Videoposse am Amtsgericht Regensburg: Verfahren um angeblichen Schlag gegen Polizisten eingestellt
Widerstand, tätlicher Angriff und versuchte Körperverletzung in zwei Fällen wurden einem Promotionsstudenten zur Last gelegt, der an der Blockade einer rechtsradikalen Demo beteiligt war. Ein Video, das das zeigen sollte, war lange nicht zu finden. Nun ist es da – und das Verfahren wurde eingestellt.

Am Rande einer Kundgebung musste die Polizei eine Blockade räumen. Was dabei genau passiert ist, bleibt bislang unklar. Symbolfoto: Archiv
Gerade einmal eine Stunde dauert es – dann wird das Verfahren gegen einen 31-jährigen Promotionsstudenten gegen eine Geldauflage eingestellt (§153a). Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Anklage schwere Geschütze aufgefahren: Widerstand gegen Polizeibeamte, tätlicher Angriff und versuchte Körperverletzung in jeweils zwei Fällen wurden dem Angeklagten zur Last gelegt.
Doch nach Sichtung eines lange verschollenen Polizeivideos und einem kurzen Rechtsgespräch stimmte auch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft der Einstellung des Verfahrens zu.
Verfahrenseinstellung in solchen Fällen selten
Eine solche Zustimmung ist selten. Wenn es um mögliche Tätlichkeiten gegen Polizeibeamte geht, handhabt die Staatsanwaltschaft dies „sehr restriktiv“, erklärt Amtsrichterin Stopp. Doch nun habe sich gezeigt, dass die tatsächliche Tathandlung „im unteren Bereich anzusiedeln“ sei. „Außerdem hat sich das Verfahren durch Umstände, die Sie nicht zu verantworten haben, in die Länge gezogen“, fügte Stopp in Richtung des Angeklagten hinzu.
Der erste Prozess in dieser Angelegenheit hatte tatsächlich für Kopfschütteln bei den Beobachtern gesorgt. Dem heute 31-Jährigen wurde vorgeworfen, am 27. Januar des letzten Jahres an einer Blockade gegen eine Demonstration teilgenommen zu haben, die von der früheren Neonazi-Aktivistin Nadine Alt organisiert worden war.
Direkte Zeugen gab es nicht – nur das Video
Als die Polizei nach mehrfacher Aufforderung die Blockade räumte, habe er massiv Widerstand geleistet. Einem Polizisten habe er gegen den Helm geschlagen, einen anderen habe er versucht zu treten. Direkte Zeugen, die den Mann hätten identifizieren können, gab es jedoch nicht.
Der Polizeibeamte, der den Schlag abbekam, sagte zwar aus, dass er ihn gespürt habe. Gesehen habe er den Angeklagten jedoch nicht. Erst im Nachhinein, nach Sichtung eines Videos, sei der Student als Täter identifiziert worden.
Erster Prozess platzte wegen Schlamperei
Beim Prozesstermin stellte sich dann heraus: Das besagte Video befand sich nicht in der Akte. Der damals zuständige Richter hatte die Anklage zugelassen, ohne sich die beiliegende DVD anzusehen. Auch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft und der damalige Verteidiger des Angeklagten kannten die Aufnahme nicht.
Eine Einstellung gegen Geldauflage wehrte die Staatsanwältin bei dem Prozess im letzten November ebenso ab wie den Versuch des Richters, den Angeklagten zu einem Geständnis zu überreden. „Ich möchte nicht, dass hier ein Schlag eingeräumt wird, den es vielleicht gar nicht gegeben hat. “
So ging man unverrichteter Dinge auseinander. Weil das Video weiterhin nicht auffindbar war, musste der Prozess komplett neu aufgerollt werden. In der Verhandlung unter Vorsitz von Amtsrichterin Stopp ist die Aufnahme nun endlich da.
Video: Kein Tritt zu sehen, vielleicht ein Schlag
Sie zeigt ein dynamisches Geschehen, bei dem sich der Angeklagte massiv gegen die Räumung der Blockade wehrt und sich mit seinem Körper gegen die eingesetzten Beamten stemmt. Von einem Tritt ist nichts zu sehen. Einmal zeigt das Video, wie die Hand des Studenten den Helm eines Polizisten berührt – der angeklagte Schlag.
„Ich hätte zurückweichen müssen“, räumt der Angeklagte ein. Sein Verhalten tue ihm auch leid. „Ich habe im Vorfeld der Räumung nicht wirklich mitbekommen, dass es Spitz auf Knopf steht. “
Richterin Stopp bittet die Staatsanwältin und Georg Karl, den neuen Strafverteidiger des Angeklagten, nun kurz zum Rechtsgespräch. Nach knapp zehn Minuten kehrt man mit einer Einigung zurück. Das Verfahren wird eingestellt. Der Angeklagte muss binnen sechs Monaten 4.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Damit ist die Angelegenheit erledigt.





Skinny B. Itch
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Hussa!
Alleine der Umstand, dass es berichtenswert ist, wenn Strafprozesse doch mal nach den berühmten für alle geltenden Regeln geführt werden, obwohl Polizist*innen (vermeintlich) geschädigt wurden, sagt schon viel aus.
Glückwunsch, dass die Staatsanwältin nicht “äußerst restriktiv”, sondern halbwegs rechtsstaatlich agiert hat.
Einen zu 100% ernst gemeinten Glückwunsch in Richtung des Ex-Angeklagten! Endlich hat diese belastende Farce ein Ende! Gute Erholung und hoffentlich hast du ein Umfeld, dass dich begleitet hat und jetzt auch weiter unterstützt!
Dass 4.000€ das Beste sind, das ein Anwalt im 6-Augengespräch für seinen Mandanten rausholen kann, ist unter Berücksichtigung einer – zugegeben – erwiesenen Widerstandshandlung – aber – eines nicht nachweisbaren Schlags und Tritts schon bemerkenswert. A bisserl Restriktivität geht immer!
@StefanAigner: Sind bezüglich des desaströs geführten ersten Prozesses eigentlich irgendwelche Konsequenzen zu erwarten?
Markus Feilner
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Bin ich der einzige, der empört ist darüber, dass ein vermutlich unschuldiger Demonstrant 4000 Euro zahlen muss, ohne schuldig gesprochen zu werden? Oder habe ich nicht ausreichendes Verständnis des Rechts… Wenn ich den Artikel lese, frage ich mich: Warum muss der Betreffende etwas zahlen? Weil es ein Polizist war?
Christian H.
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Kommentar gelöscht. Bitte zum Thema.
Franz-Josef Weiss
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@Markus Feilner:
Der tätliche Angriff auf Polizeibeamte hat eine Mindeststrafe von 3 Monaten und die Handbewegung des Angeklagten reicht dafür bereits aus. Die Richterin hat das auf den Punkt gebracht, am unteren Rand der Strafbarkeit, zusammen mit der Schlamperei um das Video ausreichend für eine Einstellung. Die 4.000 Euro klingen erstmal heftig, aber die Alternative wären 4 Monate Freiheitstrafe oder 150-160 Tagessätze Geldstrafe, die im Registerauszug dann auftauchen… Die Deal war die beste Lösung insbesondere mit Blick auf die berufliche Zukunft…
tom lehner
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@ Markus Feilner: Nein.
Skinny B. Itch
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@Franz-Josef Weiss:
Im erweiterten Führungszeugnis taucht ein eingestelltes Verfahren gegen Geldzahlung aber trotzdem auf, oder?
@ Markus Feilner: Ich schließe mich Tom Lehner und Ihnen an. Allerdings sehe ich schon (mit Zähneknirschen) einen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit. Da besteht einfach Reformbedarf. Staatsanwaltschaften ermitteln nicht neutral/unabhängig, wenn es um Polizist*innen geht.
Skinny B. Itch
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Bezüglich des Führungszeugnisses habe ich mich offensichtlich geirrt:
“Eine Einstellung nach § 153 StPO hat gegenüber einer § 170 Abs. StPO zwar den Nachteil, dass es keine Einstellung wegen Nichterweislichkeit ist, bietet aber genauso den Vorteil, dass keine Einstragung im Bundeszentralregister oder Führungszeugnis erfolgt. Der besondere “Charme” dieser Einstellung liegt zudem darin, dass der Anzeigeerstatter im Gegensatz zu § 170 Abs. 2 StPO kein Beschwerderecht hat.” (Quelle: https://www.strafrecht-anwalt-mannheim.de/strafprozess/einstellung-des-verfahrens/)
Zivil- oder Beamtenrechtliche Nachteilen können aber anscheinend trotzdem auftreten. Genauso, wie Regressforderungen von Versicherungen. Zumindest, wenn Google recht hat…
Sorry für die doppelte Arbeit beim moderieren!