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Verleumdung, Beleidigung, Körperverletzung

Vorwürfe gegen selbsternannte Kardinälin: Strafe oder Psychiatrie?

Mehrfache Körperverletzung und Beleidigung, Sachbeschädigung, der Versuch, einen Welpen zu vergiften und Verleumdung. Die Latte an Vorwürfen gegen eine Ex-Pfarrerin ist lang – doch ist die Frau überhaupt schuldfähig?

Wirkt nicht hilfebedürftig, lebt aber in einer bizarren Vorstellungswelt: Elke G. (mit ihrem Pflichtverteidiger Michael Frank). Foto: as

„I am the Champion“, jubiliert die 57-jährige Frau immer wieder auf ihrer Terrasse. Sie tanzt und wedelt mit Sternwerfern herum, während aus der Wohnung direkt nebendran Möbel zum Aufzug geschleppt werden. Es ist März 2021. Die Nachbarn von Elke G., ein frisch getrautes Ehepaar Anfang 30, haben aufgegeben. Nach sechs Jahren neben der selbsternannten Kardinälin verlassen sie das Haus im Stadtwesten von Regensburg und ziehen weg.

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Das Tänzchen, das Elke G. dazu aufführt, hat der Ehemann mit seinem Handy aufgenommen. „Frau G. hat sich wirklich gefreut“, meint Vorsitzender Richter Gerald Siegl trocken, während die Mitglieder der 7. Strafkammer das Filmchen in Augenschein nehmen.

Viele Vorwürfe und eine zentrale Frage

Es ist der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen die Ex-Pfarrerin, die unter anderem behauptet, mehrfach für den Friedensnobelpreis nominiert gewesen, mit dem verstorbenen Papst Benedikt XVI. verwandt und von diesem zur Kardinälin ernannt worden zu sein – mit Ambitionen auf das Amt als Päpstin.

Die schwierige Frage, die Siegl und seine Kollegen beantworten müssen, ist, ob man Elke G. für die ihr vorgeworfenen Taten – unter anderem mehrfache Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung, der Versuch, einen Welpen zu vergiften – strafrechtlich zur Verantwortung ziehen kann, oder ob sie nach §63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden muss.

Keine leichte Aufgabe und auch eine schwierige Abwägung, wie eine breitere Öffentlichkeit spätestens seit dem Fall Gustl Mollath weiß, oder auch jenem der Regensburgerin Ilona H.

Wie aus ein paar Monaten Haft Jahre in der Forensik werden…

Ende 2006 wurde die Sozialpädagogin vom Landgericht Regensburg zu sogenanntem Maßregelvollzug nach §63 StGB verurteilt. Nach den damaligen Feststellungen des Gerichts soll sie ihre Nachbarin im Zuge eines langjährigen Streits bei zwei verschiedenen Anlässen im Supermarkt mit einem Einkaufswagen gerammt und verletzt haben.

Ursprünglich hatte das Landgericht seinerzeit eine Haftstrafe von vier Monaten ohne Bewährung als tat- und schuldangemessen gesehen für die Frau, die zu diesem Zeitpunkt bereits wegen verschiedener Delikte vorbestraft war. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger bescheinigte Ilona H. seinerzeit allerdings eine „paranoide wahnhafte Störung“ und ein Verhaltensmuster vom Typ rachsüchtiger Stalker. Schuldunfähig und damit freigesprochen, aber eine Gefahr für die Allgemeinheit befand das Gericht und ordnete ihre Unterbringung in der Forensik des Isar-Amper-Klinikums Taufkirchen an.

Erst siebeneinhalb Jahre später kam Ilona H. wieder frei – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und wohl auch, weil der Fall Gustl Mollath zu dieser Zeit den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stärker auf dieses Thema gelenkt hatte. Selbst Nina Hagen setzte sich irgendwann für die Regensburgerin ein. Wer weiß, ob Ilona H. ansonsten nicht den Rest ihres Lebens in Taufkirchen verbracht hätte.

Elke G. ist sich keiner Schuld bewusst

Für Elke G. geht es also um Einiges. Wie schon am ersten Verhandlungstag, damals ging es um eine Geschäftsinhaberin, die sie geohrfeigt und eine Busfahrerin, die sie angespuckt haben soll, bestreitet sie sämtliche Vorwürfe – und sucht die Verantwortung bei allen möglichen Personen, außer bei sich selbst.

Ihrem Pflichtverteidiger wirft die durchaus redegewandte Frau vor, sich nicht genügend für sie einzusetzen. Das Gericht lade von ihr vorgeschlagene Zeugen nicht und berücksichtige keine ihrer Beweisanregungen. Sie fordert Ortstermine, kündigt mehrere Anträge an und stellt die Geduld der Kammer auch mit ihren Fragen an die Zeugen, die mehrfach nichts mit der Sache zu tun haben oder schlicht keine Fragen sind, gelegentlich auf eine harte Probe.

Und während ihre Behauptungen zu Papst, Nobelpreis und Kardinälin lediglich skurril anmuten mögen, klingen die Schilderungen der früheren Nachbarn von Elke G. beunruhigend und verstörend.

 Nachbarn fühlten sich belauert und bedroht

Beginnend mit ihrem Einzug 2015 habe es demnach Ärger gegeben. Er habe wohl mal eine Tür zu laut ins Schloss fallen lassen, meint der Bauleiter. Da sei das losgegangen, was er heute die „Elke G.-Manier“ nennt – und das habe nicht mehr aufgehört. Teilweise bis heute. „Hätte ich ab da jede Kleinigkeit angezeigt, wäre ich nicht mehr aus der Polizeistation weggekommen.“

Beschimpfungen und Beleidigungen, Müll, der über Terrasse und Hausgang verteilt wurde, ein demoliertes Türschloss, Pfefferspray im Hausgang, ein Schlag in die Hoden mit dem Gehstock. Die Ehefrau des Mannes, die im Vertrieb eines großen Konzerns arbeitet, erzählt, sie habe sich regelmäßig als „Hure“ beschimpfen lassen müssen. Er als „Sexualstraftäter“, „Alkoholiker“, „Drogensüchtiger“ und „Zuhälter“. Behauptungen, die Elke G. auch im Internet und über Mails verbreitete – teils bis heute.

Nach Aufforderung des Gerichts stellt der Mann eine Situation nach, in der Elke G. ihn vor Gästen über die Terrasse als Sexualstraftäter beschimpft haben soll, tanzend, lachend und mit erhobenen Mittelfingern.

Sie habe sich regelrecht belauert gefühlt von der Pensionärin, erzählt die frühere Nachbarin. „Wenn mein Mann nicht da war, habe ich geschaut, dass ich woanders übernachte. Ich hatte Angst.“ Ihr Mann sagt: „Ich kann es mir nicht erklären, warum die Frau sich das seit sechs Jahren einbildet.“

Vernehmung des Gutachters unter Ausschluss der Öffentlichkeit

So ließe sich das noch lange fortsetzen. Es gibt noch einige Schilderungen über verstörende Vorfälle und Verhaltensweisen mit und von Elke G. an diesem Gerichtstag, teils untermauert durch Aussagen von Polizeibeamten, teils durch Texte aus der Feder der Ex-Pfarrerin. Wir hören aber an dieser Stelle auf.

Bei alledem bleiben die Fragen nämlich dieselben: Kann die Frau für die ihr vorgeworfenen Taten verantwortlich gemacht werden oder nicht? Muss die Öffentlichkeit vor ihr geschützt werden oder nicht? Muss bzw. kann der Frau gegebenenfalls geholfen werden, auch wenn sie abseits ihrer bizarren Vorstellungswelt nicht den Eindruck macht, hilfsbedürftig zu sein?

Unterstützung bei der Klärung dieser Fragen erhofft sich die Kammer vom psychiatrischen Sachverständigen Dr. Dietmar Wirtz, der am Mittwoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen wird. Danach wisse man, wohin die Reise geht, so Richter Siegl.

Der Prozess wird am 7. Februar fortgesetzt.

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Kommentare (12)

  • Stephan

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    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher. (Albert Einstein)

  • da_moartl

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    Vielleicht sollte man die Frau einfach ernst nehmen, auch wenn es nicht ernst genommen werden kann. Ein paar Monate im Gefängnis wären vielleicht ein besseres Signal als die Einweisung in die Psychiatrie, wo sie ja doch nur wieder ihre Opferrolle weiter pflegen kann.

  • KW

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    Ich glaube nicht, dass Einstein mit diesem Zitat solche schweren Fälle gemeint hat, sondern eher die allgemeine Blödheit eines Großteils der Leute.
    Falls er das denn je gesagt hat.

  • Luck

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    Da versucht sich anscheinend eine Person wichtiger zu geben, als sie ist.
    Sie ist auch nicht aufs Maul gefallen, wenn man ihre rhetorischen Fähigkeiten in Betracht zieht.
    Wenn man dann aber deren Argumentationsketten genauer betrachtet, drängt sich schon der Verdacht auf, dass diese auf etwas gefallen sein könnte.
    Wer dabei auf den “Kopf” vermutet, dürfte wohl nicht ganz verkehrt liegen.

    Eine Anstands-Schulung hätte die durchaus mal gerne renitent gebärdende Pensionärin sicher nötig. Und das nicht deshalb, damit es doch noch was mit dem Friedensnobelpreis wird. Sondern nur deshalb, damit der § 63 nicht gezogen werden muss.

    Wenn man meint, schon so wichtig zu sein, solle man zumindest mit einem unkomplizierten Wesen den Fokus auf das Wesentliche zu lenken wissen und sich nicht selbst ein Klotz am Bein sein, weil es schon an charakterlichen Mindestanforderungen mangelt.

  • Burgweintinger

    |

    @KW ich glaube, der (ein)gebildete Stephan wollte hiermit nur zeigen, das er meint Einstein zu kennen…

  • Stephan

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    @Burgweintinger: machmal trifft sogar ein Einstein den Nagel auf den Kopf.

  • Mathilde Vietze

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    Es kann sich ja meinetwegen jemand überall blamieren, so gut er / sie es kann.
    ‘Diese “Dame” allerdings liefert wieder all denen, die gegen Frauen in höheren
    Ämtern oder gar Kirchenämtern, sind Futter frei Haus, Frauen nur minder-
    wertigere Arbeiten zuzuteilen.

  • Rudi Ratlos

    |

    @Mathilde Vietze

    dieser Frau würde ich keine Arbeiten mehr zuteilen.
    Das ist sowas von erledigt!
    Deren Stories haben weder Hand noch Fuß,
    aber auf die Menschheit darf man sie nicht mehr loslassen.

    Die Zeit wo frau die Probleme mit Fäusten, Spucke, Lügen und Beleidigungen lösen konnte ist schon seit sehr vielen Jahrhunderten vorbei, falls sie überhaupt mal da war?

    Mit allen anderen Frauen hat das nichts zu tun!
    Fas wird niemand übertragen!

  • Daniela

    |

    @Mathilde Vietze
    3. Februar 2023 um 16:12 | #

    Ich teile Ihre Meinung nicht. Die Persönlichkeit dieser Dame wird nicht taugen, um
    “..
    gegen Frauen in höheren
    Ämtern oder gar Kirchenämtern, …., Frauen nur minder-
    wertigere Arbeiten zuzuteilen.”

    Jeder, der die Persönlichkeit dieser Dame, als Argument dafür nutzen wollte, würde sich selbst in seiner Persönlichkeit bloß stellen.

  • Mathilde Vietze

    |

    Zu Daniela! Ich kann Ihren Kommentar gut verstehen, aber Sie müßten sich mal
    “hineinknie’n” in die Argumente, die die Reaktionäre in der katholischen Kirche
    von sich geben, dann würde Ihnen mein Kommentar vielleicht nicht ganz so
    abwegig vorkommen.
    Ich wünsche Ihnen alles Gute.

  • Daniela

    |

    @Mathilde Vietze
    4. Februar 2023 um 19:29 | #

    Ich antworte, weil ich Ihre offen Art hier im Forum sehr schätze.

    Um auf ‘…die Argumente, die die Reaktionäre in der katholischen Kirche
    von sich geben…’ zu reagieren, braucht es Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Ausdauer. Die reaktionären Kräfte in der Kirche berufen sich auf eine Jahrtausend alte Tradition, in der zu keiner Zeit vorgesehen war, Frauen als Führung zu sehen. Frauen waren das schwache Geschlecht…

    Die gesellschaftlichen Zeiten haben sich aber erst im letzten Jahrhundert gewandelt. Dies auch unter teils grundlegenden Repressalien gg. “Emanzen”, wie man sie abwertend gemeint, nannte.

    Sie müssten den Vatikan erstürmen, das Alte grundlegend verwerfen und völlig auf den Kopf stellen. So zusagen eine katholische Revolution anzetteln. Aber damit stellen sie neben die Tradition auch in gewisser Weise die Religion in Zweifel, je nach Richtung.

    Ich persönlich glaube, dass auch, wie in anderen Religionen, Männer noch lange die Spitze begleiten werden und dies auch nur ungern abgeben würden.
    Religionen sind eine der letzten Bastionen von Männern dominiert.

    Aber ich bin zuversichtlich, dass auch dies sich wandeln wird. Vor allem dann, wenn wir es als Frauen verstehen, diesen Prozess mit Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Ausdauer unterstützen und begleiten.

    Wenn wir jedoch zornig, unausgeglichen… auf deren Argumente reagieren, liefern wir eben dieser Reaktion neue Argumente.

    Ich mag nicht beurteilen, ob die im Artikel beschriebenen Vorfälle und die betroffene Dame nun psychisch krank ist oder einfach nur gesellschaftlich nicht akzeptabel, gar straffällig. Aber wir sollten auf gar keinen Fall uns darauf einlassen, eben diese Dame, als “Argument” für kirchenpolitische Entwicklung zu zu lassen. Genau dies wäre mein Abschluss einer Auseinandersetzung mit ‘reaktionären Akteuren ‘ in der Kirche.

  • Mathilde Vietze

    |

    Zu Daniela: Vielen Dank, Sie haben “den Nagel auf den Kopf” getroffen.

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drin