeitig Munition.
Nicht immer klar abgrenzbar: Was gehört zum Wirkungskreis einer Kommune?
Juristisch wäre es eine durchaus spannende Frage, ob eine Kommune die Spendenaktion eines solchen Vereins unterstützen darf, zumal dann, wenn er seinen Sitz wie im Fall von Sea-Eye auch direkt in Regensburg hat.
Was zum eigenen Wirkungskreis einer Kommune gehört, ist nicht immer klar abzugrenzen. Etwa wenn es in Regensburg freiwillige Zuschüsse für Einrichtungen diverser Sportvereine gibt, die ihren Sitz zwar in Regensburg haben, denen man aber Geld für Vorhaben im Landkreis Regensburg oder Schwandorf gewährt.
Beispiel Ukraine-Hilfe: Innenministerium rät zu großzügiger Auslegung
Auch könnte man die Unterstützung für Sea-Eye so bewerten wie die Ukraine-Hilfe, an der sich zahlreiche Kommunen bayern- und deutschlandweit beteiligen. Also die humanitäre Unterstützung der Ukraine mit Geld, Lebensmitteln und ausrangierten Fahrzeugen oder technischem Gerät.
Das bayerische Innenministerium hat in der Vergangenheit mehrere klarstellende Schreiben zu finanziellen Engagement bei humanitären Notlagen verschickt, die unserer Redaktion vorliegen.
Demnach kann die Unterstützung von Hilfsorganisationen in Krisengebieten zu den kommunalen Aufgaben gerechnet werden, „wenn sie von einem in der jeweiligen Gemeinschaft wurzelnden Engagement getragen und damit ein gemeinsamer Wille zur solidarischen Hilfeleistung zum Ausdruck gebracht wird“, heißt es beispielsweise in einem ministeriellen Schreiben vom 3. Juli 2015.
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und finanzielle und materielle Unterstützung der dortigen Bevölkerung durch Städte und Gemeinden hält das bayerische Innenministerium im März 2022 „eine großzügige Auslegung der kommunalrechtlichen Vorschriften für gut vertretbar“. Es sei lediglich auf ein „angemessenes Verhältnis der Spende zur finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinde (…) zu achten“.
Interne Prüfung und Information für den Stadtrat
Trifft dieser Maßstab bei den 30.000 Euro für Sea-Eye nicht zu? Hier wird eine Spendenaktion um diesen Maximalbetrag aufgestockt, bei der bislang schon fast 60.000 Euro zusammengekommen sind – das vom Innenministerium erwähnte Engagement der Gemeinschaft könnte man darin zumindest sehen. Wie sähe das die Verwaltungsgerichtsbarkeit?
Gegenüber dem Stadtrat und damit auch der Öffentlichkeit wird die Oberbürgermeisterin wohl noch diese Woche Details offenlegen. Ob und wie die Regierung solchen Punkten in ihrem Schreiben begegnet, dürfte dabei mindestens ebenso interessant sein, wie die Frage, wie die Stadt darauf reagiert. Trotzdem die Spenden aufstocken, Kritik von CSU und AfD zum Trotz, den Beschluss aufheben oder abändern? Man prüft noch intern, heißt es offiziell.
Die Regierung der Oberpfalz hat zur Klärung all dieser Fragen nichts beigetragen, sondern Öl ins Feuer einer spalterischen Debatte gegossen. Diese Debatte ist nun weder erledigt, noch ist die Frage, ob die Spendenaufstockung rechtens ist oder nicht, juristisch überprüfbar. Weder für Befürworter noch für Kritiker der Spendenaufstockung ist diese Entscheidung befriedigend. Die Rechtsaufsicht hat ihre Aufgabe verfehlt.
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